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Steigende PreiseKönnte Benzin bald zwei Euro kosten?

Lesezeit 6 Minuten
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Reparaturarbeiten an der Preisanzeige einer Kölner Tankstelle

Köln – Die Meldung, der Spritpreis könnte bald die Marke von zwei Euro knacken, macht mal wieder die Runde. Viel mit Glaskugel hat diese Prognose nicht zu tun, auch wenn manche Ökonomen das schützend sagen. Am Mittwoch kostet ein Liter der Sorte V-Power Racing an der Raststätte in Siegburg Ost 1,99. Kritiker mögen einwenden, dass es sich um ein stets teureres 100-Oktan-Benzin handelt, an einer Raststätte, vor einem Feiertag. Aber der weit verbreitete Super-Kraftstoff kostete dort auch 1,88 Euro je Liter, nur 12 Cent oder gut sechs Prozent von der magischen Zwei-Euro-Marke entfernt. Die Debatte um höhere Spritpreise führt zu Streit zwischen Klimaschützern auf der einen Seite und einem ungewöhnlichen Bündnis auf der anderen Seite. Denn Linke und Arbeitgeberverbände sehen die höheren Preise für Kraftstoffe skeptisch. Ein Überblick über Folgen und Verlierer höherer Spritpreise.

Wie hat sich der Spritpreis entwickelt?

Schaut man sich die Entwicklung der vergangenen zwölf Monate an, sieht man einen deutlichen Anstieg. Anfang Juni 2020 kostete laut ADAC ein Liter Super-Benzin durchschnittlich 1,18 Euro. Bis zum Jahreswechsel zog er mit Schwankungen auf 1,25 Euro. Ende Mai wurden im Schnitt mehr als 1,50 Euro bezahlt, insgesamt entspricht das einem Anstieg von mehr als einem Viertel binnen Jahresfrist.

Warum steigen die Benzinpreise?

Das hat verschiedene Gründe. Zum einen ist der Preis für Rohöl, Grundstoff aller genannten Kraftstoffe, deutlich angezogen. Umgerechnet in Euro verteuerte sich der Preis für ein Barrel (knapp 160 Liter) der Sorte Brent von 33 auf 55 Euro seit Juni 2020. Das liegt am Preisverfall mangels Nachfrage im Corona-Jahr 2020 und dem Anstieg der Nachfrage jetzt, und nebenbei auch an der fehlenden Ausfuhr iranischen Öls.

Doch darf der Rohölpreis nicht als größter Treiber steigender Benzinpreise gesehen werden. „Denn nur ein Viertel des Preises, den Autofahrer an der Tankstelle zahlen, entfällt auf die Beschaffung der Ware, also den Erdölpreis“, sagt Thilo Schaefer, Leiter Kompetenzfeld Umwelt, Energie, Infrastruktur beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Den weitaus größten Teil des Literpreises macht ihm zufolge die Energiesteuer mit 33 (Diesel) bis 41 Prozent (Benzin) aus. Treiber des Preises sind aber noch weitere staatliche Abgaben, die erhöht wurden.

Mit sieben bis acht Cent je Liter in Prozent etwa vier schlägt die neue CO2-Steuer zu Buche, die am 1. Januar in Deutschland eingeführt wurde. Hinzu kommt, dass Deutschland zum Jahresbeginn wieder zur höheren Mehrwertsteuer von 19 Prozent zurückgekommen ist. Entsprechend legte der Spritpreis von Silvester auf Neujahr 2021 sprunghaft um rund zehn Cent zu.

Wen trifft der Spritpreisanstieg am härtesten?

Die Grünen wollen den Spritpreis um 16 Cent erhöhen, was auf ein geteiltes Echo trifft. „Die Umsetzung des Vorschlags der Grünen wäre eine schwere Belastung insbesondere für Millionen von Beschäftigten, die für die Fahrt zur Arbeit auf ihr Auto angewiesen sind. Wir müssen bei der Mobilitätswende aufpassen, dass sie nicht zu sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen führt“, sagt Johannes Pöttering, Chef des Arbeitgeberverbandes Unternehmer NRW.

Natürlich trifft es die vielen Autofahrer. „Die Allermeisten fahren ja nicht aus Jux und Dollerei Auto, sondern weil sie zur Arbeit müssen oder zum Einkaufen“, sagt Ökonom Schäfer. Allerdings handele es sich erstmal nur um einen kurzfristigen Anstieg. Wenn der kurzfristig bleibe, wäre das zu verkraften. „Wir haben ja schon früher ganz andere Preise gesehen“, sagt Schaefer. Hält der Hochpreis nachhaltig an, litten zunächst mal jene Pendler, die nicht ohne weiteres auf ein Elektroauto oder die Bahn umsteigen können.

Wie hoch sind die Mehrkosten?

Menschen im ländlichen Raum ohne ÖPNV, die in die Städte pendeln sind am stärksten getroffen. Wer etwa aus Gummersbach oder Zülpich nach Köln pendelt, fährt täglich 100 Kilometer. Bei einem Ford Focus mit einem Verbrauch von sechs Litern auf 100 Kilometer lagen die reinen Spritkosten vor einem Jahr und pro Monat also bei 150 Euro, und heute bei fast 190 Euro. Mehrkosten von 40 Euro monatlich also, die nicht zusätzlich absetzbar sind und aus dem versteuerten Netto bezahlt werden müssen.

„Besonders Bezieher niedriger Einkommen sind dadurch überproportional belastet“, kritisiert der Kölner DGB-Chef Wittich Rossmann. Bei Geringverdienern schlügen die Mobilitätskosten mit einem dreieinhalbfachen Anteil in die Kosten ein, als bei besser Verdienenden, so der Gewerkschafter. Er ist aber deshalb nicht gegen eine Klimasteuer beim Sprit. „Wir brauchen als Ausgleich eine Prämie, die gleichermaßen alle bekommen, unabhängig vom Einkommen“, sagt Rossmann. Damit kritisiert er auch die bestehende Pendlerpauschale.

Denn die entlastet die Menschen überproportional, die viel Steuern zahlen, also auch besser verdienen. Geringe Einkommen werden weniger entlastet. Auch IW-Ökonom Schaefer hat Bedenken. „Zwar werden Anreize geschaffen, schneller auf ein E-Auto umzusteigen, allerdings können diesen Schritt Haushalte mit höheren Einkommen leichter darstellen“, sagt Schaefer.

Wird der Spritpreis weiter steigen?

Wahrscheinlich ja. Prognosen will keiner wagen, aber die Abgaben für CO2 sollen bei Benzin weiter angehoben werden. Allerdings ist die aktuelle Preislage gar nichts Ungewöhnliches. Das teuerste Tankjahr ist laut ADAC bisher das Jahr 2012. 159,8 Cent pro Liter Super und 147,8 Cent pro Liter Diesel mussten die Autofahrer im Jahresdurchschnitt zahlen. Der teuerste Monat war der September mit 167,1 Cent pro Liter Super und 152,4 Cent pro Liter Diesel. Während der vier folgenden Jahre, also bis 2016, sanken die Durchschnittspreise.

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Danach stiegen die Spritpreise an den Tankstellen wieder. Nur in zwei Monaten fiel in der Zeitspanne 2011 bis 2019 der Dieselpreis unter einen Euro: im Januar (99,1 Cent pro Liter) und im Februar (98,4 Cent pro Liter) 2016. Super gab es im Februar 2016 mit 119,8 Cent pro Liter besonders günstig.

Wie kann man Sprit sparen?

Wer beim Autofahren etwas Sprit sparen will, sollte möglichst früh hochschalten und den ersten Gang nur zum Anfahren nutzen. Anschließend schalten Autofahrer in Zehnerschritten hoch, nennt die „ADAC Motorwelt“ eine Faustregel. Demnach legen Autofahrerinnen und Autofahrer den zweiten Gang bei 20 km/h ein, den dritten bei Tempo 30 und so weiter.Wer niedertourig fährt, schadet dem Bericht zufolge modernen Motoren nicht. Wer ein Automatikgetriebe hat, sollte den Ecomodus wählen. Je nach Hersteller kann solch ein Spritsparprogramm auch anders heißen.

Außerdem wichtig: öfter mal rollen lassen. Wer bei eingelegtem Gang den Fuß vom Gas nimmt, verbraucht keinen Sprit. Die Schubabschaltung sorgt dann dafür, dass die Kraftstoffzufuhr abgeschaltet wird, das Auto nutzt dann nur die Bewegungsenergie. So kann man zum Beispiel an rote Ampeln heranrollen. Je kleiner der eingelegte Gang ist, desto höher ist der Bremseffekt.