Martin Sander verlässt überraschend den US-Autobauer mitten in einer schwierigen Phase. Die Belegschaft im Kölner Werk ist zutiefst verunsichert.
Plötzlicher AbgangWarum der Ford-Chef geht und was das für Köln bedeutet
Es war der wohl wichtigste Tag für Ford seit Langem – und das nicht nur für Ford-Deutschland mit Hauptsitz in Köln, sondern für ganz Europa. Am Dienstag dieser Woche startete endlich die Produktion des Explorers, des ersten E-Auto des US-Autobauers auf dem Kontinent – nach neunmonatiger Verspätung. Medienvertreter aus dem In – und Ausland waren angereist und konnten in den Hallen im Niehler Werk die einzelnen Produktionsschritte des neuen Hoffnungsträgers mitverfolgen.
Auffällig, nur einer fehlte: Ford-Deutschlandchef Martin Sander, der auf europäischer Konzernebene für die Elektrifizierung verantwortlich ist.
Manager wird Vorstand für Marketing, Vertrieb und Verkauf bei VW
Warum er diesem wichtigen Ereignis fernblieb, lässt sich nun zwei Tage später erklären. Sander verlässt den Konzern und das sehr kurzfristig schon zum 12. Juni. Er selbst habe sich zu dem Schritt entschieden, heißt es. Der Automanager geht als Vorstand für Marketing, Vertrieb und Verkauf zu VW. Seine Entscheidung sei völlig überraschend gekommen, heißt es aus dem Unternehmen. Erst seit wenigen Tagen sei die Rückkehr Sanders zu seinem langjährigen Arbeitgeber, dem VW-Konzern in Wolfsburg, einem kleineren Kreis bei Ford bekannt gewesen.
„Wir möchten Martin Sander für seinen Beitrag zur Entwicklung von Ford in Europa in den vergangenen zwei Jahren danken und wünschen ihm alles Gute für die Zukunft“, schreibt Ford in einer Pressemitteilung. Auch wenn das Statement denkbar knapp gehalten ist, so gehe Sander nicht im Streit, heißt es aus Unternehmenskreisen.
„Führungswechsel zu schlechtem Zeitpunkt“
Am Donnerstagmorgen wurden die Mitarbeitenden informiert. „Die Belegschaft ist zutiefst verunsichert“, sagt Ford-Gesamtbetriebsratschef Benjamin Gruschka im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Ein so kurzfristiger Wechsel an der Führungsspitze käme für den Standort Köln zu einem schlechten Zeitpunkt. Mitten in der Elektrifizierungsoffensive den Strategiechef zu verlieren, sei kein gutes Signal, so Gruschka. Gerade erst habe man mit der Serienproduktion des Explorers begonnen, daher wäre Kontinuität in der Chefetage wichtig gewesen.
Seit Juni 2022 ist Sander bei Ford. Mit dem gebürtigen Hildesheimer übernahm damals nach längerer Zeit erstmals wieder ein externer Manager das Steuer der deutschen Tochter des US-Autobauers. Geholt von der VW-Premiumtochter Audi, sollte Sander maßgeblich die Elektrifizierung vorantreiben, wo Ford einiges aufzuholen hat. Gleich zu Beginn seines Amtsantritts hatte der heute 57-Jährige mit zahlreichen Herausforderungen zu kämpfen. Die Corona-Pandemie hatte Spuren hinterlassen. Wie die gesamte Branche litt auch Ford damals massiv unter dem Mangel an Halbleitern. Immer wieder stand die Fiesta-Produktion in Köln sowie der Bau des Focus in Saarlouis still.
Gerade mal ein halbes Jahr an der Führungsspitze, musste Sander Anfang 2023 einen massiven Stellenabbau durchsetzen – und dass vor allem im Herzstück - der Produktentwicklung. Von etwa 3600 Beschäftigten müssen rund 1700 den Autobauer bis Ende 2025 verlassen. Betroffen ist vor allem das Entwicklungszentrum in Köln-Merkenich. Das kleine Forschungszentrum in Aachen wurde bereits geschlossen. Hinzu kommen noch rund 600 Beschäftigte in der Verwaltung, die ihren Job verlieren.
Aus für Saarlouis Ende 2025
Das zweite deutsche Ford-Werk in Saarlouis wird auf Geheiß des US-Managements geschlossen. Die Hoffnung, die Produktionsstätte, wo Ende 2025 der Focus ausläuft, an einen Investor zu verkaufen, scheiterten. Der Interessent sprang kurzfristig ab. Insgesamt streicht die Konzernmutter die Produktpalette in Europa massiv zusammen, der Kölner Fiesta ist seit vergangenem Jahr Geschichte.
Der gesamte Fokus liegt nun neben leichten Nutzfahrzeugen, vor allem auf Pkws mit reinem Batterieantrieb. Gut für Köln, wo Ford zwei Milliarden investiert und neben dem Explorer Ende des Jahres noch ein zweites E-Auto bauen will. In seiner Funktion hat Sander den milliardenschweren Umbau des Kölner Werks hin zur Elektromobilität maßgeblich verantwortet und begleitet.
Im Juni des vergangenen Jahres wurde dann das umgerüstete Kölner Werk feierlich eröffnet. Angereist waren Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und William Clay Ford Jr., Executive Chairman, Aufsichtsratsvorsitzender der Ford Motor Company und Urenkel des Firmengründers Henry Ford. Endlich sollte es losgehen mit dem ersten E-Ford. Aber kurz vor Start der Serienfertigung im September 2023 dann der plötzliche Stopp. Ford verweist auf neue Anforderungen für Batterien, etwa hinsichtlich des Brandschutzes. Erst neun Monate später geht das Auto nun an den Start.
Neue Herausforderungen bei VW
Nun schien doch alles endlich wieder nach Plan zu laufen. Nun geht der Chef. Einen Nachfolger gibt es noch nicht. Sanders Stellvertreter, Personalchef Rainer Ludwig, wird den Chefposten wohl kommissarisch übernehmen. Auf europäischer Ebene untersteht das Pkw-Elektro-Team nun vorerst Jon Williams, der das Verbrennergeschäft verantwortet.
In Wolfsburg wird Sander ab Juli bei der Marke Volkswagen als Vorstand weltweit für die Bereiche Vertrieb, Marketing und Aftersales verantwortlich sein. Er folgt auf Imelda Labbé, die das Ressort die vergangenen zwei Jahre geleitet hat, als erste Frau in dieser Position überhaupt. Labbé verlasse das Unternehmen aus persönlichen Gründen im Rahmen einer Altersregelung, heißt es in einem VW-Statement.
VW-Markenchef Thomas Schäfer sagte, Sander werde „neue Impulse setzen, um den Vertrieb der Marke Volkswagen nachhaltig für die Zukunft aufzustellen“. Dabei kommt auf den Ex-Ford-Manager eine große Aufgabe zu. VW und seine Kernmarke stehen vor dem größten Umbau ihrer Geschichte.