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Gazprombank gerät unter DruckDer Rubel-Kurs geht auf Talfahrt – Putin redet Problem klein

Lesezeit 5 Minuten
Verliert im letzten Monat durch westliche Sanktionen immer mehr an Wert: Der russische Rubel. Patricia Haensel

Verliert im letzten Monat durch westliche Sanktionen immer mehr an Wert: Der russische Rubel. Patricia Haensel

Die russische Währung erlebt innerhalb von nur einer Woche einen Kurseinbruch von mehr als 10 Prozent. Die Strafmaßnahmen der USA gegen Russland wirken.

Er war weit gereist, doch die Probleme, die ihren Ursprung in der Heimat haben, ließen sich nicht fernhalten: Als Wladimir Putin bei seinem Staatsbesuch in Kasachstan Ende November in der Hauptstadt Astana eine Pressekonferenz gab, wurde er auch nach der aktuellen Schwäche der russischen Währung gefragt.

Wladimir Putin wollte in Astana nichts von einer Schwäche des Rubels wissen.

Wladimir Putin wollte in Astana nichts von einer Schwäche des Rubels wissen.

Wie so oft versuchte der russische Präsident das Problem kleinzureden: „Meiner Auffassung nach ist die Situation mit dem Wechselkurs des Rubels im Großen und Ganzen unter Kontrolle, und es gibt sicher keinen Grund zur Panik“, sagte er und überspielte damit die Aufregung, die an den Devisenmärkten herrscht.

Putin muss Kursverfall der russischen Währung moderieren

An diesen hatte ein jäher Kursverfall der russischen Währung tatsächlich für erhebliche Nervosität gesorgt. Hatte der Rubel noch vor einer Woche bei 106 Rubel pro Euro und 100 Rubel pro Dollar notiert, so mussten am Mittwoch plötzlich mehr als 119 Rubel für einen Euro beziehungsweise mehr als 113 Rubel für einen Dollar hingeblättert werden. Das war der tiefste Stand seit dem 7. März 2022. Damals – kurz nach dem Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine – war der Rubel gegenüber dem Euro kurzzeitig auf ein Allzeittief von 154,3 Rubel pro Dollar gefallen.

Experten führen mehrere Erklärungen für den plötzlichen Abschwung der russischen Währung an. Einfach ausgedrückt, setzen zwei neue – ganz gezielte – westliche Sanktionen den Rubel unter Druck. Zudem haben saisonale Faktoren die Nachfrage nach Devisen erhöht, und die russischen Exporteure haben nicht genug Devisen verkauft, um diesen Anstieg auszugleichen.

Gazprombank gerät unter Druck

Die erste westliche Sanktion, die den Rubel empfindlich traf, ist ein Paket von Zwangsmaßnahmen der USA gegen 50 russische Banken, unter denen vor allem die Strafverhängung gegen die Gazprombank herausragt. Die drittgrößte Geschäftsbank Russlands ist eine Tochtergesellschaft des weltweit größten Erdgasförderunternehmens Gazprom und wickelt große Volumina der Energieexporte ab, die für das Land so wichtig sind.

Das Logo der Gazprombank auf einem Gebäude. Kremlchef Wladimir Putin hat mit Wirkung zum 1. April angeordnet, dass westliche Staaten Konten bei der Gazprombank eröffnen müssen, um weiter russisches Gas zu erhalten.

Das Logo der Gazprombank auf einem Gebäude. Kremlchef Wladimir Putin hat mit Wirkung zum 1. April angeordnet, dass westliche Staaten Konten bei der Gazprombank eröffnen müssen, um weiter russisches Gas zu erhalten.

Die Gazprombank war das letzte große Institut Russlands, das nicht von westlichen Sanktionen betroffen war. Somit hatte sie auch Zugang zum Swift-Netzwerk, dem Gironetz, das die Banken weltweit für ihren Auslandszahlungsverkehr nutzen. Doch am Donnerstag vor einer Woche, also genau zu dem Zeitpunkt, an dem der Kursverfall des Rubels einsetzte, beendeten die USA ihre bisherige Nachsicht gegenüber dem Geldhaus und sanktionieren es nun ebenfalls.

Warum das ein Schlag für die russische Wirtschaft und den Rubel ist, erklärt Sergej Waluenko, leitender Analyst bei der US-Denkfabrik Carnegie Russia Eurasia Center: „Die Gazprombank wickelt nicht nur den Gashandel für Gazprom ab, sondern ist in den gesamten Außenhandel Russlands involviert.“

Russlands Deviseneinnahmen sind bedroht

Auch Maximilian Hess, Fellow am Foreign Policy Research Ins­ti­tute in Philadelphia, verdeutlicht: „Die neuen US-Sanktionen bedrohen die russische Wirtschaft, insbesondere die Devisenexporteinnahmen.“ Er weist in dem Zusammenhang auf eine zweite Bank hin, deren Sanktionierung den Rubel trifft: die VTB Shanghai, Niederlassung der zweitgrößten Geschäftsbank Russlands VTB in China. Sie ist das einzige russische Institut mit der Lizenz, Bankgeschäfte in China auszuführen, und war im Gegensatz zu ihrem Mutterhaus dem Swift-System noch angeschlossen.

Die US-amerikanischen Strafmaßnahmen gegen die VTB Shanghai treffen Russland an einem empfindlichen Punkt: dem chinesischen Markt. Dieser hat sich seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges zum größten Absatzgebiet für Russlands Energieexporte entwickelt und ist für die russischen Deviseneinnahmen von großer Bedeutung: „Die neuen Sanktionen haben zum Kursverfall des Rubels wesentlich beigetragen, weil sie den Hauptkanal für russische Energieeinnahmen und chinesische Zahlungswege nach und durch China ins Visier genommen haben“, sagt Hess.

Es kommt hinzu, dass den Rubel derzeit saisonale Effekte schwächen. Wie das russische Finanzportal BCS Express erläutert, bereiteten sich die Unternehmen zu Beginn des Herbstes auf die erhöhten Handelsumsätze des Schlussquartals vor, die etwa im Zuge des Black Friday zu erwarten seien: „Jetzt decken sie sich mit Importwaren ein. Dies erhöht den Bedarf an Fremdwährungen“, betont BCS Express.

Zum selben Ergebnis kommt auch der Finanzblogger Pavel Ryabov: „Im vierten Quartal steigt der Bedarf an Importen und Devisen saisonbedingt an“, schreibt er auf dem Messegerdienst Telegram. „Letztes Jahr wurde die Lücke durch eine hohe Rendite der Deviseneinnahmen gedeckt. Jetzt gibt es so etwas nicht mehr, daher der Einbruch des Rubels.“

Der Bedarf an Devisen ist in Russland derzeit also hoch, und die Exporteure des Landes decken ihn nicht ausreichend. Das hat auch damit zu tun, dass die russische Regierung den Zwang zum Umtausch von Fremdwährungseinnahmen in Rubel zuletzt erheblich lockerte: Mussten Unternehmen im Außenhandel zuvor 50 Prozent ihrer Deviseneinnahmen in Rubel umtauschen, so waren es nun nur noch 25 Prozent. So fanden weniger Fremdwährungen den Weg auf den Markt – sie blieben in den Taschen der Exporteure. Ihre Nachfrage nach Rubel stagnierte.

Russland kann sich noch wehren

Die meisten Experten erwarten mittelfristig allerdings keinen weiteren Kursverfall von Russlands Währung. Denn der russischen Zen­tral­bank und Regierung stehen durchaus Mittel zur Stärkung des Rubels zur Verfügung. Ryabov erkennt da vor allem drei Möglichkeiten: mehr Importe, die in russischer Währung bezahlt werden, eine erneute Auflagenverschärfung für die Exporteure, also zum Beispiel, dass sie wieder 50 Prozent ihrer Deviseneinnahmen in Rubel umtauschen müssen, und ein Aussetzen der Devisenankäufe durch die Zen­tral­bank.

Entsprechend sehen die Experten die russische Währung 2025 eher in einer Bandbreite von 100 bis 120 Rubel pro Dollar als bei einem Kurs von 150 Rubel. „Der durchschnittliche Wechselkurs wird sich bereits ab Anfang 2025 auf die 100er-Marke zubewegen“, schreibt Ryabov. „Eine Rückkehr unter die 100er-Marke ist möglich und unter dem Einfluss der zu erwartenden Import- und Exportströme sogar wahrscheinlich, aber eine Stabilisierung der russischen Währung im Bereich von 90-95 Rubel pro Dollar wird nicht stattfinden“, bremst er allzu optimistische Erwartungen.