- Trotz Nachhaltigkeitsdebatte steigt die Menge an Verpackungsmüll in den vergangenen Jahren stark an.
- Schuld daran sind vor allem auch neue Essgewohnheiten und Verpackungsdesigns.
- Auf der Lebensmittelmesse Anuga werden Alternativen aus essbarem Seegras und Plastikmüll vorgestellt.
- Aber Umweltschützern reicht das nicht.
Köln – Auf dem London-Marathon, immerhin einem der bedeutendsten Marathonläufe weltweit, tranken die Läufer ihr Wasser in diesem Jahr auf ungewöhnliche Weise: Sie bekamen es in kleinen Hüllen aus essbarem Seegras gereicht. Ein Biss, ein Schluck, kein Müll. 200 000 Plastikflaschen sollen durch dieses System gespart worden sein. So erzählt es Nicole Jansen, Innovation Manager beim Marktforschungsunternehmen Innova Market Insights auf der Lebensmittelmesse Anuga. Dort, wo in diesem Jahr so viele über das Thema Verpackung sprechen.
Denn in der Welt der Lebensmittel prallen hier zurzeit zwei Trend-Themen aufeinander, die widersprüchliche Signale senden. Zum einen ist da der stetig wachsende Markt mit Convenience-Produkten: klein, portioniert, aufwendig verpackt. Zum anderen das größere Bewusstsein für Nachhaltigkeit, das genau diese Verpackungen eigentlich nicht zulassen dürfte.
Müllmenge wächst seit Jahren
Die Menge an Verpackungsabfällen wächst in Deutschland seit Jahren. Die aktuellsten Zahlen des Bundesumweltamts aus dem Jahr 2016 zeigen einen Verbrauch von 18,2 Millionen Tonnen im Jahr – im Vergleich zum Jahr 2000 entspricht das einem Anstieg von 20 Prozent. Als Grund dafür nennt die Behörde den wachsenden Convenience-Markt, die zunehmende Anzahl an Ein-Personen-Haushalten und die Art der Verpackungen: Immer häufiger werden Produkte doppelt eingepackt; die Verpackung übernimmt dann auch Dosier-, Portionierungs- und Handhabungsfunktionen.
Und trotzdem: Auf der Anuga spricht man viel über den Müll und wie man ihn reduzieren möchte: „Wir sind zu 99 Prozent aus recycelbarem Material“ steht auf einer Garnelenschale, „Recycle!“ in fetten Buchstaben am Stand eines Produzenten von Pizza-Pappkartons.
WWF kritisiert Koelnmesse
Die Umweltorganisation WWF hat Anuga-Veranstalter Koelnmesse und Schirmherrin Henriette Reker für die fehlende Erfassung von Abfallmengen kritisiert. „Die Koelnmesse GmbH und die Stadt Köln sollten als Vorbild agieren und das Thema Vermeidung von Lebensmittelabfällen und Kunststoffabfällen systematisch und nachvollziehbar vorantreiben“, sagte Tanja Dräger de Teran vom WWF in einem Statement. Messesprecher Guido Gudat sagte dazu, Messen seien „ressourcenintensive Veranstaltungen“. Man tue viel dafür, die Auswirkungen in engen Grenzen zu halten. Es gebe konkrete Reduktionsziele für anfallende Abfälle, Aussteller müssten verbindliche Anforderungen erfüllen. (elb)
Beim Verpackungshersteller Colpac heißt es: „Leading in Designing for the Environment“ (etwa: Führend darin, für die Umwelt zu designen). „Wir versuchen, so nachhaltig wie möglich zu sein“, sagt European Sales Manager Franziska Fandrich. Colpac stellt vor allem Verpackungen für Convenience-Produkte wie Sandwiches her, die meisten von ihnen aus Karton. „Aber es gibt viele unmögliche Aufgaben.“ Zum Beispiel, den Wunsch der Kunden nach Nachhaltigkeit mit ihrem Wunsch nach hoher Haltbarkeit der Produkte zu kombinieren. „Das geht aber oft nur mit weniger umweltfreundlichen Beschichtungen.“
Verpackung aus Plastikabfall
„Die Branche reagiert auf die Bedenken der Verbraucher“, sagt Marktforscherin Jansen. Nicht alles sei aber überall umsetzbar, auch wegen Sicherheitsvorgaben. Am Stand nebenan stellt Innova Market Insights innovative Verpackungsformen vor: wiederverschließbare Getränkedosen, Wein in PET-Flaschen, Shampoos, deren Verpackung zu 20 Prozent aus eingesammelten Plastikabfällen besteht und allerlei kompostierbare Materialien. Verpackungs-Frau Fandrich glaubt, dass auch Verpackungsmaterialien wie Zuckerrohr und Palmblätter weiter an Bedeutung gewinnen werden.
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Geht es nach der Umweltorganisation WWF, sollte allerdings zunächst an einem ganz anderen Punkt angesetzt werden: „Anstatt neue Verpackungsmöglichkeiten zu entwickeln, sollte man erstmal schauen, ob man nicht ganz auf sie verzichten kann“, sagt eine Sprecherin am Dienstag. „Mehrweg ist gut, aber nicht jedes Mehrwegsystem ist von vornherein ökologisch vorteilhafter." Es zahle sich immer dann aus, wenn ein Produkt „sehr viele Male verwendet“ würde. Außerdem müssten Transportwege kurz sein – je größer die Entfernung, desto geringer der ökologische Vorteil des Mehrwegsystems.