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EnergiekriseWie sicher ist unsere Stromversorgung für den kommenden Winter?

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Auch das Atomkraftwerk Emsland bleibt bis zum 15. April 2023 am Netz.

Düsseldorf – Ohne Stromlieferungen aus den europäischen Nachbarländern, vor allem aus der Schweiz, Österreich und Frankreich, könnte es im Winter zu Engpässen im deutschen Stromnetz kommen. Das hat der Netzbetreiber Amprion am Mittwoch in einem Bericht im Wirtschaftsausschuss des Düsseldorfer Landtags, dem sogenannten zweiten Netzstresstest, mitgeteilt. Dass es zu einem Blackout kommt, ist aber äußerst unwahrscheinlich.

Der Test habe überdies gezeigt, „dass Atomkraftwerke in Deutschland einen geringen Einfluss auf die Versorgungssicherheit der Menschen haben“, sagte NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne).

Am Dienstag hatte Bundeskanzler Olaf Scholz von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht und damit den Streit um verlängerte Laufzeiten der drei letzten deutschen Atomkraftwerke beendet. Sie werden nicht wie geplant zum Jahresende, sondern erst im April 2023 abgeschaltet.

Wie sicher ist unsere Stromversorgung für den kommenden Winter? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Was haben die vier deutschen Betreiber der Übertragungsnetze für Strom in ihrem zweiten Stresstest für den kommenden Winter untersucht?

In der zweiten Sonderanalyse haben die vier Netzbetreiber 50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW die Sicherheit des Stromnetzes unter verschärften äußeren Bedingungen unter die Lupe genommen. Grundlage waren die klimatischen Wetterverhältnisse des Jahres 2012, „weil wir da im Februar eine Kältewelle mit den höchsten Herausforderungen hatten“, sagt Ralph Pfeiffer, Abteilungsleiter der Amprion GmbH, die in Brauweiler Europas größte Leitwarte für das Stromnetz betreibt.

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Anfang August: Niedrigwasser im Niehler Hafenbecken.

Verschärfte äußere Bedingungen – was heißt das?

Anlass waren die Dürre im Sommer mit dem extremen Niedrigwasser in den Flüssen, durch die der Kohletransport zu den Kraftwerken stark eingeschränkt war; der aktuelle Ausfall rund der Hälfte der französischen Atomkraftwerke und die angespannte Lage auf den Energiemärkten, ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine.

Auch die Annahmen zu der Frage, wie viele Kraftwerke in Deutschland als Netzreserve zur Verfügung stehen und die Entwicklung der Brennstoffpreise wurden im Vergleich zum ersten Stresstest im Frühjahr noch einmal deutlich verschärft.

Überdies haben die Experten angenommen, dass sich durch den Einsatz von Heizlüftern die Stromnachfrage zu Spitzenzeiten im Gigawatt-Bereich erhöht und der Gaspreis bei 300 Euro pro Megawattstunde liegt.

Mit diesen Vorgaben wurden drei Szenarien („kritisch“, „sehr kritisch“ und „extrem kritisch“) entwickelt.

Was haben die Experten untersucht?

Man habe sich zwei Fragen gestellt, sagt Pfeiffer. Erstens: Ist es jederzeit möglich, die Stromnachfrage in Deutschland durch Erzeugungskapazitäten auf dem deutschen und internationalen Markt jederzeit zu decken oder kann es Stunden geben, in denen in Teilen Deutschlands Strom fehlt?

Zweitens: Gibt es jederzeit im Netz genügend Übertragungskapazitäten, um den Strom von den Erzeugern zu den Verbrauchern zu bekommen oder gibt es Engpässe im Netz?

Warum kann es zu Engpässen kommen?

Weil im Regelfall im Norden Deutschlands mehr Strom produziert als verbraucht wird. Das gilt vor allem dann, wenn durch die Windenergie sehr viel Strom eingespeist wird. Die größten Stromverbraucher sitzen in Süd- und Westdeutschland. Vor allem im Süden ist das Erzeugungsdefizit sehr hoch.

Wenn nicht genug Strom von Nord nach Süd transportiert werden kann, muss die Produktion im Norden gedrosselt und im Süden hochgefahren werden. Nordrhein-Westfalen zählt inzwischen auch vollständig zu den Regionen, in denen mehr Strom produziert werden muss, um das Netz stabil zu halten, ist also kein Energielieferant mehr.

Was hat der Stresstest ergeben?

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es im Winter 2022/23 in einigen Regionen des europäischen Strommarktes und damit auch in Deutschland zu einem stundenweisen Stromausfall kommen wird. Vollständig ausschließen lässt sich das aber nicht. Das gilt aber nur für das „sehr kritische“ und das „extrem kritische“ Szenario.

Welche Folgen haben die Engpässe im Netz für eine sichere Stromversorgung?

Klar ist, dass es in allen drei Szenarien zu Engpässen kommen kann. Das liegt am verzögerten Netzausbau und fehlenden Erzeugungskapazitäten aus Kraftwerken und regenerativen Energien im Süden Deutschlands.

Diese fehlenden Kapazitäten müssen durch Lieferungen aus ausländischen Kraftwerken ersetzt werde. Vor allem aus Österreich, der Schweiz und Frankreich, die wegen der Nähe zu den südlichen Bundesländern besonders effizient sind.

Sind solche Lieferungen schon fest vereinbart?

Nein. Weil die Versorgungslage in ganz Europa durch Dürre, Niedrigwasser und die Probleme bei den französischen Atommeilern sehr angespannt ist, kann aber niemand garantieren, ob diese Kraftwerksleistung tatsächlich zur Verfügung stehen wird. Derzeit liefert Deutschland wegen der AKW-Krise noch Strom nach Frankreich.

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Welche Rolle spielen die drei deutschen Atomkraftwerke Emsland, Isar und Neckarwestheim, die nach dem Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) jetzt doch bis April 2023 am Netz bleiben?

„Durch die Kernkraftwerke allein wird keines der Probleme gelöst. Sie leisten einen Beitrag, sind aber nicht der Heilsbringer“, sagt Pfeiffer. Die Leistung der Brennelemente werde im Laufe der Zeit von 100 auf 60 Prozent abnehmen. Aufs Jahr gerechnet, lieferten sie fünf Terawattstunden, das seien nur ein bis zwei Prozent des Jahresverbrauchs.

Entsprechend gering fällt auch ihr Beitrag zur Stabilisierung des Stromnetzes aus. Sie senken den Bedarf an kurzfristigem Strom, die dem deutschen Markt aus dem Ausland zur Verfügung gestellt werden müssen, nur um 0,5 auf 4,6 Gigawatt - bezogen auf das sehr kritische Szenario.

Welche Möglichkeiten gibt es noch, um Netzengpässe zu vermeiden?

„Wir müssen schauen, wie wir kurzfristig die Transportkapazitäten im Netz noch erhöhen können“, sagt Amprion-Abteilungsleiter Pfeiffer. Im Winter, wenn es kalt und windig sei, würden die Freileitungen besser gekühlt und „wir könnten mehr Strom darüber schicken, bevor sie die thermischen Grenzwerte erreichen.“ Wichtig sei, sich weitere Strom-Kapazitäten aus Kraftwerken der europäischen Nachbarn zu sichern.

Man müsse darüber hinaus alle zur Verfügung stehenden Reserven auch für alle Zwecke nutzbar machen. „Kraftwerke, die für das Engpassmanagement oder die Sicherheitsreserve vorgesehen sind, dürften derzeit nicht zur Lastdeckung eingesetzt werden. Alles, was Strom erzeugen kann, muss verfügbar gemacht werden können.“ Da seien den Netzbetreibern aber die Hände gebunden, „da brauchen wir kurzfristig gesetzgeberische Tätigkeiten“, sagt Pfeiffer.