Die deutsche Wirtschaft steckt in der Krise, das Geschäft der großen Reiseveranstalter aber boomt. Wie kann das sein?
Von Wirtschaftskrise keine SpurKölner Reiseveranstalter Dertour verzeichnet Rekordnachfrage
In diesen Tagen stellen die großen deutschen Reiseveranstalter ihre Geschäftszahlen für die abgelaufene Urlaubssaison vor, die im Oktober zu Ende ging. Gleichzeitig geben sie einen Ausblick auf das kommende Jahr – und eilen von Rekord zu Rekord. Während die Konjunktursorgen steigen und die Wirtschaft lahmt, ist die Reiselust der Deutschen scheinbar ungebrochen.
Die Kölner Rewe-Group-Tochter Dertour verzeichnet ein Fünftel mehr Gäste im abgelaufenen Geschäftsjahr, inzwischen seien die Buchungszahlen auf Vor-Corona-Niveau. Was auffällt: Die Deutschen buchen nach der Coronapause wieder mehr Fernreisen. Die Nachfrage auf der Fernstrecke sei um 37 Prozent gestiegen, teil Dertour mit. Das sei auch ein Grund für das deutliche Umsatzplus: Der Reiseveranstalter erlöste ein Drittel mehr als im Vorjahr.
Mehr Fünf-Sterne-Hotels und längere Urlaube
Hinzu kommt, dass die Deutschen immer mehr Fünf-Sterne-Hotels buchen. Die Buchungen in diesem Segment nahmen um knapp 40 Prozent zu, was unter anderem an der Wahl der Reiseziele liegt: Einen hohen Zuwachs an Gästen verzeichneten auch die Türkei (plus 51 Prozent), Ägypten (plus 40 Prozent) sowie die Vereinigten Arabischen Emirate (plus 52 Prozent) und Thailand (plus 48 Prozent).
Auch für den kommenden Sommer rechnet der Reiseveranstalter mit Buchungseingängen auf Rekordniveau. Schon jetzt sei ein Gästewachstum von 21 Prozent gegenüber dem bereits sehr starken Sommer 2024 zu vermelden, heißt es: „Noch nie wurden Sommerurlaube so früh so stark gebucht wie für den Sommer 2025“, sagt Dertour-Geschäftsführer Mark Tantz. Ein Grund seien Frühbucherrabatte von bis zu 45 Prozent, mit denen sich die Gäste die besten Tarife sichern. „84 Prozent der Sommerurlaube wurden in 4- und 5-Sterne-Hotels gebucht, und 61 Prozent unserer Gäste haben sich für All-inclusive-Urlaub entschieden“, sagt Tantz. „Das heißt, unsere Gäste legen Wert auf Qualität und gönnen sich auch etwas, sind aber gleichzeitig kostenbewusst und sichern sich durch eine frühe Buchung bestmögliche Preise.“ All-inclusive-Urlaube seien vor allem bei Familien beliebt, die so vor Reiseantritt genau über die Kosten der Reise Bescheid wüssten.
Laut dem Deutschen Reiseverband haben für 2025 schon jetzt mehr Menschen ihren Sommerurlaub gebucht als zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr. Das Fernweh der Menschen wird auch durch die schlechte wirtschaftliche Lage im Land kaum gebremst. Das Reisen sei den Deutschen enorm wichtig, betonte Tantz. „Sie reisen unabhängig davon, wie die wirtschaftlichen Gegebenheiten im Land sind. Und die Gäste buchen immer längere Urlaube.“ Derzeit würden im Schnitt zehn Tage im Urlaubsort gebucht, vor der Corona-Pandemie seien es noch achteinhalb gewesen.
Tui verzeichnet Gewinnsprung
Am Mittwoch hatte auch der größte deutsche Reiseveranstalter Tui einen Gewinnsprung im Geschäftsjahr 2023/24 bekanntgegeben. Der Überschuss fiel fast zwei Drittel höher aus als im Vorjahr, Konzernchef Sebastian Ebel rechnet auch 2025 mit weiteren Zuwächsen. Die schwache Konjunktur und Sorgen um die Zukunft täten der Reiselust keinen Abbruch, sagt Ebel. „Wir haben das immer wieder erlebt, auch in konjunkturell schwierigeren Situationen, dass die Kunden verreisen wollen, Urlaub machen wollen.“ Das sehe man auch an den Buchungszahlen: Aktuell seien bereits 62 Prozent des Winterprogramms verkauft, für den Sommer 2025 liege man bei 17 Prozent.
Dank sieben Prozent mehr Gästen und höherer Preise entfiel nach den zwölf Monaten bis Ende September auf die Aktionäre ein Überschuss von 507 Millionen Euro und damit fast zwei Drittel mehr als ein Jahr zuvor. Gefragt seien vor allem Ziele rund ums Mittelmeer. Die Kanarischen Inseln seien im Winter gut gebucht. Und: „Mallorca wird im Sommer voll werden.“ Kunden sparen dabei auch nicht: Wer bereits gebucht habe, gebe derzeit im Schnitt drei bis fünf Prozent mehr für den Urlaub aus als vor einem Jahr. Manche Urlauber würden allerdings auch auf günstigere Reiseziele umschwenken. Statt Spanien werde dann Ägypten, Tunesien oder Bulgarien gebucht.
400.000 zusätzliche Gäste nach FTI-Pleite
Was die Buchungszahlen ebenfalls steigen lässt, ist die FTI-Pleite. Der bislang drittgrößte Reiseveranstalter nach Tui und Dertour hatte im Juni Insolvenz angemeldet und kurz danach alle bereits gebuchten Reisen storniert. „Wir rechnen insgesamt mit 400.000 zusätzlichen Gästen, die von FTI zu uns kommen“, sagte Dertour-Chef Tantz. Man verzeichne bei einzelnen Ländern wie etwa Ägypten oder den Vereinigten Arabischen Emiraten ein „überproportionales Gästewachstum“. Auch Branchenführer Tui berichtet von steigenden Buchungszahlen. Die Zuwächse durch die FTI-Pleite fielen aber geringer aus als erwartet, hieß es dort. (mit dpa)