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Kommentar

Zukunft der Warenhäuser
Einkaufsparadies für Eilige oder überholtes Geschäftsmodell?

Ein Kommentar von
Lesezeit 5 Minuten
Eine Frau geht mit Regenschirm an einer geschlossenen Kaufhof Filiale vorbei.

Zum zweiten Mal innerhalb von weniger als zwei Jahren musste der Handelsriese am Montag den Weg zum Insolvenzgericht antreten und Rettung in einem Schutzschirmverfahren suchen.

Der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof hat Insolvenz beantragt, 680 Millionen Staatshilfen sind verpufft. Muss man um das Konzept Warenhaus noch kämpfen? Zwei Autoren, zwei Meinungen.

Claudia Lehnen (44), Ressortleiterin NRW/Story, hat wenig Zeit. Sie schätzt deshalb sehr, dass sie im Warenhaus innerhalb von 30 Minuten Rohrzange, Eheringe und Hausschuhe kaufen kann, wenn die Lage das eben gerade erfordert.

Fragen Sie nicht. Aber es gibt eben diese Tage, da brauche ich eine Rohrzange, eine Turnhose für den Jüngsten, ein Geschenk für den Kindergeburtstag und Amarena-Kirschen für die Weihnachtsplätzchen. Ich weiß, ich könnte das alles online bestellen. Bis alles ankäme, wäre aber das Training längst rum, der Kindergeburtstag zu Ende gefeiert und der tropfende Wasserhahn zum Wasserschaden für das gesamte Haus mutiert. Ich habe immer: Zu wenig Zeit. Ich brauche also: Alles. Und das so schnell wie möglich.

Der einzige Ort, der mir die Chance gibt auf das analoge Habhaftwerden einer wilden Warenkombi in 30 Minuten, ist das Kaufhaus. Hummer und Hausschuhe, Champagner und Klopapier, Reißverschluss und Ehering. Was auch immer man gerade auf seinem Einkaufszettel zusammenkombiniert hat - im Warenhaus kann das Abhaken der Positionen im Schweinsgalopp gelingen.

Und nur weil ein schönes Konzept in die Jahre gekommen ist, heißt das ja nicht, dass man es gleich dem Untergang weihen muss. Wie wäre es stattdessen mit ein bisschen liebevoller Kreativität? Das Aufmöbeln alter Küchenbuffets ist schließlich auch in Mode. Und Ideen, das Warenhaus zukunftsfähig zu machen, gibt es wirklich mannigfach. Da wäre zum Beispiel der Gedanke, das Kaufhaus als mondäne Ausstellungsfläche zu erhalten und den Akt des Kaufens und Bezahlens ins Digitale zu verlängern.

Das Warenhaus als Nachhaltigkeitsvorreiter

Ich suche mir also aus dem großen Sortiment die schönste Rohrzange sowie die passendste Turnhose und das lustigste Brettspiel aus, bezahle digital und lasse mir den ganzen Kram für den nächsten Tag nach Hause liefern. Das würde das Warenhaus auch zu einem Nachhaltigkeitsvorreiter werden lassen: Der kostbare Platz in der Innenstadt könnte nämlich optimal für ein vielfältiges Sortiment genutzt werden, da keine großen Lagerbestände nötig wären. Jedes Produkt gäbe es ja in jeder Größe nur einmal. Und teure wie umweltschädliche Rücksendungen würde man anders als im Onlinehandel auch auf ein Minimum verringern, da das Produkt ja vor der Lieferung anprobiert und in Augenschein genommen werden konnte.

Erhaltenswert ist das Warenhaus übrigens auch deshalb, weil es ein verbindendes Element hat. Meine Großmutter, die ihr Leben lang in der Fabrik arbeitete, hat dort Zwirn und Knöpfe gekauft, genauso wie ihr Chef seinen französischen Käse. In Zeiten, in denen soziale Spaltung sowie Einsamkeit eine immer größere Rolle spielt und jeder Fünfte Nordrhein-Westfale angibt, sich allein zu fühlen, können wir es uns nicht leisten, verbindende Orte aufzugeben. Warum also nicht den sozialen Charakter des Warenhauses stärken? Als Treffpunkt für stillende Mütter, als Anlaufstelle für Heimwerker, die nicht nur den Hammer, sondern auch die handwerkliche Beratung fänden. Als Ort, wo sich Menschen begegnen, die wissen wollen, wie man eine gute Brühe kocht und nebenbei gleich den Messerblock zum Knochenzerteilen kaufen könnten. Wo sich Menschen gerne treffen, gibt es auch eine Zukunft.


Thorsten Breitkopf (45) ist Diplom-Kaufmann und leitet das Wirtschaftsressort. Er kauft nicht mehr oft im Warenhaus. Er sagt: „Kunden unter 50 haben ein Kaufhaus oft seit Kindertagen nicht mehr betreten und werden es auch nicht mehr lernen.“

Warenhäuser waren die Paläste der Konsumgesellschaft. Die Idee, alle Waren vom Strumpf über das Spielzeug und die Kaffeetasse bis hin zum noblen Schmuck in einem einzigen Haus anzubieten, stellte die ansässige Konkurrenz oftmals in den Schatten. In den Jahren des Wirtschaftswunders erlebten die Konsumpaläste ihre größte Zeit. Vom Land strömten die Menschen in die Warenhäuser. Und auf dem Weg von und zu den Warenhäusern ließen die Kunden viel Geld auch bei den anderen Händlern.

Diese heile Welt ist Geschichte, und das nicht erst seit gestern. Es gab Dutzende Warenhäuser – bekannte Namen wie Hertie, Horten, Neckermann, oder auch Woolworth oder Bilka eint eines: Sie sind bereits seit geraumer Zeit verschwunden, in der Insolvenz oder verdrängt von anderen Handelskonzepten. Einziges verbliebenes Warenhaus Deutschlands ist Galeria – als Nachfahre von Karstadt und Kaufhof. Zwei Jahre sind die beiden Kaufhausgiganten nun vereint, zweimal haben sie in dieser Zeit Insolvenz angemeldet. Warum? So wie aktuell gelebt ist das Segment Warenhaus so etwas wie das berühmte tote Pferd, das man nicht reiten kann.

Warenhäuser gehen am Kundenwunsch vorbei

Der Ruf der Kommunalpolitiker, Kaufhäuser zu retten, um Innenstädte zu retten, ist nachvollziehbar. Aber er geht komplett am Wunsch der Kunden vorbei. Wer Schuhe will, geht ins Schuhgeschäft oder kauft online. Wer Elektronik braucht geht zur Fachkette oder ins Internet. Wer Lebensmittel braucht, kauft beim Supermarkt, beim Discounter oder lässt sich liefern. Und Mode kauft man beim Bummeln durch die Geschäfte der Lieblingsmarken oder ebenfalls online. Für Warenhäuser alten Zuschnitts ist – so traurig das ist – kein Platz mehr.

Nicht weil wirklich kein Platz mehr da ist, sondern weil Kunden unter 50 schlicht anders einkaufen und das Warenhaus meiden. Auch weil die Auswahl beim Spezialisten viel größer ist als im Gemischtwarenladen Warenhaus. Das Kaufhaus kann alles ein bisschen, aber nichts richtig gut. Es sind nicht Inflation und Corona, die Galeria und andere zu Fall bringen. Es ist das Geschäftsmodell Vollsortimenter, das vom Kunden so nicht mehr verlangt wird.

Das liegt auch an einem anderen noch entscheidenden Punkt: Dem Service. Wenn ich eine Espresso-Tasse suche, muss ich die erst im Raumschiffgroßen Warenhaus finden, dann mühsam den dazu gehörigen Verkäufer, dann stehe ich an der Kasse in der Schlange. Und wenn ich es als Geschenk verpacken lassen möchte, muss ich von der ersten in die vierte Etage tigern (oder umgekehrt) um dort wieder in einer Warteschlange zu stehen (und am Ende noch etwas für die Verpackung bezahlen).

Wer Kunden so behandelt, muss sich kaum wundern, dass sie ins Internet abwandern. Es mag sein, dass sich einzelne Warenhäuser mit Top-Sortiment und Top-Lage in Köln, Düsseldorf, Hamburg oder Berlin noch halten könnten. Dazu gehört dann auch ein neues Konzept. Warenhäuser in der Fläche und an jeder Milchkanne sind leider bald Geschichte.