Köln – Thomas Jarzombek ist seit knapp zwei Monaten Beauftragter für Digitale Wirtschaft und Start-ups im Bundeswirtschaftsministerium. Im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ spricht der CDU-Politiker über den Mangel an Kapital, Pläne für einen Milliardenfonds, sinkende Gründerquoten und die deutsche Bürokratie.
Herr Jarzombek, Sie sind seit bald zwei Monaten Beauftragter der Bundesregierung für Start-ups und Digitale Wirtschaft. Mit welchem Ziel haben Sie die neue Aufgabe in Angriff genommen?
Ich bin im Ministerium Ansprechpartner der Start-up- und Digitalszene. Ich suche mit der Branche den Dialog und setze mich dafür ein, dass die Rahmenbedingungen besser werden.
Wie werden sie besser?
Das wichtigste Thema ist auch im Koalitionsvertrag prominent benannt: Der Mangel an Kapital. Wir haben in den letzten Jahren viel in die Wege geleitet: Das Exist-Programm, den dritten Hightech-Gründerfonds mit einem Umfang von 300 Millionen Euro, den Investzuschuss für Business Angels, die KfW Capital, den KfW-Fonds Coparion und noch mehr. Da passiert also bereits eine ganze Menge, um Start-ups in frühen Phasen zu helfen. Bei späteren, großen Finanzierungsrunden über 50 oder 100 Millionen Euro ist es aber oft schwer in Deutschland. Da brauchen wir insbesondere privates Kapital.
Zur Person
Der CDU-Politiker Thomas Jarzombek, 1973 in Düsseldorf geboren, ist seit 2009 Abgeordneter im Bundestag. Seit April 2018 ist er Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt, seit Ende Juli dieses Jahres auch Beauftragter für Digitale Wirtschaft und Start-ups.
Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften in Düsseldorf gründete Jarzombek ein IT-Unternehmen. 1999 bis 2005 saß er im Düsseldorfer Rat, anschließend vier Jahre im NRW-Landtag. Seit 2014 ist der Politiker Kreisvorsitzender der Düsseldorfer CDU. (hge)
Wie wollen Sie das Kapital heben?
Wir sind bereits im Gespräch mit der Versicherungswirtschaft, die viel investiert, bei Start-ups aber bislang eher im Ausland investiert. Dafür werden uns immer wieder zwei Gründe genannt: Zum einen sind die Fondsvolumina in Deutschland zu klein. Eine Versicherung wie die Allianz oder Münchner Rück muss jeden Tag sehr viel Geld anlegen. Das klingt nach einem Luxusproblem, aber je kleiner die Beteiligungsmöglichkeiten in Deutschland sind, desto aufwendiger ist die Investition. Deswegen brauchen wir Fonds mit einer gewissen Größe. Zum anderen muss das Risikoprofil auch stimmen und die Aussicht auf eine Rendite. Wir diskutieren hier ein Wasserfallmodell, bei dem es einen garantierten Zins für einen Teil der Investition gibt und ein anderer Teil im Risiko steht. Bei diesem Teil kann es auch schlechte Renditen geben, aber eben auch sehr überdurchschnittliche Renditen.
Welchen Umfang sollte ein solcher Fonds haben?
Wir bräuchten einen Betrag mit einer gewissen Symbolkraft, er sollte also zehnstellig sein.
Die Gründerquote sinkt seit Jahren. Was wollen Sie dagegen tun?
Bei diesen Quoten werden alle Arten von Gründungen einbezogen, also auch wenn eine Gärtnerei oder ein Friseurhandwerk gegründet werden. Bei Start-ups geht es uns aber vor allem um technologische Innovationen: Start-ups sind Unternehmen, die auf innovative, skalierbare Geschäftsmodelle setzen und auf schnelles Wachstum ausgelegt sind. Ich würde mir wünschen, dass auch hier mehr Leute gründen. Aber Gründungen stehen auch im Wettbewerb mit den Arbeitsplätzen bei klassischen Unternehmen. Es besteht eine klare Wechselbeziehung zwischen den positiven Entwicklungen am Arbeitsmarkt, der Rekordbeschäftigung und niedrigen Gründerzahlen. Als die Arbeitslosenzahlen zu Beginn des Jahrtausends hoch waren, hatten wir auch mehr Gründer. Der eine oder andere Gründer hatte es damals schwierig auf dem Arbeitsmarkt und ist deswegen in die Selbstständigkeit gegangen. Der Arbeitsmarkt hat sich hier stark gewandelt.
Eine Rezession wäre als das beste Programm zur Erhöhung der Gründerquote?
Das will ich nicht hoffen. Wir tun auch jede Menge dafür, dass es nicht zu einer Rezession kommt.
Frauen gründen deutlich seltener als Männer. Welche Pläne haben Sie zur Erhöhung der Frauenquote?
Das werden wir nicht per Gesetz anordnen können. In den Schulen muss deutlich mehr Lust auf IT und Wissenschaft gemacht werden, insbesondere bei Mädchen. Wir verschenken eine Menge Potenzial, weil es im Tech-Bereich zu wenige Gründerinnen gibt.
Die Bundesregierung hat drei Millionen Euro für die Forschung und Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) versprochen. China und den USA hecheln wir mit solchen Summen aber nur hinterher.
Es ist gut, dass in der Politik ein Bewusstsein für KI vorhanden ist, dafür habe ich lange gekämpft. Ob man das Thema aber mit staatlichen Investitionen alleine in den Griff bekommt, bezweifle ich. Wir haben hierzulande schon gute Forschungsinstitute mit privaten Partnern. Wo wir besser werden müssen, das ist die Anwendung. Hier muss sich der Staat als Enabler (deutsch: Möglichmacher, Anm. d. Red.) positionieren und Technologien fördern, indem er sie einkauft, nutzt und ihnen so den Start erleichtert. Aber auch große Unternehmen müssen stärker investieren, auch über Zukäufe. Konzerne wie Google und Facebook haben mit Youtube, Whatsapp und Instagram vorgemacht, wie man mit Hilfe von Übernahmen von Start-ups stark wachsen kann.
Sollte sich der Staat über einen Fonds auch an weiter entwickelten Start-ups beteiligen?
Das gucken wir uns in der Tat an, aber es ist ein dickes Brett, das da gebohrt wird. Im Bereich Social Entrepreneurship wäre das interessant, also bei Unternehmen, die einen gesellschaftlichen Zweck und nicht nur Profitziele verfolgen.
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Dafür braucht es viel staatliches Geld. Ist es an der Zeit, die „Schwarze Null“ aufzugeben?
Es ist auch so recht viel Geld da. Wir haben Rekordsteuereinnahmen und kommen gut damit klar. Es gibt keinen Grund, Schulden aufzunehmen.
Gründer bemängeln häufig die deutsche Bürokratie. Wie lauten Ihre Vorschläge zum Abbau?
Wir haben ja bereits das Bürokratieentlastungsgesetz 3 verabschiedet und nehmen eine Reihe überflüssige Vorschriften raus. Gründerbürokratie abzubauen ist mir ein wichtiges Anliegen. Wir möchten dahin kommen, dass Firmen komplett digital gegründet werden können, ohne einmal zum Amt gehen zu müssen. Ein fast größeres Problem besteht auch darin, Firmen wieder zu schließen: Start-ups gründen mit Risiko und den erfolgreichen Gründungen stehen eben auch gescheiterte gegenüber. Diese zu schließen ist heute extrem zeitaufwendig, mit langen Aufbewahrungsfristen und teuren Notarpflichten belegt. Viele gründen kein Unternehmen, weil sie Sorge vor den Verpflichtungen haben, die sie noch Jahre später beschäftigen können. Wir müssen aber den amerikanischen Grundsatz „Try fast, fail fast“ (deutsch: Schnell probieren, schnell scheitern) auch in Deutschland etablieren und brauchen dafür die richtigen Rahmenbedingungen.