Sitz in KölnFairtrade Deutschland wächst stark – weil die Händler mitmachen
Köln – Inmitten großer Nachhaltigkeitsdebatten bleibt auch die Nachfrage nach fair gehandelten Produkten groß: Ihr Umsatz stieg im ersten Halbjahr 2019 um 15 Prozent. „Neben Bio ist Fairtrade ein wichtiges Kriterium für die Auswahl nachhaltiger Produkte geworden“, sagte Dieter Overath, Vorstandsvorsitzender von Transfair, bei der Vorstellung der Zahlen auf der Lebensmittelmesse Anuga. Und das nicht erst seit gestern: Schon seit 13 Jahren verzeichnet der Verein, der 1992 gegründet wurde und hierzulande für die Vergabe des Fairtrade-Siegels verantwortlich ist, jährlich zweistellige Wachstumsraten. Im aktuellen Nachhaltigkeitstrend seien die Produkte, so Overath, gut aufgehoben.
Denn auch wenn ein Fairtrade-Siegel nicht automatisch eine nachhaltige Produktion bedeutet, sind die beiden Themen eng miteinander verstrickt. Zum Beispiel, weil der Klimawandel laut Overath längst in den Entwicklungs- und Schwellenländern angekommen ist und dort den Anbau von Kaffee, Kakao und Bananen stark verändert. Durch fehlende Regenfälle verbreiten sich Pilze, die Erträge brechen ein. „Es gibt extremen Handlungsbedarf“, sagte Overath. Transfair versuche, den Produzenten mit höheren Mindestpreisen die Möglichkeit zu geben, mit diesen Herausforderungen umzugehen. „Wir müssen den Leuten ermöglichen, in ihre Zukunft zu investieren.“
Bio-Anteil bei zentralen Produkten hoch
Und auch die Bauern selbst können nachhaltiger agieren, wenn sie besser bezahlt werden: „Nehmen wir das Beispiel Brasilien“, sagte Daniel Duarte, der bei der Veranstaltung am Montag seine faire Kakaomarke Koawach vorstellt. „Wenn die Bauern dort für weniger Fläche mehr Geld bekommen – und sie können mit Fairtrade bis zu 50 Prozent mehr verdienen – dann muss der Amazonas nicht mehr brennen.“
Transfair
„Transfair“ wurde 1992 in Köln mit dem Ziel gegründet, benachteiligte Kleinbauernorganisationen und Beschäftigte auf Plantagen in Schwellen- und Entwicklungsländern zu unterstützen. Die Organisation handelt nicht mit Waren, sondern setzt sich dafür ein, den Handel mit fair gehandelten Produkten und Rohstoffen zu fördern. Heute arbeiten mehr als 50 Mitarbeiter für Transfair.
Der Verein gehört zum internationalen Verbund Fairtrade International, in dem Organisationen aus 25 Ländern und die drei kontinentalen Produzentennetzwerke zusammengeschlossen sind. Er entwickelt unter anderem Standards. (cos)
Gleichzeitig ist der Bio-Anteil bei vielen zentralen Fairtrade-Produkten, wenn auch kein Erfordernis, traditionell hoch: Bei Bananen und Kakao liegt er bei 90 Prozent, bei Röstkaffee beträgt er 74 Prozent. Es gibt aber auch Ausreißer nach unten wie Fruchtsäfte, die hier nur auf ein Prozent kommen. „Der Ansatz von Fairtrade ist, mit konventionellen Produkten anzufangen und dann die Umstellung auf Bio voranzutreiben“, sagte Mit-Geschäftsführerin Claudia Brück am Montag.
Umsatz soll auf Zwei Milliarden Euro steigen
Im vergangenen Jahr ist der Umsatz mit Fairtrade-Produkten auf 1,6 Milliarden Euro gestiegen – in zwei Jahren soll die Zwei-Milliarden-Euro-Marke geknackt werden. „Wir sind positiv gestimmt, dass die gute Entwicklung noch einige Jahre so weitergeht“, sagte Overath.Nachdem die Umsatzentwicklung in den ersten zehn Jahren nach der Gründung lange Zeit stagnierte, geht die Kurve seit 2004 nach oben. Im ersten Halbjahr sorgten vor allem Röstkaffee mit 10 900 Tonnen (plus 10,6 Prozent), Bananen mit 72 000 Tonnen (plus 51,6 Prozent) und Fruchtsaft mit acht Millionen Litern (plus drei Prozent) für die guten Zahlen. Für den starken Anstieg des Bananenabsatzes ist vor allem der Discounter Lidl verantwortlich, der neben Bio- auch konventionelle Fairtrade-Bananen anbietet.
Der Absatz von Kakaobohnen stieg gar um 91,8 Prozent auf 24 000 Tonnen, was unter anderem auf die Umstellung der Discount-Marken auf Fairtrade-Kakao zurückgeht. Noch im Jahr 2013 habe die Gesamtmenge hier lediglich bei 800 Tonnen gelegen. Insgesamt liegt der Marktanteil von Fairtrade-Kakao in Deutschland mittlerweile bei zehn Prozent, er ist nach Bananen (zwölf Prozent) und Blumen (mehr als 20 Prozent) die drittverbreitetste Produktkategorie.
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Die guten Zahlen hat Transfair dabei vor allem der Tatsache zu verdanken, dass sowohl Markenhersteller als auch Einzelhändler mit ihren Eigenmarken mitspielen. Denn um die Standards zu verbreiten, müssen den betreffenden Bauern ausreichend große Mengen abgekauft werden. Heißt: Es kommt auf Partner wie Tchibo an, die auf Fairtrade-Kaffee setzen; auf Partner wie Rewe oder Lidl, die ihre Eigenmarken anpassen. Lidl ging hier mit „Fair globe“ einst voran. Bei Rewe gibt es mittlerweile rund 300 eigene Produkte mit Fairtrade-Siegel, darunter zum Beispiel einen neuen Orangensaft mit detaillierter Herkunftsbeschreibung. Tchibo setzt hingegen bei seinem fairen Qbo-Röstkaffee zum Beispiel auf ein Etikett, bei dem die Kunden die Herkunft des Kaffees nachverfolgen können. „Wir haben kein Menschenrecht darauf, Bananen für weniger als ein Euro das Kilo zu kaufen“, sagte Overath – das müssten die Leute verstehen. „Und hier geht mein Appell auch an andere Handelsketten: Die Billigmanie muss aufhören.“