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678 Tonnen Plastik gesammeltMit diesen Anlagen kämpfen Kölner gegen Müll in den dreckigsten Flüssen der Welt

Lesezeit 3 Minuten
Ein TrashBoom des Kölner Start-ups Plastic Fischer, bestehend aus Auftriebskörpern aus PVC-Röhren, Stahlzaun und Stahlrahmen

Ein Prototyp eines Trash-Booms des Kölner Start-ups Plastic Fischer

Drei Kölner reisen 2018 nach Vietnam und sehen dort Flüsse voller Plastikmüll. Zurück in Deutschland sagen sie der Umweltverschmutzung den Kampf an.

„Wir machen das nicht für den Applaus und für die netten Worte, sondern wir machen das, um wirklich einen Unterschied zu machen“, sagt Karsten Hirsch. Der 31-Jährige ist Geschäftsführer des Kölner Start-ups Plastic Fischer. In den vergangenen vier Jahren hat Plastic Fischer nach eigenen Angaben 678.090 Kilogramm Plastikmüll aus indischen und indonesischen Flüssen geholt.

Alles habe mit einer Reise nach Vietnam 2018 begonnen. Dort habe Hirsch mit zwei Freunden Unmengen an Plastikmüll im Mekongstrom beobachtet. „Zurück in Köln haben wir festgestellt, dass es keine Firma auf der Welt gibt, die wir finden konnten, die sich auf Flüsse konzentriert, um Plastik im Ozean zu stoppen“, sagt Hirsch. Ein Jahr nach der Reise gründet Hirsch mit seinen Freunden Georg Baunach und Moritz Schulz Plastic Fischer. Ihr Ziel ist es, stark vermüllte Gewässer von ihrer Plastikfracht zu befreien.

Plastic Fischer: So stoppt das Kölner Start-up Plastikmüll in Flüssen

Plastic Fischer will den Plastikmüll mit sogenannten Trash-Booms in Flüssen stoppen, bevor er ins Meer gelangen kann. Trash-Booms, das sind Auftriebskörper aus PVC-Röhren, die Stahlzäune und Stahlrahmen halten. Die Trash-Booms werden dort, wo sie eingesetzt werden sollen, aus lokal verfügbaren Materialien hergestellt. Derzeit betreibt das Unternehmen 35 Trash-Boom-Systeme in stark vermüllten Flüssen in insgesamt fünf Städten Indiens und Indonesiens.

Ein TrashBoom-System des Kölner Start-ups Plastic Fischer in einem Fluss der indonesischen Stadt Bandung

Ein TrashBoom-System des Kölner Start-ups Plastic Fischer in einem Fluss der indonesischen Stadt Bandung

Bis auf Hirsch und Aviel Itzhak, technischer Geschäftsführer bei Plastic Fischer, arbeiten alle Mitarbeiter in Indien und Indonesien. Rund 70 Vollzeitkräfte beschäftigt das Kölner Start-up. Die meisten Mitarbeiter hätten ihr Geld vor ihrer Anstellung bei Plastic Fischer mit Tagesjobs verdient: „Sie waren jeden Tag auf der Suche nach irgendeiner Möglichkeit Geld zu verdienen und haben jetzt eben eine Vollzeitstelle und eine Krankenversicherung“, sagt Hirsch. Hirsch und Itzhak kümmern sich in Köln um die Unternehmensorganisation.

Die Trash-Booms werden senkrecht in einen Fluss eingesetzt und ragen rund 50 Zentimeter tief ins Wasser. „Das allermeiste Plastik schwimmt in den oberen 50 Zentimetern der Wassersäule. Das hat uns damals eine indonesische Uni bestätigt, die eine Studie dazu gemacht haben“, sagt Hirsch. Tiere, die im Fluss leben, könnten bei dieser Tiefe unter den Zäunen hindurchschwimmen. Aber jeder Fluss sei anders und dementsprechend würden die Längen auch mal etwas variieren, sagt Hirsch.

Ein Trash-Boom-System des Kölner Start-ups Plastic Fischer wird in den indischen Fluss Varuna eingesetzt

Ein Trash-Boom-System wird in den indischen Fluss Varuna eingesetzt

Durch die Strömung des Flusses wird der Plastikmüll an die Zäune getrieben und sammelt sich an der Wasseroberfläche. Die Mitarbeiter von Plastic Fischer sammeln diesen anschließend ein.

Covestro und Allianz finanzieren Müll-Entsorgung

Einmal eingesetzt, bleiben die Trash-Booms im Wasser. „Es ist ein passives Sammelsystem, das heißt, es wird eingesetzt, dann sammeln unsere Mitarbeitenden den Müll jeden Tag aus dem System ein. Und das bleibt so lange drin, wie der Fluss verschmutzt ist“, sagt Hirsch. Ungefähr einmal pro Jahr werden die Trash-Booms aus dem Wasser geholt, um deren Zustand zu prüfen und eventuelle Reparaturen durchzuführen.

Gepresster Plastikmüll aus Flüssen in einer Sortieranlage des Kölner Start-ups Plastic Fischer in Indien/Indonesien

Gepresster Plastikmüll aus Flüssen in einer Sortieranlage

Aus dem Wasser gefischt, wird der Plastikmüll vor Ort in eigenen Sortieranlagen getrennt – in recyclebare und nicht recycelbare Materialien. Recyclebares wie PET-Flaschen, Aluminium oder Glas wird an lokale Recycling-Unternehmen verkauft. Dadurch wird das Material zurück in die Wertschöpfungskette geführt. Nicht Recyclebares wird getrocknet, komprimiert und verbrannt.

Plastic Fischer wurde im vergangenen Jahr vom Weltwirtschaftsforum ausgezeichnet. Als „Top Innovator“ wurde das Kölner Start-up für seine Bemühungen, die Verschmutzung von Flüssen durch Plastik stoppen zu wollen, geehrt. Das Unternehmen hat 2022 einen Umsatz von 500.000 Euro gemacht. „Wir finanzieren unsere Arbeit über Unternehmen und Privatpersonen, die unsere Arbeit pro Kilogramm beziehungsweise Tonne Plastik, das wir rausholen, trocknen und verarbeiten, finanzieren“, sagt Hirsch.

Plastic Fischer stellt anschließend ein Zertifikat aus, das Unternehmen zum Beispiel in ihrem Nachhaltigkeitsbericht verwenden können. „Man kann es wie einen Plastik-Fußabdruck-Ausgleich verstehen“, sagt Hirsch. Laut Hirsch haben sich unter anderem bereits zwei Dax-Unternehmen mit einer Finanzierung bei Plastic Fischer beteiligt, der Kunststoffkonzern Covestro und die Versicherung Allianz.