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„Schlechteste Bedingungen“Kölner Verlag Bastei Lübbe mit hohen Gewinnen – Übersetzer fordern mehr Geld

Lesezeit 4 Minuten
Vor der Hauptversammlung von Bastei Lübbe: Der Berufsverband der Übersetzer und Verdi protestieren.

Vor der Hauptversammlung von Bastei Lübbe: Der Berufsverband der Übersetzer und Verdi protestieren.

Der Kölner Verlag Bastei Lübbe fährt hohe Gewinne ein. Übersetzer gehen hingegen auf die Barrikaden – sie fordern mehr Geld.

Im Juli trat Soheil Dastyari virtuell vor Aktionäre und Pressevertreter und hatte viele gute Nachrichten im Gepäck: Das Geschäftsjahr 2023/2024 lief so gut, dass der Verlag sogar seine bereits angehobene Ergebnisprognose übertraf. Am Mittwoch hatte Bastei Lübbe seine Aktionäre zur Hauptversammlung in den Kölner Mediapark geladen. Während sich die Anteilseigner über eine Dividende von 30 Cent pro Aktie freuen konnten, protestierten vor der Tür Literaturübersetzer und die Gewerkschaft Verdi. „Eure Rendite geht auf unsere Kosten“, stand auf einem Schild. Oder: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns Tantiemen klaut.“

Bastei Lübbe: Fünf Euro pro Seite: „Das ist blanker Hohn“

Übersetzerin Janine Malz ist aus München angereist. Sie hatte sich schon vor einem Monat öffentlich auf dem Karrierenetzwerk Linkedin zu den niedrigen Honoraren geäußert. Damals hatte sie eine Anfrage einer Bastei-Lübbe-Lektorin veröffentlicht, die sie für die Redaktion einer KI-Übersetzung angefragt hatte. Es ging um eine vierteilige Romanreihe aus den Niederlanden, die als E-Book erscheinen sollte. Fünf Euro pro Seite sollte sie dafür bekommen, ein übliches Übersetzungshonorar liegt bei rund 20 Euro. „Ich sollte auch keinen Übersetzungsvertrag erhalten, sondern nur einen Redaktionsvertrag. Mir fiel die Kinnlade herunter“, sagt Malz. „Diese scheinbar harmlose Anfrage bedeutet nichts weniger als den Anfang vom Ende meines Berufs.“

Auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ erklärt Simon Decot, Programmvorstand von Bastei Lübbe, die KI-Strategie des Verlags: „Wir setzen generell in unserem Haus keine KI für die Übersetzung unserer Bücher ein. Für alle unsere Printprodukte werden Übersetzer beauftragt, daran wollen wir auch nichts ändern“, sagt er. Bei Büchern, die ausschließlich online erscheinen, ist das anders. „Mit einer Handvoll Manuskripten probieren wir aus, ob und wie sinnvoll der Einsatz von KI-Übersetzungen generell ist. Wir versprechen uns davon, Erfahrung mit der Technik zu gewinnen und anschließend den Prozess zu bewerten, ob wir mit einer KI-gestützten Übersetzung neue Geschäftsfelder erschließen können, die wir sonst nicht angegangen wären.“

Bastei Lübbe testet KI bei E-Book-Übersetzungen

Diesen Pilotprojekten hätten alle Autoren vorab ausdrücklich zugestimmt, und es handele sich ausschließlich um Projekte, die der Verlag sonst nicht hätte umsetzen können. „Denn wichtig ist: Es geht uns nicht darum, an den Honoraren Kreativer zu sparen, sondern es ist ein Versuch, zusätzliche Projekte für den Digitalmarkt, also eBook-Only, realisieren zu können“, sagt Programmvorstand Decot.

Die fünf Euro Seitenhonorar, die Janine Malz angeboten wurden, erklärt er so: „In diesem Fall liegt auch dem angebotenen Honorar eine Aufwandsschätzung zugrunde. Denn dies ist Teil des Tests. Letztlich geht es uns ja genau darum, anhand erster Projekte herauszufinden, wie hoch die Arbeitsaufwände am Ende wirklich sind und ob diese Methode überhaupt funktioniert.“

Die Münchener Übersetzerin Janine Malz wehrt sich gegen niedrige Honorare.

„Womöglich schlechteste Vertragsbedingungen branchenweit“

Übersetzerin Malz und ihre Kollegen schauen kritisch auf diese Entwicklung. Das Problem sei nicht nur, dass Bastei Lübbe mit Künstlicher Intelligenz experimentiert, sondern dass der Verlag im Branchenvergleich sowieso schon sehr niedrige Honorare zahle. „Die fünf Euro pro Seite sind nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Malz. Der Verband der Übersetzer spricht sogar davon, dass Bastei Lübbe bei Literaturübersetzern „schon seit Jahren sehr negativ mit den womöglich schlechtesten Vertragsbedingungen branchenweit“ auffalle.

Die Seitenhonorare würden teils weit unter denen anderer Publikumsverlage liegen. Einige Übersetzer berichten davon, dass Bastei Lübbe Unterhaltungsliteratur mit 9 bis 14 Euro pro übersetzter Seite vergüten würde. Zur konkreten Höhe der Honorare äußert sich Bastei Lübbe auf Anfrage nicht. Nur so viel: „Es gibt keine festgelegten Honorare für Lektoren und/oder Übersetzer. Dies hängt immer von der Komplexität des Textes, der Ausgangssprache, dem Bearbeitungsaufwand und vielen anderen Faktoren ab.“

Verlag Bastei Lübbe zeigt sich gesprächsbereit

Der Vorstand von Bastei Lübbe äußert sich auch zur Protestaktion: Man sehe dafür keinen Anlass, da „wir seit vielen Jahren mit einer individuellen und fairen Vergütungsregelung arbeiten, die bisher von allen Beteiligten für gut befunden wird“. Der Verlag sei gesprächsbereit. „Sollten wir im Dialog zum Ergebnis kommen, dass wir unsere Honorar-Regelungen ändern müssen, könnten wir das sehr schnell und unbürokratisch tun“, heißt es.

Hier dürfte dann auch ein weiterer Kritikpunkt zur Sprache kommen: die Erfolgsbeteiligung. Übersetzer erhalten in der Regel nämlich nicht nur ein Seitenhonorar für ihre Arbeit, sondern werden an den Buchverkäufen beteiligt – ein variabler Gehaltsbestandteil sozusagen. Der Bundesgerichtshof hat geurteilt, dass Übersetzer ab dem 5000. Exemplar des übersetzten Werkes eine zusätzliche Vergütung beanspruchen können. Bei Taschenbüchern können sie eine Beteiligung von 0,4 Prozent vom Verkaufserlös des Nettoladenpreises fordern, bei Hardcover 0,8 Prozent.

„Auch das unterläuft Bastei Lübbe systematisch“, sagt Übersetzerin Malz. Diese Aussage bestätigen zwei Übersetzer, die anonym bleiben möchten und für verschiedene Marken des Verlags arbeiten. Sie berichten davon, dass die Beteiligung „verrechenbar“ ist. Statt ab 5000 verkauften Exemplaren zusätzlich zum Seitenhonorar eine Absatzbeteiligung zu zahlen, beteiligt Bastei Lübbe Übersetzer erst nach der Verrechnung des bereits gezahlten Seitenhonorars an den Verkaufserlösen.

Der Berufsverband VdÜ rechnet vor: Damit Übersetzer überhaupt am Absatz beteiligt werden, muss sich ein Titel knapp 100.000 Mal verkaufen – und um als Erfolgsbeteiligung spürbar zu werden, deutlich häufiger. „Da diese Verkaufszahlen von immer weniger Titeln erreicht werden, gehen die meisten Kollegen leer aus.“