- Nach einer Studie der Uni Köln sind Beschäftigte in der Finanzwelt weniger vertrauenswürdig als Mitarbeiter in anderen Branchen.
- Die Forscher sehen darin einen möglichen Grund für Finanzskandale. Bei Neueinstellungen im Finanzbereich werden Personen die weniger vertrauenswürdig sind nicht aussortiert, so die Wissenschaftler.
- Ein Großteil der Beschäftigten erledige seine Arbeit zuverlässig, widerspricht der Geschäftsführer des Bankenverbandes NRW Steffen Pörner.
Köln – Anfang 2012 flog ein Banker der US-Bank JP Morgan auf, der durch Spekulationsgeschäfte sechs Milliarden Dollar verzockt hatte. Die Chefetage und ranghohe Mitarbeiter deckten ihn jahrelang. In Deutschland beschäftigt aktuell der Fall Wirecard die Behörden. Teile der ehemaligen Führung sitzen in Haft, weil sie über Jahre Milliarden unterschlagen haben sollen.
Wissenschaftler der Uni Köln wollen einen Grund für die Skandale ausgemacht haben. In einer Langzeitstudie untersuchten sie die Vertrauenswürdigkeit in der Finanzindustrie. Das Ergebnis: Beschäftigte in der Finanzbranche sind häufig weniger vertrauenswürdige Menschen.
Weniger vertrauenswürdige Studierende arbeiteten später in der Finanzwelt
Für die Untersuchung starteten die Wissenschaftler im Jahr 2013 mit Studierenden der Wirtschaftswissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt eine Langzeitstudie. Die 265 Studierenden beantworteten zunächst Fragen zu ihren Berufswünschen, sozialen Einstellungen und zu ihrer Persönlichkeit. Danach nahmen sie an einem sogenannten Vertrauensspiel teil. Alle Teilnehmer erhielten von den Wissenschaftlern acht Euro und konnten entscheiden, wie viel Geld sie einer zweiten Person abgegeben.
Die Forscher verdreifachten im Anschluss diesen Wert und überließen der zweiten Person die Entscheidung, wie viel von diesem Geld sie an die erste Person abtreten möchte. Die Vertrauenswürdigkeit bemaßen die Forscher daran, wie viel Geld ein Teilnehmer einer anderen Person zurückgab. Jene Teilnehmer, die einen höheren Betrag abgaben, galten als vertrauenswürdiger als andere. Das Ergebnis: Die Studierenden, die angaben, später in der Finanzbranche arbeiten zu wollen, sind rund 30 Prozent weniger vertrauenswürdig, als jene, die in anderen Branchen arbeiten möchten.
Bankenverband NRW widerspricht den Forschern
2019 und 2020 wiederholten die Forscher die Befragung. Sie stellten fest, dass Personen , die sich bei der Studie 2013 als weniger vertrauenswürdig erwiesen hatten, Jahre später tatsächlich in der Finanzbranche arbeiteten. Der Studie zufolge ist mangelnde Vertrauenswürdigkeit für einen Berufseinstieg im Bereich Finanzen kein Ausschlusskriterium. Im Gegenteil, wie Matthias Heinz, Professor an der Universität zu Köln und Teil des Forschungsteams, erläutert: „Studierende, die in der wettbewerbsintensiven Finanzwelt arbeiten möchten, sind weniger vertrauenswürdig als jene, die in anderen Branchen arbeiten wollen. Die Finanzwelt scheint aber weniger vertrauenswürdige Personen im Laufe eines Einstellungsprozesses nicht auszusortieren, sondern tatsächlich einzustellen. Zudem wechseln nur vier Prozent der Arbeitnehmer aus den Finanzen in eine andere Branche, was die Auswahl der Mitarbeiterinnen besonders wichtig macht“.
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Aus der Studie geht darum hervor: Betrug in der Finanzwelt wird nicht vorgebeugt, vielmehr bedingt die Einstellung von weniger vertrauenswürdigen Menschen sogar Fehlverhalten. Die Schlussfolgerung der Forscher, dass hierin ein Grund für Finanzskandale liegen könnte, weist Steffen Pörner, Geschäftsführer des Bankenverband NRW, aber zurück. „Davon abgesehen, dass die genannten Fälle Cum-Ex und Wirecard sehr unterschiedliche und vielfältige Gründe haben, war es nur ein sehr kleiner Teil von Mitarbeitern, die daran vermutlich beteiligt waren. Der allergrößte Teil unserer vertrauenswürdigen Beschäftigten macht tagtäglich seine Arbeit so, wie es ihre Kunden erwarten dürfen. Übrigens können die oben genannten Fälle nicht miteinander verglichen werden, da der Fall Wirecard wahrscheinlich auf ein kriminelles Verhalten des Vorstandes zurückzuführen ist und nicht auf Bank-Mitarbeiter.“
57 Prozent der Senioren haben von Banken eine gute Meinung
Pörner verweist auf Umfragen unter Kunden, die nach seiner Einschätzung auf ein funktionierendes Vertrauensverhältnis zu Bankberatern schließen lassen. Das Marktforschungsunternehmen Ipsos veröffentlichte im Juli dieses Jahres eine Studie zur Beziehung von Kunden über 60 Jahren zu ihrer Bank. Die repräsentative Meinungsumfrage entstand im Auftrag des Bankenverbandes. 90 Prozent der Senioren und 87 Prozent der unter 60-Jährigen gaben an, mit den Leistungen ihrer eigenen Bank zufrieden oder sehr zufrieden zu sein. 57 Prozent der Senioren haben laut der Erhebung eine gute oder sehr gute Meinung von Banken und Sparkassen. Auch sei während der Krise der Bedarf an persönlicher Beratung durch Bankmitarbeiter gestiegen, so Pörner. Für ihn ein „klarer Indikator für ein funktionierendes Vertrauensverhältnis“.
Zu den Einstellungskriterien für Beschäftigte im Finanzbereich sagt er: „Wenn wir Mitarbeiter einstellen, dann haben wir natürlich auch ihre Vertrauenswürdigkeit sorgfältig geprüft. Die Kreditwirtschaft hat seit der Finanzkrise – in der durchaus Vertrauen verloren gegangen ist – sehr viel investiert, um unsere Mitarbeiter weiter zu sensibilisieren, auch unsere Organisationskontrollen zu verbessern.“ Die Beratungsqualität sei wegen strengerer Regularien gestiegen. Pörner nennt als Beispiel die Wertpapierberatung. Seit 2018 ist eine überarbeitete Richtlinie – Mifid II – in Kraft, die eine persönliche Haftung des Beraters vorsieht, um potenzielles Fehlvermeiden zu verhindern.