Kölner Tiny HousesWas sich hinter den 20-Quadratmeter-Häusern verbirgt
Köln – Noch ist nicht viel von dem zu erkennen, was einmal jemandes Zuhause sein wird. Nur eine Platte liegt da, Holz mit verbautem Metallgestell, 7,20 Meter lang, 2,55 Meter breit. „Die Basis“, sagt Michael Heller. „Darauf wird alles Weitere aufgebaut.“ Denn mehr Fläche braucht es nicht, um ein Tiny House zu errichten.
Heller ist Geschäftsführer der Kölner Tiny House Manufaktur. In seiner Werkhalle baut der Tischler mobile Häuser mit einer Wohnfläche von gerade einmal 21 Quadratmetern, die Schlafebene unter dem Dach mitrechnet. In den kommenden Tagen wird sein Team das Ständerwerk aus Holz aufsetzen. Dann kommt der aufwendige Teil: Fassade, Fenster und Türen, der Innenausbau, die Möbel. Jedes Haus ist eine Maßanfertigung. Sechs bis acht Wochen dauert es, bis eines steht. „Es wäre wohl sinnvoll, den Leuten die Wahl zwischen fünf verschiedenen Modulen zu geben“, sagt Heller. „Aber das macht keinen Spaß.“
Interesse spürbar gestiegen
Als der Tischler vor rund sechs Jahren begann, Tiny Houses zu bauen, war das Interesse noch spärlich gesät. Rund eineinhalb Jahre vergingen damals bis zum ersten Auftrag. Heute bleibt Heller kaum noch Zeit für gewöhnliche Tischleraufträge. Das laufende Jahr ist schon fast ausgebucht. Denn das Interesse an den winzigen Häusern ist in den vergangenen Jahren – und nicht zuletzt in der Corona-Pandemie – stetig gestiegen. Dennoch bilden sie noch immer eine Nische. Der Tiny-House-Verband mit Sitz in Karlsruhe beziffert die Zahl der jährlich gebauten Tiny Houses auf mehr als 500, die der Hersteller auf mehr als 75.
Eines der bekanntesten Projekte in der Region ist das geplante „Tiny Village“ in Dortmund. Auf 15.000 Quadratmetern sollen an einem alten Sportplatz etwa 40 entsprechende Häuser entstehen. Derzeit wird noch der Bebauungsplan erarbeitet, doch Raumplaner Gerald Kampert sagte schon vergangenes Jahr im Gespräch mit dem Kölner Stadt-Anzeiger, man werde von Interessenten „überrannt“.
Keine Lösung für Wohnungsmangel
Ein Mittel gegen den akuten Wohnungsmangel in Städten wie Köln können die kleinen Häuser nicht sein – und das wollen sie laut Heller auch nicht. „Sie sind natürlich keine Lösung für fehlende Flächen. Dafür ist es sinnvoller, in die Höhe zu bauen oder nachzuverdichten.“ Für ihn sprechen vor allem ökologische Gründe für ein Tiny House. Wer hier einzieht, der reduziert sich räumlich, verbraucht weniger Energie, lebt in einem Haus aus nachhaltigen Baustoffen.
Darauf legt der Tischler wert: dass er ohne Lacke arbeite, nur mit Öl und Wachs, dass mit Lehmfarben gestrichen und mit Schafwolle gedämmt wird. Die Idee der Reduktion verbinde die Menschen, die bei ihm ein Haus kaufen. Ansonsten gebe es längst keine typische Klientel.
Die Kunden entstammen allen Alters- und Gesellschaftsschichten, vom Akademikerpärchen bis zum Arbeiter. Und sie nutzen die Häuser unterschiedlich: als Erstwohnsitz, als Ferienhaus oder Büro. Das Haus in seiner Werkstatt fertigt Heller für eine 68-jährige Frau an. Sie möchte sich fürs Alter reduzieren, ohne in eine Seniorenwohnanlage zu ziehen. Für sie wird Heller die Schlaffläche etwas niedriger bauen, damit sie auch im höheren Alter zugänglich bleibt.
Haus mit vielen versteckten Ecken
Die Zahlen, mit denen bei der Fertigung eines Tiny Houses hantiert wird, sind spürbar kleiner, als man sie sonst aus der Immobilienbranche kennt: die Fläche, die Dauer des Baus, der Preis, sofern man ihn in absoluten Zahlen denkt. 70.000 bis 90.000 Euro kostet ein typisches Tiny House bei Heller. „Aber wenn man das auf den Quadratmeter rechnet, sind das natürlich schon Innenstadtpreise“, sagt Heller. Die Individualität hat ihren Preis. Ausstattung, Dachform, Länge – alles flexibel. „Natürlich wäre es billiger, einheitlicher zu bauen.“ Mit der steigenden Nachfrage in der breiten Bevölkerung nehme auch herstellerseitig das Interesse zu, einen Niedrigpreissektor zu bedienen. „Aber dafür bin ich zu idealistisch.“
Auf dem Campingplatz am Waldbad in Köln-Dünnwald steht ein fertiges Tiny House, das zeigt, was auf 20 Quadratmetern möglich ist. Für 100 Euro die Nacht unter der Woche und 125 Euro am Wochenende können Interessenten sich dort einmieten. Es gibt eine Sitzecke, deren Sofa sich auf zwei Meter Länge ausziehen lässt. Eine Stufe der kleinen Treppe dient als versteckter Stauraum. Unter einer anderen Stufe verbirgt sich eine ausziehbare Arbeitsfläche. Die Schlafebene liegt unter dem Dach. Heller sagt, dass es sich bei diesem Haus um ein vergleichsweise altes Modell handle; wie ein Künstler, der betont, dass sein Frühwerk sich weiterentwickelt habe. „Technisch hat sich einiges verändert“, erklärt er, was für Laien kaum erkennbar ist.
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Die größten Hürden für die Bewohner liegen dann jedoch auch eher außerhalb der kurzen Wände. In der Region eine Fläche für sein Tiny House zu finden, ist legal kaum möglich. Zwar teilt die Stadt Köln schnörkellos mit, Tiny Houses könnten überall dort stehen, „wo andere Gebäude auch stehen“. Doch dafür bräuchte es entsprechendes Bauland. Denn die Miniaturhäuser müssen – trotz ihrer Mobilität – die Vorgaben der Landesbauordnung erfüllen, dazu die des Kreises und der Kommune. Auf die Frage nach etwaigen rechtlichen Änderungen verweist die Stadt Köln auf das Land – und das Land zurück auf die Kommunen.
Viele Tiny-House-Besitzer lebten in einer „grauen Legalität“, wie Heller es formuliert. Häufig lassen sie sich auf Campingplätzen nieder – auf denen man in Nordrhein-Westfalen offiziell nicht wohnen darf. „Auch die Kölner Stadtverwaltung dürfte gern ein bisschen offener neuen Wohnformen gegenüber sein“, sagt er.
Das Handeln folge hier einem eher unbequemen Teil des Kölschen Grundgesetzes: „Kenne mer nit, bruche mer nit“. In Köln stehen Tiny Houses derzeit zum Beispiel an den Poller Wiesen. Viel mehr ist da wohl nicht. „Wenn es in Köln oder Bonn einen Platz gäbe, wo man 50 Häuser hinstellen könnte, wäre der sofort ausgebucht.“