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Frechener UnternehmerUmstieg auf E-Autos endet im Chaos – Hohe Zusatzkosten

Lesezeit 5 Minuten

E-Auto im Werk: Die Lieferzeit beträgt teilweise mehr als ein Jahr, Kunden sind mit den Funktionen immer häufiger unzufrieden.

Köln/Frechen – Die Kosmetikfirma Schaebens hat ihren Sitz in Frechen. Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben „stets um Nachhaltigkeit bemüht“. „Und so entschlossen wir vor einem Jahr, unsere Flotte von 20 Fahrzeugen auf Elektro- und Hybrid-Antrieb umzustellen“, sagt Heiko Hünemeyer, geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens. Doch nach dieser klaren Entscheidung wurde es diffus bei der Firma Schaebens – so einfach, wie das stets propagiert wird, ist das offenbar nicht.

„Dass wir Ladesäulen schaffen müssen, war uns klar. Dass das 100.000 Euro kostet, auch. Aber dann stellten wir bei einem sogenannten Lastgang fest, dass unsere Stromkapazität schon zu 80 Prozent ausgelastet ist. Würden wir zeitgleich mehrere Autos laden, müssten wir die Produktion stoppen, oder umgekehrt. Also keine Lösung“, sagt Schaebens, der erkennbar verärgert ist.

Nur teure Lösungen

Erste Idee: Ein neues Kabel in die Erde. Das wären auch nur 250 Meter, fiel aber flach, denn das kostete weitere 100.000 Euro. Zweite Idee: Ein Generator mit Ökogas. „Das scheiterte daran, dass es 250.000 Euro kosten würde“, sagt Geschäftsführer Schaebens.

Nächster Lösungsansatz: Solarzellen auf das Dach. Ginge, doch dafür müsste laut Auskunft der beauftragten Handwerker erst das Dach saniert werden: Kosten 650.000 Euro.

Guter Wille reicht nicht

Strom von den Nachbarn kaufen? „Hätten die netterweise mitgemacht, aber das ist keine Dauerlösung. Jetzt haben wir für unsere bislang fünf Fahrzeuge eine abgespeckte Solaranlage als Übergang“, sagt Schaebens, der damit alles andere als zufrieden ist. Eine echte Lösung steht bislang aus. „Das ganze hat mir gezeigt: Guter Wille allein reicht nicht aus für eine Mobilitätswende.“

Wertverlust bei E-Autos

Ein Nachteil für Fahrer, die bereits in den vergangenen Jahren ein Elektroauto gekauft haben, ist der enorme Wertverlust. Mangels Erfahrungen konnte bei der ersten E-Auto-Generation niemand die Lebensdauer der Batterien realistisch einschätzen. Experten gingen davon aus, dass die Batterien nach etwa fünf Jahren ausgetauscht werden müssten und veranschlagten dafür Kosten in Höhe von rund 10 000 Euro. Das trieb den Wertverlust bei Elektroautos der ersten Generation nach oben.

Die heute verbauten Batterien sind erheblich günstiger und haben eine höhere Lebensdauer. Hinzu kommt, dass die Nachfrage nach gebrauchten E-Autos steigt.

Bei vielen Autofahrern, die vor der Entscheidung stehen, von Diesel oder Benzin auf Elektro umzusteigen, beginnt das Problem allerdings schon viel früher: Beim Kauf des Fahrzeugs. Das Problem ist, überhaupt an die Autos heranzukommen.

15 Monate Lieferzeit

Ein Selbstversuch in einem Kölner Autohaus am Wochenende zeigte, wo das Problem liegt. Probefahrten sind fast überall möglich, die Verkäufer preisen die Fahrzeuge an. Wenn es zum Verkaufsgespräch kommt, wird es kurios. „Der Wagen kommt dann im Januar“, sagt der Verkäufer. Noch ein Vierteljahr warten? „Der Wagen kommt im Januar 2022“, lautet dann die überraschende Antwort. 15 Monate Lieferzeit, das kannte man früher bei Fahrzeugen der Luxusklasse. Doch bei einem Kleinwagen?

Das Problem haben nicht nur Menschen, die heute einen Elektrowagen bestellen. Auch jene, die bereits geordert haben, können sich glücklich schätzen, wenn sie ihren alten Verbrenner noch nicht verkauft haben. Die Lieferung etwa der für Sommer 2020 angekündigten Neuwagen hat sich verzögert – nicht zuletzt, weil die Auto-Werke im Frühjahr wegen der Corona-Pandemie wochenlang geschlossen waren.

Nachfrage stark gestiegen

Aber nicht nur der Produktionsstopp vieler Hersteller sorgt für lange Lieferzeiten bei E-Autos: Durch die erhöhte Kaufprämie, die der Bund im Juni beschlossen hat, sei die Nachfrage stark gestiegen, heißt es von den Händlern unisono.

Wurden E-Autos vor gut einem Jahr noch von einer breiten Masse hochgejubelt, ist bei einigen, die bereits umgestiegen sind, die Euphorie verflogen. Eine Elektroauto-Studie des Beratungsunternehmens UScale von 2020 zeigt eine steigende Unzufriedenheit unter den Elektroauto-Fahrern im Vergleich zum Vorjahr, wie mehrere Autozeitungen berichten. Dafür wurden von den Autoren der Studie 1200 Elektroauto-Fahrer zu ihren Nutzungsgewohnheiten und Erfahrungen mit ihrem E-Auto befragt. Im Vergleich zum Vorjahr raten statt sechs nun schon 13 Prozent der Befragten von ihrem E-Auto ab. Auch die Zahl der Personen, die sich neutral äußerten, ist angestiegen. Das hat zur Folge, dass der Anteil derjenigen, die eine Empfehlung für ihr E-Auto aussprachen, um 18 Prozent auf nur noch 59 Prozent gesunken ist.

Unzufriedene E-Auto-Fahrer

Die Autofahrer sind nach den Ergebnissen der Studie vor allem mit den Funktionen unzufrieden, die ein rein batteriebetriebenes Fahrzeug ausmachen: Rekuperation, Eco-Modes, Navigation, Anzeige und Bedienkonzepte sowie die Verknüpfung der Autos mit einer App und allem, was dazugehört. Weniger als die Hälfte (43 Prozent) der befragten Autofahrer sind mit der Steuerung und der Überwachung des Ladevorgangs zufrieden. Bei den dazugehörigen Connect-Apps verteilen gar nur 14 Prozent die Note „gut“. Vor allem Verbindungsprobleme nerven mehr als ein Drittel (36 Prozent) der Nutzer solcher Software. 85 Prozent der Befragten sehen zum Teil massiven Handlungsbedarf.

Das größte Ärgernis, die mangelnde Reichweite der Batterie-Autos, konnten die Hersteller inzwischen abmildern. Dreistellige Kilometer-Strecken sind heute bei allen angebotenen Fahrzeugen drin. Klassenprimus Tesla schafft sogar mehr als 400. Allerdings haben die Hersteller aus ihrem Schummelmodus mit Abgaswerten bei Dieseln offensichtlich nicht viel gelernt.

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