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Moch Figuren aus KölnEuropas ältester Hersteller von Schaufensterfiguren leidet

Lesezeit 4 Minuten
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Blick in die Werkstatt von Moch Figuren in Köln-Rodenkirchen

Köln – Im Keller der Werkstatt der Moch Figuren GmbH bedeckt der feine Materialstaub dutzende Gesichter, legt sich auf Arme, auf Rümpfe mit Köpfen und ohne, auf Hände und Füße, die verstreut auf Arbeitsbänken liegen, auf das Werkzeug, mit dem all das bearbeitet wird, auf die Kanten des Backsteins an den Wänden, auf den Industrieboden. Der Staub beweist: Hier wird noch gearbeitet – auch nach 114 Jahren der Herstellung von Schaufensterfiguren.

Moch Figuren ist das älteste Unternehmen seiner Art in Europa, ein Team aus elf Personen, ein kleiner Rodenkirchener Fachbetrieb von Weltrang. Moch macht mit internationalen Luxusmarken und großen Kaufhäusern ebenso Geschäfte wie mit Discounter-Ketten und Massenmodefilialisten. Was sie eint, ist die Pandemie-Krise, die sie alle gezwungen hat, ihre Filialen zu schließen.

Die Puppen wurden in den Winterschlaf geschickt

Das Coronavirus hat die Puppen in den Winterschlaf geschickt. Wenn Geschäfte schließen und keine Kunden mehr kommen, um Mode zu kaufen, fehlt auch der Anreiz, die Mode zu präsentieren. Dabei ist das doch der Kern dessen, was Josef Moch macht. Der 59-Jährige führt Moch Figuren seit 1980 in dritter Generation. Er weiß wie kein Zweiter, was eine gute Schaufensterfigur können muss – nämlich für Umsatz sorgen – und wie sie das macht: „Eine Figur muss emotionalisieren und Mode erklären, dem Kunden die Frage »Ist das was für mich?« beantworten, den soziokulturellen Hintergrund der Mode zeigen“, erklärt Moch. „Dafür ist Feingefühl notwendig.“

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Josef Moch führt die Moch Figuren GmbH seit 1980.

2020 war für Mochs Unternehmen das schwerste der vergangenen 41 Jahre. „Unser Umsatz ist um 50 Prozent eingebrochen“, erzählt der Chef im kühlen Dachgeschoss der Werkstatt. In seinem Rücken stehen sieben Figuren mit und ohne Kopf, mit und ohne Gesichtern. Wie nackte, leblose Statisten posieren sie. In diesen Räumen führen Moch und seine rechte Hand, Prokurist Mario Görres, sonst die Verhandlungen, entwickeln Figurenkonzepte, führen Puppenmodelle vor und verkaufen sie an Händler aus aller Welt. Moch ist mehr Künstler, Görres mehr Kaufmann. Dabei ergänzen sie sich gut. Jetzt aber verkaufen sie kaum noch neue Figuren. „Wenn der Einzelhandel leidet, leiden wir mit“, sagt Görres.

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Seinen Sitz hat Moch Figuren im Kölner Süden.

Nach einer anfänglichen Euphorie im Januar 2020, als die Berliner Fashion Week Moch zufolge als eine „Wohlfühloase“ der Modebranche für volle Auftragsbücher sorgte, kam mit dem Frühjahrs-Lockdown der Stillstand. Auf eine kurze Phase der Erholung im Sommer und frühen Herbst folgte die nächste Lockdown-Reißleine.

Corona hat den Wandel beschleunigt

Der Textil-Einzelhandel sorgt für rund 80 Prozent der Umsätze der Kölner Traditionsfirma. Gut gelaufen sind in diesem Jahr die Geschäfte in anderen Bereichen: Für die boomende Freizeit- und Sport-Branche etwa produziert Moch immer mehr Figuren, die in Schaufenstern auf Fahrrädern sitzen oder in Läuferpose den Fuß so gestellt haben, dass verschiedene Arten von Sportschuhsohlen mit ihnen präsentiert werden können. Auch die Umsätze mit den noch immer geöffneten Sanitätshäusern sind stabil. Für sie produziert Moch einzelne Arme oder Beine, an denen Bandagen vorgeführt werden können.

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Aktuell werden kaum neue Figuren verkauft, dafür lassen einige Kunden ihre alten Figuren aufarbeiten.

Die Verluste des vergangenen Jahres können diese Segmente zwar nicht kompensieren, aber immerhin schmälern sie sie . Und der Bereich soll bei Moch weiter wachsen in Zeiten, in denen ein branchenumfassendes Wachstum im Textil-Einzelhandel nicht denkbar ist.

Im Gegenteil: Auch ohne die Pandemie schließen Fachgeschäfte, melden Modeketten und Warenhäuser Insolvenz an, ist der Onlinehandel auf dem Siegeszug. Und Schaufensterfiguren braucht dieser nicht, um Mode zu verkaufen. Den steten Wandel der vergangenen Jahre hat Corona nur noch beschleunigt.

Lkw-Ladungen voller Figuren

Ganz verzichten müssen die Figurenexperten auf die Modeumsätze aber auch jetzt nicht. Zwar kauft gerade kaum einer neue Figuren, einige lassen aber immerhin die alten aufarbeiten. New Yorker ist so ein Beispiel: Das Braunschweiger Familienunternehmen mit junger Zielgruppe, mehr als 1100 Filialen in 46 Ländern und 19 000 Mitarbeitern bringt Lkw-Ladungen voller mattweißer Puppen in den Kölner Süden. Mochs Mitarbeiterin Monika Haghbin stellt jede von ihnen einzeln auf ein Arbeitspodest und verleiht ihnen mit einer Farbsprühpistole ein neues Aussehen. Grau und glänzend hängen sie anschließend zum Trocknen im Keller, um später in den New-Yorker-Niederlassungen für einen neuen Look zu sorgen.

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Arme von Figuren der Firma New Yorker warten darauf, eine neue Farbe zu erhalten.

Auch Sonderwünsche werden gerade bearbeitet. Das spanische Luxuslabel Balenciaga hat sich für eine seiner Boutiquen eine Figur mit einer ganz bestimmten Haltung gewünscht – den Körper leicht verdreht, die Hand verführerisch und fordernd angewinkelt – und hat dabei ein Foto Helmut Newtons als Vorbild genommen. Mitarbeiter und Formenbauer Stefan Weber nimmt bestehende Figurenteile, bearbeitet sie mit Gips und Werkzeug, setzt sie nach und nach zum Einzelstück zusammen.

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Auch wenn es etwas Arbeit gibt – Moch Figuren ist seit Monaten in Kurzarbeit, hat Corona-Soforthilfen und KfW-Kredite in Anspruch genommen, geplante Neueinstellungen wurden gestoppt. Existenzgefährdend sei die Krise für sein Unternehmen nicht, sagt Josef Moch. Doch gehe mit dem Verlust des Handels in den Innenstädten auch ein Erlebnis und Lebensgefühl verloren, ein Argument für deren Attraktivität. Mit seinen Figuren will er helfen, die Geschäfte nach der Krise wieder zu beleben, sagt Moch: „Wir sind mit kribbeligen Händen in Wartestellung.“