Veranstalter wollen Provisionen zurückKölner Reisebüros stemmen sich gegen die Pleite
- Die Corona-Krise trifft vor allem die Reisebranche mit voller Wucht. Besonders Reisebüros stehen nun vor dem Aus, denn Veranstalter fordern Provisionen in Millionenhöhe zurück.
- Der Reisebüro-Verband wehrt sich dagegen, dass die Firmen für ihre geleistete Arbeit nun nicht bezahlt werden sollen.
- Zwei Kölner Reisebüro-Betreiber berichten von den Sorgen, die sie nun umtreibt und ob sie es durch die Krise schaffen.
Köln – Reise- und Tourismusunternehmen gehören zu jenen Firmen, die die Corona-Krise am stärksten trifft. Während globale Warenströme weitgehend aufrechterhalten bleiben, sind Landesgrenzen für Reisende faktisch geschlossen. Millionen abgesagte Reisen sind das Ergebnis, das die ganze Branche trifft.
Während Einnahmeverluste ausnahmslos Veranstalter, Fluglinien und Reisebüros treffen, müssen Letztere aktuell mit einer besonders schwierigen Herausforderung kämpfen: Veranstalter wie Tui oder DER Touristik holen sich für abgesagte oder stornierte Reisen die Provisionszahlungen zurück, die sie den Reisebüros für die Vermittlung gezahlt haben. Jene, die Provisionen erst nach Reiseantritt auszahlen, stornieren die geplanten Überweisungen.
Ohne Bezahlung Reisen vermittelt
Faktisch bedeutet das Vorgehen, dass Reisebüros Wochen und Monate ohne Bezahlung Reisen vermittelt haben. „Für die getane Arbeit bekommen die Reisebüros jetzt nicht einen Cent“, sagt Marija Linnhof vom Verband unabhängiger selbstständiger Reisebüros (VUSR) im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Es gehe um einen dreistelligen Millionenbetrag, der den Firmen nun entgehe.
„Uns fehlt dadurch ein fünfstelliger Betrag“, sagt Nicole Siefen, die in Köln das Südstadt-Reisebüro betreibt: „Das ist das, was ich gebraucht hätte, um die laufenden Kosten zu bewältigen.“ Das Überleben in der Krise gestaltet das Vorgehen der Reiseveranstalter nun deutlich schwieriger. Auch Siefen kann noch nicht absehen, ob ihr Reisebüro die Zeit überstehen werde. Die Soforthilfe in Höhe von 9000 Euro reiche sicher nicht aus. „Es ist ja nicht nur so, dass wir nichts verkaufen können“, sagt Siefen, „Wir kriegen nicht einmal mehr das bezahlt, was wir geleistet haben.“
„Wir sind das schwächste Glied“
Jochen Volland vom Kölner Reisebüro Teddy Travel erwartet erst Anfang April die Abbuchungen der Reiseveranstalter. „Ich vermute, dass es eine hohe fünfstellige Summe wird“, sagt Volland, der seit 36 Jahren Reisen vermittelt. Dagegen vorgehen kann er nicht, denn gesetzlich ist das Vorgehen vollkommen in Ordnung. Lasse er die Lastschrift zurückgehen, verliere er den Auftrag des Veranstalters, sagt Volland: „Wir sind das schwächste Glied.“
Für seine zwei Angestellten habe er bereits Kurzarbeit angemeldet, nur seinen Auszubildenden müsse er aktuell weiter bezahlen. Doch auch diese Kosten seien schwer zu stemmen, wenn Einnahmen komplett ausbleiben, so Volland.Dass die Krise so unverschuldet über sie gekommen sei, „ist für mich besonders schlimm“, sagt Siefen. Sowohl ihr als auch Volland und Linnhoff stößt unterdessen sauer auf, dass die Veranstalter ihrerseits darauf drängen, Kunden für stornierte Reisen Gutscheine ausstellen zu dürfen statt Geld zurückzahlen zu müssen
Einen solchen Vorstoß machte der Deutsche Reiseverband (DRV), nachdem bereits Teile der Bundesregierung eine entsprechende Regelung begrüßt hatten. So hatte der Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek (CDU), Koordinator für Luftfahrt, diesen Vorschlag unterbreitet. Auch Thomas Bareiß (CDU), Wirtschaftsstaatssekretär und Tourismusbeauftragter der Bundesregierung, sagte, eine Gutscheinlösung könne die Liquidität der Reiseveranstalter sichern.
„Verbraucher dürfen nicht gezwungen werden“
Ob er es für richtig halte, dass Reisebüros wiederum von den Veranstaltern die Liquidität entzogen werde, beantwortet Bareiß nicht. Die Bundesregierung habe die Belange aller im Blick, teilt eine Sprecherin mit und verweist auf die Hilfsprogramme des Bundes.
„Die Verbraucher dürfen nicht gezwungen werden, der Reisebranche einen Kredit zu gewähren, wenn sie selber das Geld für anderes wie Miete oder Lebensmittel einsetzen wollen“, meint die Mobilitätsexpertin des Verbraucherzentrale Bundesverbands Marion Jungbluth: „Das wäre unfair und gerade für Menschen mit kleinen Einkommen eine nicht zu verantwortende soziale Härte.“ Gutscheine für ausgefallene Reisen müssten freiwillig bleiben.
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VUSR-Chefin Linnhof sagt, es sei nicht gerecht, dass die einen Gutscheine ausschreiben, andere aber zahlen müssten: „Im Gegenzug könnten wir den Veranstaltern auch Gutscheine ausschreiben“, sagt sie und kündigt an: „Die Provisionen, die wir Reisebüros jetzt zurückzahlen müssen, fordern wir von der Bundesregierung zurück. Wir erwarten, dass wir für unsere Arbeit bezahlt werden.“
Linnhof glaubt, dass viele Reisebüros die Krise nicht überstehen werden: „Ich gehe davon aus, dass es zunächst 20 Prozent trifft. Je länger die Krise dann dauert, desto mehr müssen aufgeben.“ Jochen Volland ist überzeugt, dass es sein Reisebüro Teddy Travel auch noch gibt, wenn Reisen wieder möglich sind. Dafür hat er sein privates Geld in die Firma investiert: „Ich werde es schaffen, weil ich 80 Prozent meiner gerade erst ausgezahlten Lebensversicherung ins Unternehmen stecken kann. Dieses Glück haben andere nicht.“