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Umstrittene Frauenquote„Da hat das Patriarchat wieder voll zugeschlagen“

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Die Soziologin Jutta Allmendinger ist eine prominente Verfechterin der Frauenquote.

Es gibt sie, die Frauen in Führungspositionen, die sich nicht von langen Anwesenheitszeiten ihrer Mitarbeiter beeindrucken lassen, sondern allein von deren Arbeitsergebnissen. Die selbst um 16.30 Uhr ihre Kinder aus der Kita abholen und daher weder mitbekommen noch goutieren, wenn im Büro ein Kollege meint, im Sinne seiner Karriere Tag für Tag bis in die späten Abendstunden Präsenz zeigen zu müssen. Es gibt sie, aber es sind bei uns in Deutschland nach wie vor zu wenige, um im Arbeitsleben nachhaltig etwas im Sinne der Frauen zu ändern.

Wobei – da geht es ja schon los. Frauen in Führungspositionen sind nicht nur im Sinne der Frauen. Diversität in Unternehmen verbessert die Diskussionskultur. Der nach Fachkräften lechzende Arbeitsmarkt braucht auch das Know-how der vielen gut ausgebildeten Frauen im Lande. Und eine Arbeitswelt, in der die Versorgung von Kindern oder alternden Angehörigen kein Ausschlusskriterium ist für verantwortliche Positionen im Job, täte unserer Gesellschaft insgesamt gut, also auch den Männern.

Frauen fordern seit Jahrzehnten mehr Einfluss, Macht, Sichtbarkeit und Gerechtigkeit. Doch es geht ermüdend langsam voran. Aktuell scheint ein bisschen Schwung in die Sache der Frauen zu kommen. Im Fußball, einer der Männer-Bastionen schlechthin, bekommt eine Frau an entscheidender Stelle das Sagen: Donata Hopfen wird Anfang des kommenden Jahres neue Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Fußball Liga (DFL).

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Und die scheidende Bundesregierung mit ja immerhin der ersten deutschen Kanzlerin hat es kurz vor knapp noch geschafft, dieses Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen: Eine zweite Version des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen, das so genannte FüPoG II, ist am 12. August in Kraft getreten. Eine zentrale Neuerung im Vergleich zur ersten Version von 2015: Damals war eine Frauenquote für Aufsichtsräte großer Unternehmen in Höhe von 30 Prozent gesetzlich festgeschrieben worden, nun gilt zusätzlich ein rechtlich verbindliches Mindestbeteiligungsgebot für Vorstände mit mehr als drei Mitgliedern. Das wird nicht die entscheidende Wende bringen, dafür sind zu wenige Unternehmen betroffen. Aber es ist ein klares Zeichen dafür, dass die Dinge sich ändern müssen. Dringend.

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Wir haben mit einer Frau und mit einem Mann über drei Knackpunkte im nötigen Veränderungsprozess gesprochen. Die Soziologie-Professorin Jutta Allmendinger leitet das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und vertritt bei öffentlichen Auftritten und in ihrem Anfang des Jahres erschienen Buch „Es geht nur gemeinsam. Wie wir endlich Geschlechtergerechtigkeit erreichen“ die Auffassung, dass es an der Zeit ist für eine Umsteuerung unserer Gesellschaft. Und dass diese uns alle angeht, Männer wie Frauen. Der Kölner Robert Franken berät Organisationen bei der digitalen Transformation, bezeichnet sich selbst als Feminist und ist der Meinung, dass in der Führungskräftefrage zu sehr auf die Frauen und zu wenig auf die systemischen Rahmenbedingungen geguckt werde. Bei vielen Unternehmen beobachte er noch immer, was der inzwischen verstorbene Soziologe Ulrich Beck schon 1986 mit diesen Worten ausdrückte: „Verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre.“

Frauen dürfen es nicht länger als Makel empfinden, Quotenfrau zu sein.

Franken: „Das Patriarchat hat dafür gesorgt, dass es quasi eine Menge Quotenmänner gab. Und jetzt, wo den Frauen qua Quote der Zugang zu bestimmten Monokulturen ermöglicht werden soll, soll das plötzlich ein Makel sein. Frauen reproduzieren dieses Narrativ und wollen keine Quotenfrauen sein. Das ist perfide und völliger Unsinn, da hat das Patriarchat wieder voll zugeschlagen.“

Allmendinger: „Als Universitätsprofessorin erlebe ich seit zwei Jahrzehnten immer wieder junge Studierende, die sagen: Wir sind die erste Generation, die die Quote nicht braucht, wir schaffen das so. Und fünf bis zehn Jahre später fordern sie die Quote dann doch. Zuletzt hat mich jedoch überrascht, dass ich nicht mehr auf diese Wand gestoßen bin. Da haben die Sozialen Medien wirklich etwas Gutes, sie schaffen Transparenz, viele Erfahrungsberichte zeigen, was sich im Verlauf eines Frauenlebens abspielt. Das Füpog II haben wir zusammen mit den vielen jungen Bloggerinnen durchbekommen. Wir haben Druck auf die Regierung ausgeübt, das war ein Zusammenwirken von Alt und Jung.“

Das Vorurteil, die Frauen wollen ja nicht, sie wollen sich ja lieber um Kinder und Familie kümmern, muss aus den Köpfen.

Franken: „Das ist das perfideste Narrativ, das momentan unterwegs ist. Wenn ich Frauen Führungspositionen anbiete und diese Angebote genauso aussehen wie jene, zu denen Männer immer Ja sagen, dann habe ich nichts gewonnen. Die Frau muss ja rechnen, was sie auf ihr sowieso schon vorhandenes Aufgabenpaket noch drauf packen kann. Frauen sind unendlich viel differenzierter als Männer, weil sie es müssen, weil das eine Überlebensstrategie für sie ist. Und der überwiegende Teil kommt dann zu dem Schluss, dass die Führungsposition unter diesen Bedingungen für sie nicht machbar ist. Wir brauchen dringend eine Norm-Verschiebung. Leistung durch Anwesenheit zu demonstrieren, das ist völlig überflüssig, davon müssen wir uns frei machen. So, wie es ist, kann es nicht weitergehen. Die Leute kippen ja rechts und links reihenweise um.“

Robert Franken

Allmendinger: „Es gibt genügend Frauen für alle diese Positionen. Das beste Argument gegen die Annahme, Frauen wollten ja nicht, sind Frauen, die ihre Jobs gut machen. Und die meisten Frauen in Führungspositionen machen ihren Job sehr gut. Im Moment sogar oft besser als Männer, was am Selektionseffekt liegt. Frauen, die heute in Führungspositionen kommen, sind dergestalt oft ausgesiebt worden, dass am Ende Frauen übrig bleiben, die in der Tat höhere Kompetenzen haben als viele Männer.“

Der „Gender Care Gap“ muss geschlossen werden.

Franken: „Die Sorgearbeits-Lücke zwischen den Geschlechtern kann nur geschlossen werden, wenn wir die Care-Arbeit aufwerten. Die Geburt eines Kindes führt bei uns dazu, dass Frauen aus dem Erwerbsleben gedrängt werden. Paare gehen als moderne Paare in den Kreißsaal und kommen als 1950er-Paare wieder raus. Wenn ich alles unverändert lasse, weil ich zu faul oder zu unwissend bin, um an den Systemen zu arbeiten, dann verschlimmere ich die Gesamtsituation.“

Allmendinger: „Wir stellen immer wieder fest, dass es die Lücke gibt, haben aber keinen Diskurs darüber, wie sie sich schließen soll. Wollen wir eine Gesellschaft, in der die Frauen so werden wie die Männer, eine Vollzeit-Erwerbstätigkeits-Gesellschaft für alle? Dann brauchen wir mehr Ganztagsschulen, mehr Kitas, müssen viel Care-Arbeit auslagern. Oder wollen wir eine Gesellschaft, in der sich Männer etwas mehr auf die Frauenleben zubewegen? Dann muss es bei der Elternzeit mehr Partnermonate geben, wir müssen die Teilzeit für Männer intensivieren, Ehegattensplitting, kostenlose Mitversicherung und 450-Euro-Jobs abschaffen. Ich befürworte dieses Modell und ich weiß nicht, warum unsere Politik da so uneindeutig ist. Es ist absurd zu denken, dass sich der Care-Gap schließt, wenn vor allem Frauen immer weiter zur Teilzeitarbeit gebeten werden. Eine 32-Stunden-Woche für Männer und Frauen würde helfen, die Fürsorgearbeit gerechter zu verteilen, ohne dass die Produktivität unseres Landes zurückgeht. Befragungen zeigen ja immer wieder, dass die jungen Männer eigentlich nicht so wie ihre Väter 40 Jahre lang rund um die Uhr arbeiten und nicht sehen wollen, wie ihre Kids aufwachsen.“