„Verheerendes Signal der USA“NRW-Firmen erwarten Richtungswechsel von Biden
Köln – Weite Teile der Wirtschaft in Deutschland und Nordrhein-Westfalen haben angesichts der Wahl Joe Bidens zum nächsten Präsidenten der USA klare Erwartungen an das Land gerichtet. Sie fordern nicht weniger eine Abkehr von der bisherigen Politik. Doch es bestehen Zweifel, dass der kommende US-Präsident dabei mitmacht.
So sagte Nicole Grünewald, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer Köln (IHK), die regionale Wirtschaft brauche wieder Verlässlichkeit in den Handelsbeziehungen zu den USA. Das Land sei der wichtigste Exportpartner für Deutschland, „deshalb hängen viele Existenzen an funktionierenden Wirtschaftsbeziehungen“, so Grünewald.
„Nicht alles Gold, was glänzt“
„Wir erwarten vom neuen US-Präsidenten Joe Biden eine besser berechenbare Politik, die auch die transatlantischen Partner in Europa wieder stärker einbindet“, sagte auch Karl Haeusgen, Präsident des Verbands deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA). Obwohl die Wahl Bidens gut sei für die Beziehungen zwischen USA und Europa, sei „nicht alles Gold, was glänzt“, sagte der VDMA-Chef. „Denn der neue US-Präsident dürfte in Teilen die protektionistische Handelspolitik seines Vorgängers fortsetzen.“
Arndt Kirchhoff, Präsident des Arbeitgeberverbandes Unternehmer NRW, sagte, die unruhige Partnerschaft zwischen Deutschland und den USA sei „auch an unseren Unternehmen nicht spurlos vorübergegangen“.
IHK-Chefin Grünewald drückte das in Zahlen aus: „Ein Drittel der exportierenden Unternehmen in unserer Region hat im vergangenen Jahr Handelshemmnisse beim US-Geschäft gespürt – und mehr als die Hälfte waren direkt oder indirekt von den US-Strafzöllen auf europäische und chinesische Waren betroffen.“
„Auch deutsches Know-how kann beitragen“
„Es ist jetzt wichtig, dass Europa und Amerika nun ein neues Miteinander entwickeln, um die großen Herausforderungen etwa bei der Bewältigung der weltweiten Pandemie, bei der Digitalisierung und im Klimaschutz gemeinsam anzugehen“, sagte Kirchhoff. Zu den Erwartungen an den gewählten US-Präsidenten gehöre eine „Abkehr von der zutiefst protektionistischen Wirtschaftspolitik“. Diese sei ein „verheerendes Signal der größten Wirtschaftsnation der Welt“ an marktwirtschaftlich organisierte Länder gewesen, so Kirchhoff. „Die USA stehen nach wie vor in einem riesigen Investitionsstau in den Kernbereichen ihrer Industrie. Auch deutsches Know-how kann dazu beitragen, ihn zu beheben – etwa im Maschinenbau, in der Elektroindustrie und in der Automobilindustrie.“
Der Leverkusener Chemiekonzern Covestro verbindet mit dem Wahlergebnis ebenfalls die „Hoffnung auf einen politischen Kurswechsel im Weißen Haus“. „Nach vier Jahren nationaler Abschottung und Schwächung der internationalen Ordnung ist es in vielerlei Hinsicht wünschenswert, dass die USA wieder auf eine konstruktive Strategie gerade in der Handels- und Klimapolitik einschwenken“, sagte ein Sprecher dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Die Region USA, Kanada und Mexiko war 2019 für rund ein Viertel des Covestro-Umsatzes verantwortlich. Einen ähnlichen Stellenwert nimmt Nordamerika für Lanxess ein, der Kölner Spezialchemiekonzern machte dort im dritten Quartal 2020 ebenfalls rund 25 Prozent seines Umsatzes. Vor drei Jahren betrug der US-Umsatzanteil noch knapp 19 Prozent.
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Lanxess-Chef Matthias Zachert stimmte in die Forderungen nach einer Abkehr von der US-Abschottungspolitik ein und erwartet darüber hinaus Anstrengungen der USA beim Thema Klimawandel. Das von Lanxess ausgegebene Ziel, bis 2040 klimaneutral zu sein, sei nur möglich, „wenn die Bedingungen in den Ländern, in denen wir tätig sind, das möglichen machen“, so Zachert. „Daher freut es uns, dass Joe Biden den Klimaschutz bereits jetzt zur politischen Priorität erklärt hat.“