Wagyu-RinderZwei Bauern aus Brandenburg verkaufen das teuerste Fleisch der Welt

Ronald Haake im Stall mit seinen schwarzen Rindern.
Copyright: Höhne, Havel Wagyu
Kuhlhausen – Das frische Stroh liegt wadentief im Stall, durch Lichtfirste im Dach fällt helles Tageslicht, frische Luft zieht durch offene Tore. Bullen, Kühe und Kälber stehen und liegen, saufen und fressen. Die Fläche bietet allen Tieren ausreichend Platz zum Drehen und Wenden – wem es dennoch zu eng wird, der verzieht sich nach draußen. Es sind kostbare Rinder, die Landwirt Ronald Haake so pflegt und hegt: Sie heißen Wagyu.
Die komplett schwarzen Tiere liefern ein besonders zartes Muskelfleisch, das mit feinen Fettäderchen durchzogen ist. Für ein Kilogramm zahlen Liebhaber bis zu 150 Euro. Es ist das teuerste Fleisch der Welt. Im Dorf Kuhlhausen, an der Landesgrenze von Sachsen-Anhalt und Brandenburg, sitzt mit dem Betrieb „Havel Wagyu“ einer der größten Züchter Deutschlands.
Tischler wurde Bauer
Der Hof von Ronald Haake und seinem Geschäftspartner Andreas Schröder liegt an einem Weiher. Eine Schotterstraße führt zu den roten Backstein-Gebäuden, wie sie im Havelland allerorten zu sehen sind. Haake, 47 Jahre alt, trägt Jeans, Turnschuhe und Pullover. Nach der Deutschen Einheit erhielten seine Eltern ehemals zwangskollektiviertes Land zurück. Zusammen mit der Familie Schröder richteten sie einen Bauernhof mit 160 Hektar Acker und 140 Hektar Grünland ein.
Der gelernte Möbeltischler Ronald Haake übernahm 1999 die elterlichen Anteile. Es war die Zeit der BSE-Krise. Die Preise für Rindfleisch stürzten ab und jeder Landwirt musste sich überlegen, ob sich die Rindermast für ihn noch lohnt. Auch Haake und Schröder suchten nach Alternativen. Damals sahen sie einen TV-Beitrag über einen holländischen Wagyu-Züchter. Doch um die teureren Rinder zu erwerben, fehlte das Kapital. „Wir recherchierten dann die Adresse von australischen Züchtern, die Embryos verkaufen.“ Sie überwiesen einen niedrigen fünfstelligen Betrag nach Down Under und erst Monate später erhielten sie 30 in flüssigem Stickstoff tiefgefrorene Embryos, die in Fleckvieh eingesetzt wurden. Daraus gingen elf Kälber hervor – davon zwei weibliche. „Das war unser Grundstock“, erzählt Haake.
Nur die männlichen Tiere werden geschlachtet
Eines der ersten Tiere, die Kuh „Naomi“, steht noch heute im Stall. Haake gibt jedem Rindvieh einen Namen. Er zeigt auf Ito San, Seika oder Seiko. Für Außenstehende sehen sie gleich aus. Doch der Landwirt zeigt, wie unterschiedlich allein die Kopfform bei den einzelnen Rindern ist. Nur die männlichen Tiere werden geschlachtet, die weiblichen werden für die eigene Zucht verwendet. Die Herde ist auf inzwischen 64 Wagyu angewachsen. Die meiste Zeit des Jahres stehen die Tiere auf den Weiden – nur die Wintermonate verbringen sie im Stall.
Das schwarze Fell einiger Tiere leuchtet regelrecht. Haake sagt: „Die haben sich ja auch gebürstet.“ In den Stallanlagen befinden sich automatische Bürsten, die riesigen Schuhbürstanlagen ähneln. Von Zeit zu Zeit traben die Tiere darunter und der rote, rotierende Bürstenkopf befreit das Fell von Insekten und Pflanzenresten. „Das lieben alle Rinder“, sagt der Bauer. „Heute kann ich nicht mehr nachvollziehen, wieso wir solche Bürsten nicht schon immer hatten.“
Durch die Haltung der Wagyu hat sich Haake intensiv mit dem Thema Tierwohl beschäftigt. Zunächst stand dabei das Thema Gesundheit im Vordergrund, um einen ordentlichen Schlachtpreis zu erzielen. „Bei mir hat das aber auch dazu geführt, insgesamt über die Haltung nachzudenken.“ Ein höherer Preis würde auch bei anderen Rinderarten dazu führen, dass die Tiere ein besseres Leben haben. Gefüttert werden die Wagyu im Stall nur mit Heu und Korn aus dem eigenen Anbau. Drei Jahre werden die Bullen bis zur Schlachtung gehalten – bei Fleckvieh sind es nur 18 Monate.
Die Kühlkammer ist wie eine Schatzkammer
„Gerade bei den ersten Tieren hatte ich einen dicken Kloß im Hals, als wir sie zum Schlachter gefahren haben“, sagt der Bauer. Heute lässt er pro Jahr fünf bis sechs Tiere schlachten – immer ist er auch selbst mit dabei. Der Großteil des Fleisches wird exklusiv an das Restaurant Schmokenberg in Havelberg verkauft. Die dortige Küche ist für ihre Wagyu-Gerichte bekannt – die Gäste kommen aus ganz Nordost-Deutschland.
Haake verkauft am Hof aber auch direkt. Von der Kühlkammer erzählt er wie von einer Schatzkammer. Für die Stammkunden stellt er nach jeder Schlachtung Pakete zusammen, die unter anderem aus Rouladenfleisch, Nacken und Hüfte bestehen, Edelteile wie Filets werden extra vermarktet. Haake nimmt aus dem Regal zwei Roastbeefs und legt sie auf einen Edelstahltisch. Mit dem Finger fährt er über das stark marmorierte Fleisch. Die meisten Kunden kommen aus dem Raum Berlin. Doch auch im Dorf gebe es Menschen, die die besonderen Stücke schätzen. Viel Ware liegt nicht mehr im Kühlraum. „Die Nachfrage ist so hoch, dass wir nicht alle Anfragen erfüllen können“, sagt Haake.
150 Züchter in Deutschland
Als Haake anfing, gab es in Deutschland vielleicht ein Dutzend Züchter. Er hat 2008 den Wagyu-Verband Deutschland mit anfangs acht Mitgliedern mitgegründet. Inzwischen hat sich die Zahl auf 150 erhöht – ein Drittel davon betreibt die Haltung jedoch nur als Hobby. Haake ist inzwischen zum Wagyu-Experten geworden. Mehrmals hat er große Farmen in Australien besucht und bietet in Deutschland bei Auktionen mit. „Wir wollen den Genpool in unserer Herde vergrößern“, sagt er.
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Den Schritt vom Tischler zum Landwirt hat er nicht bereut. Der Ackerbau mit Saat, Pflege und Ernte von Roggen, Weizen oder Raps nimmt viel Zeit in Anspruch. Haake und Schröder bewirtschaften den Betrieb nur zu zweit. Dennoch schaut der Landwirt auch jeden Tag auf die Wiesen zu seinen Rindern, nimmt sich eine Stunde Zeit, um sie zu beobachten. Nur so kann er frühzeitig Krankheiten erkennen. Vor allem morgens ist er gern unterwegs, wenn der Nebel über dem Weideland aufsteigt. Haake hat den Sonnenaufgang bei den Rindern schon hunderte Mal erlebt und findet es immer wieder aufs Neue schön.
Kobe-Rind kommt nur aus Japan
Wagyu ist eine besondere Rinderrasse, die ihren Ursprung in Japan hat. Einst wurden die Tiere häufig für die Ackerwirtschaft genutzt. Sie verhalten sich eher ruhig, sind nicht aggressiv. Die Rinder sind meist schwarz, es gibt aber auch rote. Noch bekannter ist die Rasse unter dem Namen „Kobe-Rind“, allerdings gehören nur Rinder dazu, die aus der Umgebung der japanischen Region Kobe kommen.
Der Name Kobe-Rind oder Kobe-Fleisch unterliegt einem strengen Gebietsschutz. Um das Kobe-Rind ranken sich alle möglichen Mythen und Geschichten. Die Rinder sollen massiert werden und erhalten Bier. Massiert werden die Kobe-Rinder jedoch nur, wenn die Auslaufflächen nicht ausreichen, was die Entstehung der Fett-Marmorierung unterstützen soll. Das Fett ist es auch, dass dem Fleisch den satten, vollen Geschmack gibt. Für dieses spezielle Wagyu-Rindfleisch können sogar Preise von bis zu 600 Euro pro Kilogramm aufgerufen werden.
Die Rinder sind in der Regel kleiner beziehungsweise leichter als normale Fleischrinder. Das Gewicht liegt je nach Geschlecht bei 600 bis 1000 Kilogramm. Die Population außerhalb Japans entstand aus Tieren, die in den 1970er-Jahren zu wissenschaftlichen Zwecken in die USA exportiert wurden. Aufgrund zunehmend steigender Nachfrage nach dem Fleisch entscheiden sich weltweit immer mehr Züchter, teilweise oder sogar auf Kobe-Rind umzustellen.