Die Beschäftigten des Schuhhändlers erhalten trotz Insolvenz keine Ausgleichszahlung. Wie kann das sein? Und: Wer bekommt überhaupt Insolvenzgeld?
Fall Görtz sorgte für AufsehenWann die Arbeitsagentur Insolvenzgeld zahlt – und wann nicht

Vor kurzem sorgte der Schuhhändler Görtz für Aufsehen: Die Beschäftigten bekamen trotz Insolvenz keine Lohnfortzahlung von der Bundesagentur für Arbeit.
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Die gesamtwirtschaftliche Lage zwingt immer mehr Unternehmen zum Aufgeben: Für den Januar 2024 berichtet das Statistische Bundesamt von rund 14 Prozent mehr Insolvenzen als im Vorjahr. Seit Juni 2023 liegen die Zuwachsraten bei den Firmeninsolvenzen damit bis auf eine Ausnahme im zweistelligen Bereich, wie das Statistikamt mitteilte. Wenn ein Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten steckt, kann es auch die Gehälter seiner Angestellten nicht oder nur noch teilweise zahlen.
Die Beschäftigten können dann einen Anspruch auf Insolvenzgeld haben, so regelt es das Sozialgesetzbuch. Mit dem Insolvenzgeld wird das ausgefallene Arbeitsentgelt ersetzt. Doch vor kurzem sorgte der Schuhhändler Görtz für Aufsehen, der innerhalb weniger Monate erneut Insolvenz anmeldete. Die Beschäftigten bekamen nämlich keine Lohnfortzahlung von der Bundesagentur für Arbeit. Warum?
Fall Görtz: Wann haben Beschäftigte einen Anspruch auf Insolvenzgeld?
Im Juristendeutsch heißt es: Angestellte haben immer dann Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn ein sogenanntes Insolvenzereignis eingetreten ist. Ein Gericht muss dafür ein Insolvenzverfahren gegen ein Unternehmen eröffnet haben. Hat der Arbeitgeber die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bislang nur beantragt, das Gericht aber noch nicht zugestimmt, gibt es kein Insolvenzgeld. Beendet ein Unternehmen seine Betriebstätigkeit komplett, erhalten Angestellte ebenfalls Insolvenzgeld, auch wenn sich die Firma formell nicht in einem Insolvenzverfahren befindet.
Allerdings bekommen nur diejenigen Insolvenzgeld, die im Inland beschäftigt waren. Das gilt auch für alle, die ins Ausland entsandt wurden, aber weiterhin hierzulande sozialversichert waren. Keine Rolle spielt übrigens, ob man während der Beschäftigung in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat. Daher können auch geringfügig Beschäftigte, Praktikanten, Studenten und Rentner einen Anspruch auf Insolvenzgeld geltend machen, heißt es bei der Bundesagentur für Arbeit.
Warum haben die Görtz-Mitarbeiter kein Insolvenzgeld bekommen?
Ende Januar hatte die Görtz Retail GmbH Insolvenz angemeldet, betroffen waren 400 Mitarbeiter. Schon 2022 war der Schuhhändler in die Insolvenz gerutscht, hatte aber einen Investor gefunden, der den weiteren Geschäftsbetrieb sicherte. Doch: Der Investor zahlte nur einen Teil der im Rahmen des Insolvenzplans festgelegten Summe. „Der zweite Teil in Höhe von 1,3 Millionen Euro wurde nicht gezahlt, sondern mit behaupteten Gegenforderungen verrechnet“, teilt der Görtz-Insolvenzverwalter mit. Der Streit wird vor dem Landgericht Hamburg ausgetragen.
Das heißt aber auch: Die vorige Görtz-Insolvenz ist noch nicht offiziell beendet, und schon damals hatten die Mitarbeiter Insolvenzgeld erhalten. „Deshalb ist es nach Auffassung der Bundesagentur für Arbeit nicht möglich, jetzt erneut Insolvenzgeldleistungen zu gewähren“, so der Insolvenzverwalter weiter.
Wie wird Insolvenzgeld beantragt?
Das geschieht bei der Agentur für Arbeit und ist online möglich. Wichtig ist, dass der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wird. Die Arbeitsagentur will beispielsweise die Insolvenzgeldbescheinigung vom Arbeitgeber oder zuständigen Insolvenzverwalter sehen, den Arbeitsvertrag, das Kündigungsschreiben und die letzten drei Verdienstabrechnungen.
Wie lange zahlt die Arbeitsagentur?
Insolvenzgeld wird rückwirkend und als Einmalsumme gezahlt. Es umfasst den Lohn, der für die letzten drei Monate vor Eröffnung der Insolvenz fällig gewesen wäre. In der Regel ist das Insolvenzgeld so hoch wie der Nettoverdienst, unter bestimmten Voraussetzungen werden auch Provisionen übernommen oder Überstunden vergütet. Insolvenzgeld ist übrigens steuerfrei, muss aber bei der Steuererklärung angegeben werden.
Wie wird Insolvenzgeld finanziert?
Arbeitgeber zahlen mit den übrigen Sozialversicherungsbeiträgen eine Insolvenzgeldumlage. Sie berechnet sich aus einem jährlich festgelegten Prozentsatz und dem Entgelt eines Mitarbeiters. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat den Umlagesatz zum Jahreswechsel deutlich angehoben: Seit 1. Januar 2025 zahlen Arbeiter 0,15 Prozent des Gehalts in die Insolvenzgeldumlage, in den Jahren zuvor hatten Verordnungen zur Entlastung während der Coronakrise einen niedrigeren Umlagesatz geregelt (2024: 0,06 Prozent). Grundsätzlich sind alle Arbeitgeber mit Beschäftigten im Inland dazu verpflichtet. Ausgenommen sind unter anderem Bund, Länder und Gemeinden, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts.