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Studie spricht von 26 Milliarden SchadenKrankenstand treibt Deutschland in die Rezession

Lesezeit 3 Minuten
Köln: Industrieromantik vor Sonnenuntergang im Deutzer Hafen.

Deutschland droht eine Rezession.

Welche Branchen besonders betroffen sind und warum der Arbeitgeberverband zu mehr Härte bei einer leichten Erkältung mahnt.

Der hohe Krankenstand im vergangenen Jahr hat einer Studie zufolge maßgeblich zur schwachen Entwicklung der deutschen Wirtschaft beigetragen. Krankheitsbedingte Ausfälle von Arbeitnehmern hätten einen gesamtwirtschaftlichen Schaden von 26 Milliarden Euro verursacht, erklärte der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (VFA) am Freitag. Dies habe die Wirtschaftsleistung um 0,8 Prozentpunkte gedrückt.

Das bedeutet, dass die deutsche Wirtschaft andernfalls nicht in die Rezession gerutscht wäre. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts verringerte sich das Bruttoinlandsprodukt 2023 um 0,3 Prozent - „ohne die Ausfälle wäre das Bruttoinlandsprodukt leicht um 0,5 Prozent gewachsen“, erklärte der VFA.

Die deutsche Wirtschaft schwächele ohnehin im Vergleich zu den anderen Industrienationen, erklärte der Verband. „Bereits seit geraumer Zeit ist der Krankenstand so hoch, dass krankheitsbedingte Ausfälle nicht mehr ohne Weiteres mit den üblichen Mitteln wie Überstunden und Umstrukturierungen aufgefangen werden können.“

Industrie von Krankenstand stärker betroffen

Der VFA glaubt, dass die deutsche Wirtschaft auch wegen ihres großen Industriesektors von dem hohen Krankheitsstand besonders hart getroffen war. Die Experten gehen von potenziellen Einbußen der Industrie von bis zu zehn Milliarden Euro aus. „Dies entspricht rund ein Prozent der gesamten Wertschöpfung des industriellen Sektors“.

Die Ausprägung des Krankenstands war demnach je nach Branche sehr unterschiedlich. So fielen der Studie zufolge rund 70 Prozent des Produktionsausfalls aufgrund der Größe der jeweiligen Branchen im Fahrzeugbau, im Maschinenbau, in der Metall-, in der Elektro-, in der Pharma- und in der Chemieindustrie an. In der Metallerzeugung war der Krankenstand am höchsten.

„Die höchsten Fehl- und Krankenzeiten sind in den Kernbereichen der Industrie, Metall, Auto, Elektro, Chemie – die hohen Belastungen durch Schichtarbeit, Arbeitsintensität senken Immungrenze, machen anfälliger für die Verbreitung von Viren“, sagte Witich Roßmann, der Vorsitzende des DGB Köln dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Freitag.

Eine erschöpfte Gesellschaft muss sich Zeit zum Ausruhen nehmen
Witich Roßmann, DGB-Chef

Homeoffice als Vorbeugung sei hier nicht möglich. Viele Angestellte arbeiteten wegen hohem Verantwortungsbewusstsein, aber auch wegen Termindrucks, kurzen Projektfristen trotz Erkrankung und verbreiteten sie. „Eine erschöpfte Gesellschaft muss sich Zeit zum Auskurieren nehmen. Mensch vor Profit. Besser Rezession wegen Krankenstand als wegen schlechter Produkte und Technologien unserer Industrie“, so der Gewerkschaftsführer weiter.

Der Kölner Arbeitgeberverband bestätigt die Krankheitslage in den Betrieben. „Ja, wir haben in Deutschland einen viel zu hohen Krankenstand“, sagte Hauptgeschäftsführer Dirk Wasmuth dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Freitag. Dafür gibt es unterschiedliche Begründungen und Ursachen.

„Befeuert wird das Thema sicher durch die Möglichkeit einer telefonischen Krankschreibung. Wir müssen – gerade in Zeiten von Homeoffice - wieder mehr verstehen, dass es einen Unterschied zwischen einer leichten Erkältung und einer echten Arbeitsunfähigkeit gibt“, mahnt Wasmuth an.

Der Krankenstand ist nicht schuld an der Rezession
Dirk Wasmuth, Arbeitgeberverband Köln

Der Rezessionsthese widerspricht der Arbeitgebervertreter aber: „Der Krankenstand ist aber nicht schuld an der Rezession. Diese ist Ergebnis einer falschen bzw. fehlenden Strategie in der Wirtschaftspolitik unserer Bundesregierung“, sagt Wasmuth. Die Unternehmen litten unter den viel zu hohen Energiekosten, unter überbordender Bürokratie, zu langen Planungs- und Genehmigungsverfahren, einer zu hohen Steuer- und Abgabenlast und zu hohen Arbeitskosten.

„Zu den letzteren kommen eben auch die Kosten für Entgeltfortzahlung bei Krankheit. Dies alles führt zu Unsicherheit und Investitionszurückhaltung bei den Unternehmen. Wirtschaft und Arbeit brauchen wieder Vorfahrt“, so Wasmuth.

Die VfA-Forscher raten auch mit Blick auf den Fachkräftemangel dringend dazu gegenzusteuern, etwa mit Investitionen in den Gesundheitssektor und Präventionsmaßnahmen. „Würde der in den vergangenen zwei Jahren beobachtete Krankenstand die neue Normalität darstellen, stünde der deutschen Volkswirtschaft Arbeitskraft im Umfang von umgerechnet gut 350.000 Beschäftigten weniger zur Verfügung“, erklärten sie. „Dies sollte ein Land, das bereits jetzt mit den Problemen des demografischen Wandels zu kämpfen hat, nicht dauerhaft zulassen.“