Homeoffice boomt, doch nach Corona wollen Unternehmen Beschäftigte oft zurück ins Büro ordern. Studien sind unterschiedlicher Meinung.
„Eine gewisse Ernüchterung ist eingekehrt“Unproduktiv im Homeoffice? Studien mit unterschiedlichen Ergebnissen
Die Pandemie hat die Arbeitswelt verändert: Zuletzt lag der Anteil der gelegentlich daheim Arbeitenden dem Münchner Ifo-Institut zufolge bei 24 Prozent und damit immer noch mehr als doppelt so hoch wie vor dem Ausbruch des Coronavirus. Dabei dürfte es auch bleiben, und in vielen Chefetagen wachsen die Zweifel, ob das eine gute Sache ist – oder womöglich der Produktivität schadet.
Nicht selten gibt es bei dem Thema deshalb Streit mit Führungskräften. Dem Ifo-Institut zufolge hätten Beschäftigte in Deutschland gern 1,8 wöchentliche Homeofficetage – und bekamen zuletzt nur einen solchen Tag genehmigt. „Es klafft eine Lücke zwischen der Anzahl der von den Beschäftigten gewünschten und den von den Arbeitgebern geplanten Homeofficetagen“, sagt Mathias Dolls, stellvertretender Leiter des Ifo-Zentrums für Makroökonomik und Befragungen.
Weniger Quantität, weniger Qualität
Gut zwei Jahre nach den ersten Lockdowns liefern einige Studien den Skeptikern Argumente: In New York etwa konnte ein Team der US-Zentralbank Fed jüngst nachweisen, dass Callcenterbeschäftigte durch den Wechsel ins Homeoffice messbar weniger produktiv wurden. „Remote Work reduziert nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität der Calls“, beobachteten die Ökonomen außerdem – und revidierten deshalb eine eigene, frühere Studie zum gleichen Thema.
Riesig war der beobachtete Effekt indes nicht, schlussendlich schätzten ihn die Fachleute auf etwa 3 Prozent weniger Leistung. Einer der Knackpunkte sei, dass Beschäftigte daheim bei Problemen nicht so schnell wie im Büro Rücksprache halten könnten. Es ist nur einer von mehreren Nachteilen, die das Homeoffice mit sich bringt: Weitere Studien belegen, dass die Kreativität unter dem Mangel an Austausch mit Kollegen leidet. Oder dass etwa die elektronische Kommunikation nachweislich mehr Aufwand mit sich bringt als ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht.
„Andere Untersuchungen zeigen hingegen, dass Beschäftigte zu Hause zufriedener und deshalb auch produktiver sind“, betont aber Hannes Zacher, Organisationspsychologe an der Universität Leipzig. Er kennt viele der Homeofficestudien, die seit den ersten Lockdowns auf den Weg gebracht wurden. „Der Forschungsstand ist heterogen, teils auch widersprüchlich“, sagt Zacher.
Homeoffice mit Augenmaß
Nach seiner Einschätzung ist die Produktivität in den eigenen vier Wänden vom Einzelfall abhängig. Teamarbeit funktioniere daheim eher schlecht, für konzentrierte individuelle Arbeitsphasen sei das Homeoffice dagegen sehr gut geeignet, meint Zacher. Eingesparte Pendelzeiten erhöhten sogar die Produktivität.
Probleme bereite das Homeoffice hingegen Berufseinsteigern und Neuzugängen. Studien hätten zudem gezeigt, dass Extrovertierte im Homeoffice eher leiden würden. „Wer nicht gern selbstständig arbeitet, kam zu Hause ebenfalls nicht gut zurecht“, sagt Zacher. „Wichtiger als Charakterfragen ist aber die Ausgestaltung der Arbeit zu Hause.“
Einen Anlass für die flächendeckende Rückkehr ins Büro sieht Zacher in den neueren Studien denn auch nicht: „Reine Präsenzarbeit ist nicht mehr zeitgemäß, der Trend geht zum Augenmaß“, sagt er – und meint damit das, was in vielen Unternehmen schon Einzug gehalten hat: Ein paar Arbeitstage werden daheim verbracht, dann folgen gemeinsame Teamtage im Büro.
Beschäftigte wollen mehr Homeoffice
„Eine solche Flexibilität ist vernünftig, und Führungskräfte tun gut daran, dabei auch voranzugehen“, sagt Zacher. Zugleich geht er davon aus, dass längst nicht alle Beschäftigten dauerhaft zu Hause arbeiten wollen. „Insgesamt ist schon eine gewisse Ernüchterung eingekehrt, viele Beschäftigte finden die Arbeit im Büro wieder attraktiver, nicht zuletzt wegen der sozialen Komponente“, hat auch er beobachtet.
Das Ifo-Institut hat in seiner Untersuchung auch zutage gefördert, dass Deutschland bei der Homeofficenutzung im internationalen Vergleich im Mittelfeld liegt. In den USA, wo die Wissenschaftler den Produktivitätsnachteil nachwiesen, arbeiteten Beschäftigte doppelt so viele Tage wie in Deutschland in den eigenen vier Wänden. Womöglich liegt das daran, dass sich so auch Kosten für Büroflächen einsparen lassen – was insbesondere dem US-Markt für Büroimmobilien zunehmend zu schaffen macht. (rnd)