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Streit der WocheKommt uns auf gar keinen Fall mit Muttertag!

Lesezeit 5 Minuten
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(Symbolbild)

  1. Ist der Muttertag wirklich ein Tag zum Feiern?
  2. Auf gar keinen Fall, findet Claudia Lehnen, 41, Ressortleiterin NRW und Wochenende. Sie hat zwei Kinder und einen Patchworksohn. Den Muttertag will sie spätestens dieses Jahr aber abschaffen.
  3. Muttertag muss sein, findet dagegen Rebecca Häfner, 30, Redakteurin Ratgeber & Freizeit. Denn sie hat ihre Eltern seit sechs Monaten nicht mehr gesehen.
  4. Ein Pro und Contra.

Contra: Blumen, Briefe, Frühstück ans Bett. Alles schön und gut. Aber, liebe Frauen, und natürlich liebe Männer, dieses Jahr werden wir nicht gefühlsduselig werden. Auf gar keinen Fall! Wir werden uns nicht freuen über diesen Tribut, den man uns Müttern zollt und der in seiner gut gemeinten Geste nur die Opferrolle zementiert, in die uns diese Gesellschaft zwingt. Wir werden uns wehren! Wir wollen Freiheit, Gerechtigkeit und Geld! Die Lage ist zu ernst für Dankeskarten.

Die Corona-Krise trifft Mütter überproportional stark. Denn während noch im Mai die höchst systemrelevanten Biergärten eröffnen und in der Bundesliga zweiundzwanzig Männerbeine wieder das machen dürfen, was sie am liebsten tun, gibt es Familien, deren Kleinkinder nach dem Konzept der Landesregierung bis Anfang September zu Hause bleiben müssen. Natürlich, wir haben 2020, und Väter und Mütter könnten sich das mit der Betreuung teilen, arbeiten halt beide halbtags. Aber mal ehrlich: Wie viele Familien kennen Sie, in denen das komplett gleichberechtigt abläuft? In denen Sie im Homeoffice nicht gestört werden darf, und Er, während er die Telefonkonferenz mit den Zulieferbetrieben in Hongkong leitet, mit den Kleinen dividieren übt oder Kartoffeln schält? Auch wenn es rühmliche Ausnahmen gibt (die ich ermutigen will, jetzt bloß bei Verstand zu bleiben und nicht in alte Rollenmuster zurückzufallen): Nehmen die Belastungen zu Hause zu, sind es in der Mehrzahl die Frauen, die unentgeltlich einspringen. Und nur, falls es irgendjemand noch nicht bemerkt hat: Homeoffice ist da nicht die Lösung aller Probleme, wenn nebenbei eine Zweijährige Verstecken spielen will, ein Neunjähriger schriftlich multiplizieren muss und eine 16-Jährige Liebeskummer hat.

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Die Arbeitsmarktexpertin Jutta Allmendinger hat jüngst vorgerechnet, dass diese Monate der Krise Frauen drei Jahrzehnte auf dem Weg zur gleichberechtigten Verteilung von Geld kosten wird. Weil Frauen schon vor der Krise im Schnitt 4,43 Euro pro Stunde weniger verdienten als Männer, nehmen sie auch zu einem höheren Prozentsatz die Möglichkeit der Kurzarbeit in Anspruch. Und bekommen von dem Weniger noch weniger Kurzarbeitergeld. Und davon weniger Rente. Und dreimal dürfen Sie raten, wer nach der Krise befördert wird. Ein Tipp: Es wird nicht die Frau sein, die ein halbes Jahr kaum mitmischte, weil sie daheim Kochtöpfe und Hausaufgaben betreute.

Die Schere öffnet sich. „Strukturelle Geschlechterunterschiede“, wie Soziologen das nennen, verfestigen sich. Mühsam Erkämpftes wird zerstört. Willkommen in den 90ern, liebe Frauen. Erinnert ihr euch noch an das Gefühl, als ihr wie blöd gelernt habt, um im Abitur fünf Zehntel besser zu sein als alle Jungs, in der Diplomarbeit ebenfalls und nach all der Anstrengung dann doch der intellektuell höchst durchschnittliche Klassenclown von damals den gut bezahlten Job bekommen hat und ihr wegen eurer Eierstöcke nur einen Zeitvertrag? Wer jetzt zu Hause sitzt mit einer vollen Windel in der Hand statt mit einem dicken Monatsgehalt, der kann ruhig ein Déjà-vu haben. Kommt uns also auf gar keinen Fall mit Muttertag! Wir wollen ein vernünftiges Krisen-Betreuungskonzept. Und endlich Gerechtigkeit.

Claudia Lehnen

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Pro: Den Muttertag finde ich eigentlich furchtbar. Normalerweise. Alles nur eine Erfindung der Blumenindustrie, dachte ich bisher. Und was Deutschland betrifft, liege ich mit dieser Vermutung sogar richtig – am 13. Mai 1923 wurde hier der erste Muttertag gefeiert – initiiert vom „Verband Deutscher Blumengeschäftsinhaber“. Das Kalkül geht übrigens auf: In der Woche vor dem Muttertag haben wir Deutschen nach Angaben der Agrarmarkt Informations- Gesellschaft in den vergangenen Jahren je 160 bis 170 Millionen Euro allein für Schnittblumen ausgegeben. Es hat mich immer gestört, dass Frauen Blumen oder Pralinen kriegen, dann aber doch bitte wieder ihren Mutterpflichten nachkommen sollen und Männer am Vatertag traditionell ohne Kinder, dafür mit Bollerwagen und Alkohol durch die Straßen ziehen. Gleichberechtigt ist das ja wohl nicht.

Und dann: Habe ich meiner Mama dieses Jahr trotzdem ein Päckchen zum Muttertag geschickt. Schuld an meinem Umdenken ist das Coronavirus. Es hat all meine Pläne über den Haufen geworfen. Wäre 2020 ein ganz normales Jahr gewesen, hätte ich meine Eltern bereits im März kurz nach dem Geburtstag meiner Mutter in Mittelhessen besucht, sie hätten Ostern vielleicht hier bei meinem Freund und mir im Rheinland verbracht und ich wäre dieses Wochenende sicherlich in Hessen gewesen. Wegen der Ausbreitung des Virus und der damit verbundenen Kontaktsperre fielen Besuche aber ja nun flach – und wir haben uns nun zum letzten Mal an Weihnachten gesehen.

Natürlich können wir an jedem Tag zum Telefon greifen, um uns gegenseitig zu sagen, dass wir uns schätzen, dankbar füreinander sind. Das kann aber ein echtes Treffen nicht ersetzen. Und weil ich meine Mama vermisse, habe ich dieses Jahr ein Päckchen zum Muttertag verschickt. Als Zeichen der Dankbarkeit. Warum nicht zwischendurch, sondern ausgerechnet am Muttertag? Weil ich der Meinung bin: In diesen verrückten Wochen können wir alle kleine Freuden und Aufmerksamkeiten gut gebrauchen. Und deshalb möchte ich meiner Mutter gerade jetzt zeigen, wie dankbar ich für alles bin, was sie für mich getan hat.Ich persönlich habe darüber hinaus noch einen weiteren Grund: Vor einem Jahr ist mein Opa, ihr Vater, in der ersten Maiwoche gestorben. Ich will meiner Mutter deshalb jetzt zeigen, dass ich auch aus der Ferne in dieser schweren Zeit für sie da bin.

Zu guter Letzt finde ich die ursprüngliche Idee zum Muttertag schön. Sie stammt aus Amerika. 1870 rief Julia Ward Howe dazu auf, angesichts der Erfahrungen im Amerikanischen Bürgerkrieg, einen Tag des Friedens zu feiern. Fast 40 Jahre später griff Anna Jarvis die Idee des Muttertags wieder auf – um an die Opfer der Frauen zu gedenken, die sie für ihre Kinder gebracht haben, und um die Rechte der Frauen zu stärken.

Die vergangenen Wochen in der Krise haben uns allzu deutlich gezeigt, dass Männer und Frauen auch im Jahr 2020 noch nicht gleichberechtigt sind. Wir sollten den Muttertag deshalb feiern, um zu honorieren, was Mütter in dieser Krise leisten und Danke sagen. Und wir sollten diesen Tag als Chance nutzen, darauf aufmerksam zu machen, was sich in der Gesellschaft ändern muss, damit Mütter und Väter gleichberechtigt sind.Und deshalb denke ich an Anna Jarvis, an meine und alle Mütter und sage: Danke, Mama!

Rebecca Häfner