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Bilanz des NRW-ArbeitsmarktsDie Gefahr von Arbeitslosigkeit ist ohne Abschluss 600 Prozent höher

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ARCHIV - 09.11.2020, Baden-Württemberg, Stuttgart: ILLUSTRATION - Ein Auszubildender Fachinformatiker Systemintegration bei der IHK Region Stuttgart im 2. Ausbildungsjahr, steckt an einem Server ein Netzwerkkabel ein. (zu dpa: "Ausbildungsmarkt erholt sich - Aber noch nicht auf Vor-Corona-Niveau") Foto: Sebastian Gollnow/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Ein Systemtechniker bei der Arbeit. (Symbolbild)

Die Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter ist in Nordrhein-Westfalen so hoch wie noch nie zuvor.

Der Arbeitsmarkt in Nordrhein-Westfalen hat sich 2023 trotz einer leichten Zunahme der Arbeitslosigkeit „robust“ entwickelt. Zu dieser Einschätzung kommen die Arbeitsagentur NRW, die Landesvereinigung der Unternehmensverbände und der DGB NRW. Wegen der wirtschaftlichen Flaute sei die Arbeitslosigkeit im Jahresschnitt um knapp 39.000 auf gut 707.000 arbeitslos gemeldete Menschen gestiegen, berichteten die Institutionen am Freitag. Die Quote lag bei 7,2 Prozent.

Nie waren so viele Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt

Gleichzeitig stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Menschen auf einen neuen Höchststand. Die Arbeitsagentur rechnet damit, dass sie im Jahresschnitt bei knapp 7,4 Millionen Beschäftigten liegt.

Als größte Baustelle am Arbeitsmarkt in NRW bezeichnete Arbeitsagentur-Chef Roland Schüßler die fehlende Qualifikation vieler Arbeitssuchender. „Während der Arbeitsmarkt für Fachkräfte nur wenig beeinträchtigt wurde, sinken für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Qualifikation die Chancen, eine neue Arbeit zu finden“, sagte er und verwies auf Zahlen des vergangenen Jahres: So waren 2022 23,1 Prozent der ungelernten Erwerbspersonen in NRW arbeitslos – ihre Quote ist 621 Prozent höher als bei Erwerbspersonen mit Berufsabschluss: Bei ihnen lag die Quote hingegen nur bei 3,2 Prozent.

Große Potenziale bei Geflüchteten aus Ukraine

„Weiterbildung und Qualifikation sind arbeitsmarktpolitisch die Themen, die weiterhin groß auf der Tagesordnung stehen“, betonte er. Dies gelte sowohl für Arbeitnehmer ohne ausreichende Qualifikation als auch für Geflüchtete. Schüßler verwies in diesem Zusammenhang auf die geflüchteten Menschen aus der Ukraine. Sie verfügten häufig über genau die Potenziale, die gerade in den von Fachkräfteengpässen geprägten Bereichen gebraucht würden.

Eine Qualifizierungsoffensive sei unerlässlich, sagte die Vorsitzende des DGB NRW, Anja Weber. Die ungenutzten Potenziale seien lange bekannt. „Jetzt gilt es, sie endlich zu heben“, so Weber. Sowohl für Minijobberinnen und Minijobber als auch für Arbeitslose, Geflüchtete, junge Menschen oder Frauen gelte: „In diesen Gruppen gibt es viele Menschen, die nur auf eine faire Chance auf dem Arbeitsmarkt warten.“

„Bei Ukrainerinnen und Ukrainern müssen wir aufpassen, dass Spracherwerb, Qualifizierung und Arbeitsmarkterfahrung nicht nacheinander, sondern parallel geschehen“, sagte Roland Schüßler. Den Daten der Arbeitsagentur zufolge gibt es knapp 42.000 arbeitslose Menschen aus der Ukraine in Deutschland, fast genau so viele sind arbeitssuchend. Nach der ersten Phase des Spracherwerbs gehe es für sie nun um den Einstieg in den Arbeitsmarkt, so Schüßler.

Unternehmerpräsident Arndt Günter Kirchhoff führt den neuen Höchststand bei der Beschäftigung auf das „große Engagement der Arbeitgeber für die Arbeits- und Fachkräftesicherung“ zurück. „Unternehmen halten trotz schwieriger Rahmenbedingungen an Arbeits- und Ausbildungsplätzen fest, stellen ein, oft auch auf Kosten der eigenen Substanz“, betonte er. Der robuste Arbeitsmarkt dürfe aber nicht als selbstverständlich angesehen werden. „Die wirtschaftliche Lage ist ernst.“ Unter anderem bemängelte Kirchhoff zu hohe Energiekosten, eine lähmende Bürokratie sowie zu hohe Steuern und Abgaben. (mit dpa)