Streit in der IHKWie der Kölner Machtkampf einst begann – und enden sollte
- Seit Jahren liefern sich zwei gegnerische Lager in der IHK Köln einen Kampf um den Einfluss, um das Präsidentenamt, um die Kammerführung.
- In dieser Woche gipfelte der Streit der Ehrenamtlichen in einer außerordentlichen Vollversammlung.
- Die Ursprünge der Auseinandersetzung liegen Jahre zurück. Wir rekapitulieren, wie es dazu kam.
Köln – Industrie- und Handelskammern sind landauf landab eher langweilige Institutionen. Halb Wirtschaft, halb Verwaltung. In die Politik dürfen sie sich qua Satzung nicht einmischen. Mitgliedschaften sind Pflicht. Glamourös sind allenfalls die Neujahrsempfänge. Nicht so in Köln. Seit Jahren liefern sich zwei Lager einen Kampf um Einfluss, Präsidentenamt, Kammerführung.
In dieser Woche gipfelte der Streit der Ehrenamtlichen in einer außerordentlichen Vollversammlung. Was vermeintlich geheim in den Gremien vonstatten ging, hatte Züge einer 80er-Jahre-Serie – Denver-Clan am Rhein.
28 Konterrevolutionäre
Da sind zum einen die Konterrevolutionäre. 28 Mitglieder der 92-köpfigen Vollversammlung haben schriftlich erzwungen, dass trotz Corona eine Sitzung stattfindet. Vier Vorwürfe machten die Unterzeichner, darunter Ex-IHK-Präsident Werner Görg und mehrere Ex-Vizepräsidenten, IHK-Präsidentin Nicole Grünewald. Die Anschuldigungen ließen sich unter dem Wort „Präsidialherrschaft“ zusammenfassen. Grünewald soll ihre Kompetenzen überschritten haben. Die Vorwürfe: Eine vermeintlich unnötige Sonderprüfung des alten Präsidiums und des Hauptgeschäftsführers. Unerlaubte Nutzung von E-Mail-Adressen. Stopp des Verkaufs des Kammergebäudes. Wahlprüfsteine ohne Abstimmung verschickt.
Am Donnerstag um 17 Uhr begann der Showdown in der Lanxess-Arena. Hinter verschlossenen Türen. Presse und Öffentlichkeit sind bei der IHK-Vollversammlung unerwünscht. Also nur offiziell, denn eigentlich kommt dann doch raus, was in dem Zirkel passiert. Und das ist gut so. Das ist Demokratie. Im Denver-Clan ist es auch so.„Hab ich dich jemals belogen?“ „Nein“ „Oder doch?“ – so startet der Trailer der US-Serie. Passt auch zur Kammer gerade.
Die Stimmung war aggressiv . „Die Gräben sind tief“, sagen Teilnehmer nach der Sitzung. Einige der Protestler forderten Grünewalds Rücktritt, andere stellten sich demonstrativ hinter sie. Wer sind die Guten?
Kritik unterschiedlichen Kalibers
Die meisten Kritikpunkte wurden ausgeräumt von Nicole Grünewald, so zumindest vermeldet es die Kammer in einer eiligen Pressemitteilung. Die Kritikpunkte haben ganz unterschiedliche Kaliber. Die Nutzung von Mailchimp für einen Newsletter anstelle der veralteten IHK-Software? Wahrscheinlich korrekt und im digitalen Zeitalter kein Aufreger. Das sagen auch einige von Grünewalds Widersachern. Die Wahlprüfsteine ohne Vollversammlung verschicken? Nicht in Ordnung, aber angesichts eines Versammlungsverbots und des Alters vieler Versammlungsmitglieder (Risiko-Gruppe) eine halb-legale aber pragmatische Lösung.
Die Sonderprüfung? Am schwersten zu durchschauen. Dahinter stehen Vorwürfe gegen den geschassten IHK-Hauptgeschäftsführer Ulf Reichardt. Unter anderem soll der Neujahrsempfang 2019 zu teuer gewesen sein. Aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit haben viele Vollversammlungsmitglieder an jenem Januarabend kräftig mitgefeiert. Außerdem war mit dem französischen Premierminister ein prestigeträchtiger Gast da, das schmückt die Kammer, kostet aber Geld für Dolmetscher und Sicherheit. Die Wahl zwischen Glamour und Geld – eine Gretchenfrage.
Bleibt zentral die Gebäudefrage. Über den Sitz der Kammer wird seit Jahren gestritten – mehrfach eskalierte die Auseinandersetzung, ob man das alte Gebäude in der Innenstadt sanieren oder nach Mülheim ziehen soll. Die Vollversammlung entschied sich schließlich 2019 für den Kauf des Neubaus Lofthaus an der Schanzenstraße in Mülheim für 39,2 Millionen Euro. Die alte Zentrale soll für 13 Millionen Euro verkauft werden.
Wenn es schief läuft, hat die IHK zwei Gebäude
Kritik an den Berechnungen und der Entscheidung gab es auch damals. Nun muss sich das Gremium erneut mit dem Kauf beschäftigen, der Verkauf wurde durch das Präsidium unter Grünewald ausgesetzt. Fazit fürs erste: Wenn es schief läuft, hat die IHK zwei Gebäude und damit ein Problem. Denn der Kaufvertrag für das Lofthaus ist bereits unterschrieben.
Spätestens mit dem „Häuserkampf“, wie einige Beobachter das Gezerre in der Immobilienfrage nennen, wurde augenscheinlich, wo die Frontlinien in der Versammlung verlaufe. Ein Konflikt, dessen Entstehung sich entlang der Protagonisten Grünewald und Reichardt erzählen lässt.
Als der Ex-Thyssenkrupp-Manager 2012 das Amt des Hauptgeschäftsführers übernahm, war die Erwartung groß. Frischer Wind an der IHK-Spitze, ein Mann aus der Wirtschaft, kein Kammerfunktionär. Ins Amt gehoben hatte ihn das damalige Präsidium unter Paul Bauwens-Adenauer, in dem auch der damalige Flughafenchef Michael Garvens und die heutige Präsidentin Grünewald saßen, die die Personalie ausdrücklich befürworteten.
Der Streit begann schnell
Kaum im Job, gab es Streit. Die lockere Amtsführung Reichardts stieß beim Duo Garvens/Grünewald auf immer heftigere Kritik. Die vielen Anlässe zum Zoff würden hier den Rahmen sprengen. Viele könnte man im Rückblick als nichtig einstufen. Es folgten Macht- und Ränkespiele auf beiden Seiten. Aus inhaltlichen Differenzen wurden zutiefst persönliche, aus Diskussion Keiferei. Dabei schenkten sich beide Seiten nichts – man hatte sich aufeinander eingeschossen und so sollte es bleiben – bis heute.
Nur wechselten die Konstellationen. Als Präsident Bauwens-Adenauer 2015 nicht mehr antrat – auch ihm wurde eine gewisse Ermüdung durch den Dauerstreit nachgesagt – setzte sich der ehemalige Gothaer-Chef Werner Görg im zweiten Wahlgang gegen Grünewald durch, die sich zur Überraschung vieler am Wahlabend als Kandidatin präsentierte und so ihre Ambitionen offenlegte. Im Establishment der IHK war man beunruhigt, aber es war ja noch mal gut gegangen. Görg wollte die streitlustige Werberin nicht im Team, womit auch hier das Tischtuch zerschnitten war.
Es blieb beim Streit – nun aber nach dem Aus von Garvens als Airportchef in der Frontlinie Reichardt/Görg gegen Grünewald. Als die im Januar mit ihrer Initiative „New Kammer“ und einem klugen Wahlkampf um Transparenz schließlich die Wahl gegen Görg gewann, war vielen etablierten Vollversammlungsmitgliedern der Schock anzumerken. Eine Revolution. Langjährige Präsidiumsmitglieder verloren ihre Posten, etwa Sandra von Möller, die nun zu den Konterrevolutionären zählt.
Wie geht es weiter?
Grünewald zog mit einer neuen Mannschaft mit eher unbekannten Gesichtern der mittleren Wirtschaft in die Kammer ein. Dass es zwischen der Präsidentin und ihrem Hauptgeschäftsführer keine vertrauensvolle Zusammenarbeit geben konnte, war klar. Nun hat Reichardt die IHK verlassen.
Wie geht es weiter in der Serie? „Ein bisschen Frieden“ möchte man Nicole Grünewald und ihren Kontrahenten wünschen. Die Schlammschlachten haben dem Ansehen der Kammer geschadet. In Corona-Zeiten blicken viele Pflichtmitglieder verständnislos auf ihre Interessenvertreter, die mit sich selbst beschäftigt sind. Das ist traurig für die Mitarbeiter der IHK, die in Sonderschichten versuchen, Mittelständler im Corona-Shutdown zu beraten, vor der Pleite zu bewahren, Prüfungen für Azubis zu organisieren.
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Nun steht an, ein Zeichen des Friedens zu setzen. Reichardt ist weg, Grünewald da, wo sie immer hinwollte. Sie ist keine Kammergegnerin wie jene Rebellen in Hamburg, die die Kammer abschaffen wollten. Sie ist die erste Frau im Amt und äußerst gut in der Stadt vernetzt. Sie hat die Möglichkeiten, durch moderate Töne, durch die Suche nach einem allen genehmen Hauptgeschäftsführer und durch ein Zugehen auf alle Gruppen eine Präsidentin der Versöhnung zu werden. Es ist an der Zeit.