Kaufinteressent soll der tschechische Milliardär Daniel Kretinsky sein – der in Deutschland bereits mit Investments auffiel.
Offenbar Teilverkauf geplantScharfe Kritik an Plänen des Thyssenkrupp-Chefs
Es ist nicht einmal drei Monate her, da stand Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf dem Baufeld bei Thyssenkrupp Steel im Walsumer Südhafen von Duisburg und hielt einen Förderbescheid von zwei Milliarden Euro mit seiner Unterschrift und dem Bundesadler in die Kamera.
Mit der größten Einzelförderung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, genehmigt von der EU-Kommission in Brüssel, gab Habeck den Startschuss für ein Projekt, mit dem Thyssenkrupp Steel den Einstieg in die klimaneutrale Stahlproduktion schaffen will. Der Konzern selbst wird nach eigenen Angaben auch eine Milliarde Euro investieren.
Offenbar Teilverkauf der Stahlsparte angestrebt
Inzwischen ist die Euphorie verflogen. Erhebliche Skepsis macht sich breit. Nicht über das Projekt, an dem allein in Duisburg 26.000 Arbeitsplätze in der Stahlindustrie hängen, sondern über die Pläne des neuen Konzernchefs Miguel Angel López Borrego, der, seit Anfang Juni am Ruder, offenbar einen Teilverkauf der Stahlsparte an den tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky anstrebt. Es geht dem Vernehmen nach um eine 50-Prozent-Beteiligung. Bis Ende Oktober wolle man eine Einigung erzielen.
Kretinsky ist im Bundeswirtschaftsministerium kein Unbekannter. In Ostdeutschland stieg der Großinvestor, der auch an der deutschen Metrogruppe beteiligt ist, 2012 ins Braunkohlegeschäft ein. Zu einem Zeitpunkt, als das Ende des fossilen Zeitalters schon abzusehen war. Seine Energie- und Industrieholding (EPH) 2016 kaufte die Kohlekraftwerke der Lausitzer Energie AG (Leag) für einen symbolischen Preis, übernahm fünf Jahre später auch das ehemalige Vattenfall-Kraftwerk Schopau.
Geschäft könnte für Investor Kretinsky lukrativ sein
Vor allem der Leag-Kauf war für den tschechischen Großinvestor höchst attraktiv, weil ihm der im Kohleverstromungsbeendigungsgesetz von 2020 festgeschriebene Kohleausstieg Ende 2038 eine Entschädigung von 1,75 Milliarden Euro einbrachte. Nach den Leag-Plänen hätte die Braunkohle in der Lausitz noch bis weit in die 2040er Jahre zur Verstromung eingesetzt werden können. So lange war die Laufzeit der Verträge.
Und das Geschäft könnte noch lukrativer werden. Die Bundesregierung will analog zum Rheinischen Revier auch die ostdeutschen Kohlereviere schon 2030 abwickeln. Zumindest sehen das die Pläne von Robert Habeck vor. Diesen vorgezogenen Ausstieg würde sich Kretinsky sicher noch einmal gut bezahlen lassen.
IG Metall kritisiert Thyssen-Pläne scharf
Die IG Metall und die Arbeitnehmervertreter des Konzerns laufen Sturm gegen die Pläne und üben Kritik an den Geheimverhandlungen des Vorstandschefs von thyssenkrupp Steel mit dem tschechischen Investor. Die Antworten, die Lopez bei einer Versammlung von 200 Betriebsräten am Dienstag in Essen gab, konnte sie nicht zufriedenstellen. „Mit der Transparenz und der Kommunikationspolitik sind wir unzufrieden“, sagte Konzernbetriebsratschef Tekin Nasikkol im Anschluss an die Versammlung bei einer Pressekonferenz.
„Wir lehnen eine Übernahme durch Kretinsky nicht grundsätzlich ab, wohl aber eine Hauruck-Aktion auf Kosten der Beschäftigten“, schreibt die IG Metall. Die Verhandlungen über einen Einstieg des Tschechen würden ohne Kenntnis der technischen Notwendigkeiten geführt, kritisiert die Gewerkschaft. „Das ist nicht zu akzeptieren!“
Dass Kretinsky jetzt auch von der milliardenschweren Förderung für die Produktion grünen Stahls in Duisburg profitieren könnte, stößt auch in der Politik auf erhebliche Bedenken.
Kritik aus der Politik
Er schaue „mit Besorgnis auf den möglichen Verkauf der Stahlsparte von Thyssenkrupp an den tschechischen Investor Kretinsky“, sagte der grüne Bundestagsabgeordnete Felix Banaszak. Das Thyssenkrupp-Management um Borrego sende „bewusst oder unbewusst das Signal aus, die Stahlsparte einfach möglichst schnell loswerden zu wollen“. Das konterkariere die Bemühungen von Bund und Land, mit der Zwei-Milliarden-Förderung „die klare Botschaft an die Beschäftigten zu geben, dass Staat und Unternehmen an eine grüne Zukunft der Stahlproduktion in Duisburg glauben und bereit sind, in diese auch zu investieren. Ich kann die Kritik, die die IG Metall an dem Verfahren formuliert, gut nachvollziehen“, so Banaszak.
Es könne jetzt nicht darum gehen, „Thyssenkrupp Steel zu verramschen, um kurzfristige Kapitalmarktinteressen zu befriedigen. Wer immer Interesse an der Stahlsparte hat, muss Kapital mitbringen und auch ein glaubwürdiges Commitment für den Standort und seine Beschäftigten übrigens inklusive der Hüttenwerke Krupp Mannesmann im Duisburger Süden unter Beweis stellen. Das bedeutet klare Zusagen zu Investitionen in den Bestand, in die Transformation und zur Sicherheit der Arbeitsplätze“, so Banaszak weiter. HKM ist ein Stahl-Joint-Venture von Thyssenkrupp mit Siemens und Vallourec.
„Es fällt mir als Oberbürgermeister schwer, solche Unternehmensinterna zu bewerten“, sagte Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Ich erwarte, dass die Förderung an den Standort Duisburg fließt. Dafür ist sie auch gedacht.“ Zumal eine Direktionsanlage bei Thyssen nicht ausreichen werde, um Stahl aus grünem Wasserstoff herzustellen. „Allein bei Thyssen werden wir drei weitere Anlagen brauchen. Dort muss man die richtigen unternehmerischen Entscheidungen treffen mit dem Ziel, dass der Stahlbereich aus sich heraus so leistungsfähig ist, den Wandel hinzukriegen. Ob das Management das im Konzern in seiner bisherigen Struktur schafft, in einer anderen Struktur oder ein Dritter dafür notwendig ist, kann nicht beurteilen“, so Link.