Neuer Streit in der IHK KölnDarum geht es bei den Vorwürfen gegen Grünewald
- 28 Mitglieder der Industrie- und Handelskammer Köln (IHK) haben eine außerordentliche Vollversammlung durchgesetzt und dafür einen in der 223-jährigen Geschichte ungenutzten Paragrafen genutzt.
- Die Initiatoren wenden sich mit vier Vorwürfen an Grünewald, die erst im Januar gewählt wurde.
- Der neuerliche Streit ist das nächste Kapitel in der Auseinandersetzung zwischen Mitgliedern der Kölner IHK.
Köln – Bei der Industrie- und Handelskammer zu Köln (IHK) gibt es deutliche Kritik an der neuen Präsidentin Nicole Grünewald. Eine Gruppe von Mitgliedern der Vollversammlung erhebt ein Bündel an Vorwürfen und nutzt daher eine Regelung, die in der 223-jährigen Geschichte der Kammer noch nie genutzt wurde.
Sie forderten die Kammerpräsidentin auf, kurzfristig und trotz Corona eine außerordentliche Vollversammlung einzuberufen. Die Satzung enthält den Paragrafen 6.1, der das zur Pflicht macht, wenn mehr als ein Fünftel der Mitglieder des Gremiums dies wünschen und einen Beratungsbedarf anmelden.
Ein Brief mit der Forderung wurde von 28 der 92 Mitglieder der Versammlung unterzeichnet, er liegt dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor. Das entspricht knapp 30 Prozent und liegt damit deutlich über der erforderlichen Anzahl. Nach Informationen unserer Redaktion findet die Versammlung am Donnerstag, 28. Mai, in der Lanxess-Arena statt. Der Ort wurde gewählt, um die Hygiene-Abstände der aktuellen Corona-Regeln zu erfüllen. Präsidentin Grünewald hat die Einladung satzungsgemäß am 13. Mai versendet.
Ex-Präsident Görg unter den Unterzeichnern
Zu den Unterzeichnern der Aufforderung gehören unter anderen Birgit Dircks-Menten (BDM Grundstücksgesellschaft) die Kölner Kommunikationsberaterin Julie Edelmann-Veith, die Leichlinger Unternehmerin Sandra von Möller (Bäro), Wilhelm von Moers (Handelshof), Hans-Ewald Schneider (Hasenkamp Logistik), Flughafenchef Johan Vanneste, Axa-Chef Alexander Vollert und der frühere Kammerpräsident Werner Görg, Aufsichtsratsvorsitzender der Gothaer Versicherung.
Die erste Präsidentin
Die Wahl zur Vollversammlung Ende 2019/Anfang 2020 stellt eine Zäsur in der Geschichte der IHK Köln dar. Eine Gruppe kleinerer Unternehmer um die Werbeagentur-Chefin Nicole Grünewald war erstmals wie in einem politischen Wahlkampf als Team aufgetreten, um die Kammer zu erneuern, vor allem in Sachen Transparenz und Digitalisierung.
Die Gruppe nannte sich „New Kammer“ und hatte unausgesprochen das Ziel, die Wiederwahl des Kammerpräsidenten Werner Görg zu verhindern. Zur Überraschung vieler Beobachter erzielte Grünewald dann eine knappe Mehrheit und wurde zur ersten Präsidentin der Industrie- und Handelskammer Köln gewählt. (tb)
Als Gründe für den Beratungsbedarf nennen die Unterzeichner vier Punkte. Erstens wollen sie wissen, warum das im Januar gewählte neue Präsidium eine Sonderprüfung über die vergangenen Jahre angeordnet hat. Insbesondere wollen sie wissen, warum diese angesichts zu erwartender hoher Kosten überhaupt notwendig erscheint.
Verkauf soll nicht länger warten
Der zweite Themenblock in der außerordentlichen Versammlung soll sich dem Verkauf der IHK-Gebäude in Unter Sachsenhausen widmen. Aus einem Newsletter der Präsidentin Grünewald an die Mitglieder des Gremiums geht hervor, dass das Präsidium eine Verschiebung beschlossen hat. In dem Mailing der Präsidentin heißt es: „Als Reaktion auf die Krise und die daraus resultierende unsichere Marktsituation lassen wir auch den Verkauf unseres Gebäudes Unter Sachsenhausen derzeit ruhen, um möglichen finanziellen Schaden für die IHK abzuwenden“.
Das wollen die Beschwerdeführer aber nicht gelten lassen. Sie sind der Meinung, das Präsidium allein kann über den von der alten Vollversammlung beschlossenen Immobilienverkauf nicht selbstständig entscheiden. Dazu sei ein neuer Beschluss der Vollversammlung notwendig, den es aber nicht gab, da diese wegen Corona abgesagt wurde. Die Vollversammlung sollte am 2. April stattfinden, wurde wegen der Corona-Auflagen aber am 17. März durch die Präsidentin gecancelt. Die Unterzeichner des Schreibens sind der Meinung, dass die Verkaufsbemühungen weitergehen müssten.
Verstoß gegen vereinbarte Datennutzung?
Punkt drei der Kritik ist Grünewalds Newsletter selbst. Dieser soll nicht über die Server der IHK versendet worden sein, sondern über die amerikanische Internet-Plattform Mailchimp. Dazu sei die Homepage eines Reitartikelhändlers genutzt worden, der zu den Kunden von Grünewalds Werbeagentur „The Vision Company“ gehören soll.
Weitere Kritik an Grünewald: Der Newsletter macht zwar den Anschein, offiziell von der IHK zu kommen. Da er aber via Mailchimp versendet wird, werden E-Mail- und IP-Adressen in den USA gespeichert, was gegen die zwischen Kammer und Mitgliedern vereinbarte Datennutzung verstoßen könnte.
Vierter Kritikpunkt waren Wahlprüfsteine für die NRW-Kommunalwahl im Herbst. Diese hatte das Präsidium ohne Zutun der Vollversammlung beschlossen und das damit begründet, dass sie schnell veröffentlicht werden müssten, da die Parteien ihre Programme nun verabschiedeten. Tatsächlich haben die meisten Parteien ihre Wahlprogramme aber bereits fertig. Ärger verursachte auch, dass die Wahlprüfsteine bereits auf der Homepage der IHK abrufbar sind, was den Eindruck erwecke, sie seien durch die Vollversammlung bereits beschlossen, sagen Kritiker.
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Kritik von den Unterzeichnern der Aufforderung, eine außerordentliche Versammlung einzuberufen, gab es bereits im Vorfeld. So seien viele schriftliche Fragen an Nicole Grünewald zu den genannten Punkten nicht beantwortet worden, sagen Insider. Dies sei das Gegenteil von dem Versprechen der Präsidentin im Wahlkampf gewesen, bei der Kammer mehr Transparenz durchzusetzen.
IHK-Präsidentin Nicole Grünewald war am Dienstag bis Redaktionsschluss nicht telefonisch erreichbar.