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Nach Berliner VolksentscheidSind Enteignungen von Wohnungsunternehmen in NRW denkbar?

Lesezeit 3 Minuten
Immobilien Ehrenfeld

Blick über die Venloer Straße in Köln

Köln/Berlin – Es ist ein einzigartiger Vorstoß: Bei einem Volksentscheid in Berlin haben sich 56,4 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die Enteignung großer Wohnungskonzerne ausgesprochen. Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“, die den Volksentscheid initiiert hatte, will mit einer Vergesellschaftung den weiteren Anstieg der Mietpreise bremsen und „dauerhaft bezahlbaren Wohnraum“ ermöglichen. Aber was bedeutet das Votum nun für die Praxis? Wie realistisch sind Enteignungen? Und: Wäre ein ähnlicher Vorstoß auch auf NRW-Ebene denkbar?

Worüber wurde in Berlin abgestimmt?

Zur Wahl stand ein Beschlussentwurf, demzufolge privatwirtschaftliche Wohnungsunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen in Berlin vergemeinschaftet werden sollten. Das würde eine Enteignung gegen Entschädigung bedeuten, die laut Initiatoren „deutlich unter Verkehrswert“ erfolgen sollte. Sie bezifferten die Kosten auf schätzungsweise 7,3 bis 13,7 Milliarden Euro aus – der Berliner Senat prognostizierte 29 bis 36 Milliarden Euro.

Konkret sieht der Entwurf vor, die Wohnungen in eine Anstalt öffentlichen Rechts zu überführen und unter demokratischer Beteiligung verschiedener Gruppen zu verwalten. Betroffen wären in Berlin etwa 240.000 und damit rund 15 Prozent aller Mietwohnungen in der Stadt. Der Berliner Senat wird in der Beschlussvorlage dazu aufgefordert, „alle Maßnahmen einzuleiten, die zur Überführung von Immobilien in Gemeineigentum erforderlich sind“.

Ist der Volksentscheid bindend?

Nein, denn es wurde nicht über einen konkreten Gesetzesentwurf abgestimmt. Der Berliner Senat wird sich aber mit dem Thema auseinandersetzen. Franziska Giffey (SPD), nach den Landtagswahlen designierte Regierende Bürgermeisterin in der Hauptstadt, sagte am Montag, sie respektiere das Abstimmungsergebnis. Es müsse jetzt ein Gesetzesentwurf erarbeitet, dieser aber auch verfassungsrechtlich geprüft werden. Enteignungen sind laut Grundgesetz möglich, aber „nur zum Wohle der Allgemeinheit“. Giffey und die SPD hatten im Wahlkampf wiederholt deutlich gemacht, dass sie Enteignungen skeptisch gegenüberstehen. Auch CDU und FDP lehnen sie ab. Die Grünen sehen sie als „letztes Mittel“. Die Linke steht als einzige Partei uneingeschränkt hinter dem Vorhaben.

Welche Reaktionen gibt es aus der Region?

Der Bochumer Immobilienriese Vonovia reagiert erwartbar skeptisch. „Enteignungen lösen nicht die vielfältigen Herausforderungen auf dem Berliner Wohnungsmarkt“, sagte der Vorstandsvorsitzende Rolf Buch. Es brauche in der neuen Legislaturperiode mehr „Miteinander statt Konfrontation“. Auch Thomas Bach, Hauptgeschäftsführer des Eigentümerverbands Haus und Grund in NRW, hält Enteignungen für das falsche Mittel für eine Entspannung des Wohnungsmarkts.

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Und während der Mieterverein in Berlin nach der Abstimmung von einem „fulminanten Erfolg“ sprach, beurteilt Hans Jörg Depel, Geschäftsführer des Kölner Mietervereins, die Situation differenzierter. „Ja, das Gesetz sieht die Möglichkeit der Vergesellschaftung vor“, sagte er. Sie seien allerdings nur als letztes Mittel angedacht. „Sind in Berlin alle anderen Optionen bereits ausgeschöpft? Das wage ich zu bezweifeln.“ Der Wohnungsmarkt fordere eine schwierige Balance: bezahlbarer Wohnraum müsse erhalten, neuer Wohnraum geschaffen werden. Enteignungen könnten zwar bei ersterem, nicht aber bei zweiterem helfen. „So eine Entscheidung müsste also auch mit einer Bauoffensive verbunden sein.“

Ist ein Berliner Vorstoß auch in NRW wahrscheinlich?

Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbunds, sagte der Funke Mediengruppe, das Berliner Vorhaben könnte Vorbild für andere Städte werden. In NRW scheint ein vergleichbarer Vorstoß zumindest auf Landesebene unwahrscheinlich. Denn während die Preise in Städten wie Köln stark steigen, verlieren andere NRW-Regionen seit Jahren Einwohner. „Wir müssen auf Landesebene dafür sorgen, dass diese Regionen attraktiver werden“, so Depel. „In einigen Gegenden gibt es keine Ärzte, nicht einmal mehr Supermärkte. Wenn sie an Attraktivität gewinnen, strömen auch nicht mehr so viele Menschen in die Großstädte.“ Der Zuzug müsse gebremst und der Bedarf in den Metropolen durch kluge Bauprojekte gestillt werden.

Auch Thomas Bach beklagt, die Diskussion werde häufig undifferenziert geführt. In Städten wie Berlin, Frankfurt, München oder auch Köln sei die Lage tatsächlich schwierig: „Hier sind die Mieten teilweise in Dimensionen gestiegen, wo auch wir sagen, dass man darüber sprechen könnte, stellenweise eine Zurückhaltung bei Mieterhöhungen zu vereinbaren.“ In anderen Städten, zum Beispiel Dortmund, habe man dagegen „alles aber keine Wohnungsnot“.