Serie zur Smart EconomyWie die Digitalisierung das Bargeld verdrängt
Köln – Viele Trends der Digitalisierung galten bis zum Februar 2020 als Zukunftsmusik. Der Begriff der Smart Economy, also der digitalisierten Wirtschaft mit verbrauchernahen und praktikablen Lösungen, war in vielen Aspekten noch theoretischer Natur. So kann man schon seit Jahren bargeldlos bezahlen, lange per Karte, neuerdings per Smartphone, und doch scheuten viele Kunden davor zurück.
Die Corona-Krise hat nach Einschätzung der Deutschen Kreditwirtschaft den ohnehin vorhandenen Trend zum bargeldlosen Bezahlen beschleunigt. „Der Anstieg im ersten Halbjahr ist aber nicht allein auf Corona zurückzuführen, sondern ist Teil eines Trends“, sagt Matthias Hönisch, Experte für Zahlungsverkehr beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken. Der BVR hat in diesem Jahr die Federführung für die Deutsche Kreditwirtschaft. „Seit 2016 die Möglichkeit eingeführt wurde, mit der Girocard kontaktlos zu bezahlen, beobachten wir einen deutlichen Anstieg bargeldloser Transaktionen. Mittlerweile erfolgt jede zweite Kartenzahlung kontaktlos.“
Kontaktloses Zahlen
Beim kontaktlosen Bezahlen wird die Karte an der Kasse an ein Lesegerät gehalten und nicht mehr in das Gerät geschoben. Bei geringen Beträgen ist keine Eingabe der Geheimnummer (PIN) nötig. Der Einzelhandel ermutigt Kunden angesichts der Coronavirus-Pandemie, auf diese Weise zu bezahlen, um eine mögliche Übertragung zu vermeiden.
Smart Economy
Elementarer Baustein der Smart Economy – zu deutsch kluge, schlaue oder intelligente Wirtschaft – ist die Digitalisierung zentraler Wirtschaftsbereiche, auch als Industrie 4.0 bekannt. Das bezeichnet die intelligente Vernetzung von Maschinen und Abläufen mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologie. Zu den Möglichkeiten zählen flexible Produktion, wandelbare Fabriken, optimierte Fabriken und Kreislaufwirtschaft.
Den Angaben zufolge stieg die Zahl der Transaktionen mit der Girocard von 2010 bis 2015 im Schnitt um etwa drei bis vier Prozent jährlich, in den Folgejahren legten sie um bis zu 20 Prozent pro Jahr zu. Im ersten Halbjahr 2020 wurde ein Plus von 20,7 Prozent verzeichnet.
Auch Ingo Limburg von Euro Kartensysteme sieht gerade bei Kleingeld Luft nach oben. „Es gibt noch viele Einzelhändler, die keine Kartenzahlung anbieten.“ Nach seiner Einschätzung wird vor allem das kontaktlose Bezahlen mit der digitalen Karte auf dem Smartphone zulegen. „Wir erwarten eine Entwicklung ähnlich wie beim kontaktlosen Bezahlen mit der Girocard selbst.“
Im Supermarkt und an Tankstellen
Laut einer Umfrage von Euro Kartensysteme unter 632 Smartphone-Besitzern setzen Nutzer besonders häufig in Lebensmittelgeschäften (77 Prozent) und an Tankstellen (47 Prozent) auf diese Art der Bezahlung.
Nach Angaben des Handelsforschungsinstituts EHI entfiel im vergangenen Jahr erstmals mehr als die Hälfte der gesamten Ausgaben an der Ladenkasse auf Giro- und Kreditkarten. Die Kunden des stationären Einzelhandels bezahlten Einkäufe im Volumen von 224,6 Milliarden Euro mit einer Karte. Das waren 50,5 Prozent des Einzelhandelsumsatzes von 445 Milliarden Euro. Bei kleinen Beträgen war das Bargeld laut EHI aber das beliebteste Zahlungsmittel. Fast drei Viertel (73 Prozent) der 20 Milliarden Einkäufe seien 2019 bar bezahlt worden.
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Auch bei Überweisungen schreitet die Digitalisierung voran. Rund ein Viertel der deutschen Verbraucher haben in ihrem Alltag bereits eine SEPA-Echtzeitüberweisung genutzt. Weitere 50 Prozent können sich vorstellen, so genannte Instant-Payment-Zahlungen zukünftig einzusetzen. Das zeigen die Ergebnisse der aktuellen 24. Payment-Studie des ECC Köln, einer Tochtermarke des Instituts für Handelsforschung (IFH Köln).
Instant Payment ist im bargeldlosen Zahlungsverkehr eine Zahlungsart, bei der im Online-Banking Zahlungsvorgänge vom Zahlungspflichtigen bis zur Gutschrift beim Zahlungsempfänger maximal zehn Sekunden benötigen.
Smart Economy in der Logistik
Analog zum Zahlungsverkehr hat vor allem in der Logistik das Thema Smart Economy rasant an Bedeutung gewonnen. „Früher gab es für jeden einzelnen Schritt eigene Programme, manchmal nur Excel-Tabellen. Heute sind alle diese Systeme vernetzt“, sagt Christian Berner, Vorstandschef des Werkzeughändlers Berner Group aus Köln. Der nächste Schritt seien nun paneuropäische Systeme.
Ein weiterer Smart-Trend in der Logistik ist laut Berner eine verstärkte Automatisierung durch Roboter. Und das nicht nur aus Effizienzgründen. „An vielen Standorten sind Logistikkräfte kaum zu bekommen“, so Berner.