AboAbonnieren

Preisentwicklung „dramatisch und unberechenbar“Schokolade wird immer teurer – Lieferengpässe drohen

Lesezeit 6 Minuten
Eine Schale mit Schokolade steht auf einem Couchtisch. (zu dpa: «Preissteigerung für Schokolade erwartet») +++ dpa-Bildfunk +++

Die Schokolade vieler Hersteller hat sich um zehn oder mehr Prozent verteuert. Und es geht wohl weiter nach oben.

Die Aachener Hersteller Lambertz und Lindt & Sprüngli rechnen mit noch höheren Preisen in den Supermärkten. Wer profitiert davon?

Wer an der Supermarktkasse sein Portemonnaie zum Bezahlen zückt, muss seit Monaten kräftig schlucken. Die Inflation hat dafür gesorgt, dass 2023 die Summe auf dem Bon im Schnitt 13 Prozent mehr betrug als noch 2022. Auch beim diesjährigen Ostereinkauf war das deutlich zu spüren: Die goldenen Hasen von Lindt beispielsweise kosteten knapp neun Prozent mehr als im Vorjahr, die lila Schmunzelhasen von Milka sogar 20 Prozent mehr.

Die Übersicht der Importpreise für Kakao.

Die Übersicht der Importpreise für Kakao.

Das liegt nicht nur an der allgemeinen Teuerung, sondern vor allem am Preisanstieg von Rohkakao, einem der wichtigsten Rohstoffe für Schokoladenhersteller wie Lindt und Milka: Der Kakaopreis hat einen historischen Höchststand erreicht. Seit Sommer 2023 befinden sich die Importpreise für Kakao im Höhenflug. Im Januar 2024 waren Kakaobohnen 73 Prozent teurer als ein Jahr zuvor, Kakaomasse und Kakaobutter immerhin knapp 50 Prozent.

Ernteausfälle durch Klimawandel

Der drastische Preisanstieg liegt daran, dass es aktuell schlichtweg zu wenig Kakaobohnen gibt. Schuld daran ist unter anderem das Klimaphänomen El Niño: In unregelmäßigen Abständen gibt es entweder zu viel oder zu wenig Regen. Das ist für El Niño zwar nichts Neues, aber durch den Klimawandel wird auch die Intensität der Schwankungen immer stärker. Für die Kakaopflanzen keine gute Basis. Und: Wenn das Wetter nicht mitspielt, breiten sich vermehrt Pflanzenkrankheiten aus. In Ghana, neben der Elfenbeinküste eins der Hauptanbauländer von Kakao, fallen viele Kakaofarmen außerdem dem illegalen Bergbau zum Opfer.

„Die Kernursache dieser Krise liegt sicherlich in den Erntedefiziten“, sagt Hermann Bühlbecker, Chef der Aachener Printen- und Schokoladenfabrik Lambertz. „Wenn beim Rohkakao 500.000 Tonnen oder gar mehr fehlen, ist dies eine unabänderliche Tatsache. Insofern benötigen wir bessere Ernten oder eine Reduktion der Nachfrage.“ An der Nachfrage dürfte sich so schnell nichts ändern, denn Schokolade ist bei den Deutschen beliebt: Statistisch gesehen isst jeder Deutsche rund neun Kilo Schokolade im Jahr.

Hermann Bühlbecker, der Geschäftsführer der Aachener Printen- und Schokoladenfabrik Henry Lambertz, steht in einem Gang. Der Lebkuchen- und Süßgebäck-Hersteller fürchtet Belastungen durch die drohenden US-Strafzölle. +++ dpa-Bildfunk +++

Hermann Bühlbecker, Geschäftsführer der Aachener Printen- und Schokoladenfabrik Lambertz

Bühlbecker macht aber noch einen anderen Schuldigen für den massiven Preisanstieg aus: diejenigen, die mit den Kakaopreisen spekulieren. „Die Preisspirale wird vor allem auch künstlich nach oben getrieben. Man kann dann nur an alle Beteiligte appellieren, mit mehr Vernunft und Verantwortung zu handeln, um das nötige Gleichgewicht im Markt zu erhalten“, sagt der Unternehmer. Dass Kakaopreise so ein spekulatives Geschäft sind, liegt unter anderem daran, dass die Lieferkette lang ist: „Es gibt Zwischenhändler, Importeure und Verarbeiter. Da schlägt jeder noch etwas drauf“, erklärt die Kölner Organisation Fairtrade Deutschland, die das bekannte Fairtrade-Siegel vergibt.

Bei den Kakaobauern kommt nichts an

Die Krux an der Sache: Bei denjenigen, die den Kakao ernten, kommt nichts von dem Preisanstieg an – obwohl ihre knappe Ware heiß begehrt ist. Grund dafür ist unter anderem eine staatliche Preisdeckelung in den Hauptanbauländern Ghana und Elfenbeinküste. Diese Regulierung soll vor allem Schutz nach unten bieten, damit die Kakaobauern nicht zu wenig Geld für ihre Ware bekommen. „Der Grundgedanke ist gut“, erklärt Fairtrade. Die Deckelung gilt aber auch nach oben, weil keiner damit gerechnet hat, dass die Preise derart explodieren würden. Die Siegelorganisation berichtet davon, dass die hohen Preise viel Unruhe in den Markt bringen – zum Beispiel werde vermehrt Kakao über die Grenzen in Länder geschmuggelt, in denen der Preis nicht so stark reguliert wird, um die Preisschranken zu umgehen.

Kakao-Ernte in Ghana

Kakao-Ernte in Ghana: Die Bauern bekommen für ihre Bohnen einen vorher festgelegten Preis und profitieren nicht vom Preishoch.

Die regulierten Kakaomärkte in Ghana und der Elfenbeinküste haben ihre Preise für die Saison schon im Oktober festgelegt. Damals war der Preis um einiges niedriger als heute. „Sogenannte Terminverkäufe sind sehr üblich in der Kakaobranche“, sagt Fairtrade. Die Kakaobohnen in Ghana und der Elfenbeinküste würden zu 70 bis 80 Prozent der erwarteten Menge bereits ein Jahr im Voraus verkauft. Tatsächlich fiel die Ernte viel geringer aus als angenommen, für spontane Verkäufe zu einem höheren Preis fehlt also der Kakao.

Nicht nur Organisationen wie Fairtrade gehen auf die Barrikaden, auch der niederländische Schokoladenhersteller Tony's wird deutlich: „Wir begrüßen steigende Kakaopreise tatsächlich, allerdings nur, wenn Kakaofarmer in der Folge auch wirklich besser bezahlt werden. Denn sie müssen besser bezahlt werden“, heißt es vom Unternehmen. Hohe Preise auf dem Kakao-Handelsmarkt bedeuten nämlich nicht unbedingt höhere Preise für Kakaobauern. Der aktuelle Erzeugerpreis, also der Betrag, der Kakaofarmern für ihren Kakao gezahlt wird, liege weit unter dem, was nötig ist, um ihnen ein existenzsicherndes Einkommen zu ermöglichen.

Tony's kritisiert: „Schokolade wird oftmals unter sehr unfairen Bedingungen hergestellt. Denn: Die Lieferkette ist ungleich verteilt.“ Am Anfang stehen Millionen von Kakaofarmern, die Kakao anbauen und ernten. Am Ende stehen Milliarden von Konsumenten. „Und in der Mitte? Eine Handvoll Schokogiganten, die den Einkaufspreis der Kakaobohnen so niedrig wie möglich halten“, heißt es vom Unternehmen. Von jedem Euro gehen nur rund sieben Cent an die Kakaobauern, an Hersteller und Händler hingegen rund 80 Cent, zeigen Zahlen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Es wird nicht nur teurer, sondern auch weniger

Auch die Verbraucher haben das Nachsehen. Sie müssen künftig für Schokolade noch tiefer in die Tasche greifen. Der Schweizer Hersteller Lindt & Sprüngli, der seinen größten Standort in Aachen hat, hat versucht, die gestiegenen Rohstoffpreise durch interne Anpassungen auszugleichen: Eigenen Angaben zufolge wurden Prozesse verbessert und die Effizienz gesteigert sowie die Einkaufsstrategie vorausschauend angepasst. Die verbleibenden Kosten seien über Preiserhöhungen weitergegeben worden. Im Schnitt sind die Preise bei Lindt & Sprüngli im vergangenen Jahr um zehn Prozent gestiegen. „Der steigende Kakaopreis wird 2024 und 2025 weitere Preiserhöhungen unserer Produkte erfordern, wenn der Kakaopreis auf dem derzeitigen Niveau bleibt“, heißt es.

Printen, Lebkuchen und Dominosteine des Aachener Süßwarenherstellers Lambertz

Lambertz braucht für seine Produktion Kakao in großen Mengen

Die Prognosen sehen düster aus. Das berichtet beispielsweise Lambertz-Chef Bühlbecker: „Zurzeit gibt es leider keinerlei Anzeichen einer Beruhigung oder gar Normalisierung. Ganz im Gegenteil: Die Gesamtsituation gestaltet sich aktuell noch dramatischer und unberechenbarer.“ Die Preise galoppieren weiter nach oben, welche Mengen zu welchen Konditionen zur Verfügung stehen, lässt sich laut Bühlbecker momentan nicht valide absehen. „Es deutet vieles darauf hin, dass dieser negative Trend leider anhalten und sich eher noch verstärken wird.“

Auch Lambertz wird also an der Preisschraube drehen müssen. „Wir brauchen Kakao und Schokolade in großen Mengen und werden wohl zu sehr hohen Preisen einkaufen müssen, damit unsere Produktionen – gerade in Richtung der Herbst- und Weihnachtssaison – gewährleistet bleiben“, sagt Bühlbecker. „Wir können schon froh sein, wenn uns überhaupt hinreichend Schokolade im kommenden Sommer und Herbst zur Verfügung steht. Neben den Höchstpreisen für Kakao drohen wahrscheinlich auch noch Lieferengpässe.“

Das dürften Verbraucher nicht nur an steigenden Preisen merken, sondern auch an der sogenannten Shrinkflation: Die Packungen werden kleiner, der Preis dagegen bleibt gleich. Und bei Schokolade gibt es noch eine weitere Stellschraube in der Trickkiste: Statt hochwertigem Kakao können Hersteller einfach mehr und vor allem günstigere Kakaobutter daruntermischen.