Mit der Zeit wird es schwieriger, die Probleme zu lösen. Wie Sie frühzeitig erkennen, dass ihre Beziehung professionelle Unterstützung braucht.
BeziehungskriseWann ist der richtige Zeitpunkt für eine Paartherapie?
Nähe, Intimität und gegenseitiges Verständnis wünschen sich die meisten Menschen von einer Beziehung. Dass sich diese Erwartungen nicht immer erfüllen, ist jedoch genauso offensichtlich. Besonders im Lauf der Jahre können Alltagstrott, Stress oder unterschiedliche Lebensentwürfe zu Problemen führen.
Dass Partnerinnen und Partner im Laufe einer langjährigen Beziehung manchmal aneinandergeraten, ist normal. Doch wenn sich Konflikte verschärfen, ständig wiederholen oder kaum noch Kommunikation stattfindet, kann es sein, dass Unterstützung von außen gefragt ist. Den Moment zu erkennen, wann die Probleme nicht mehr zu zweit gelöst werden können, fällt den meisten Paaren allerdings nicht leicht. Die Folge: Viele von ihnen suchen sich zu spät professionelle Unterstützung.
Die Paartherapeutin Sandra Jankowski betreibt eine Praxis in Eichwalde nahe Berlin und kennt das Problem aus ihrer täglichen Arbeit. „Oft haben sich beide stark auseinandergelebt oder streiten nur noch, manchmal ist auch einer der Partner fremdgegangen“, sagt Jankowski. Eine Wiedergutmachung sei dann häufig kaum noch möglich, weil die Enttäuschung zu groß ist oder sich unterschiedliche Lebensentwürfe entwickelt haben.
Paartherapie braucht meistens konkreten Anlass
„In die Paartherapie kommen Paare meist, wenn sie sich als die Personen, die sie in der Beziehung geworden sind, nicht mehr mögen“, sagt der Hamburger Paartherapeut Eric Hegmann, der Paare auch in der Dokureihe „Die Paartherapie“ bei ihren Konflikten begleitet. Häufig sei es der Fall, dass derjenige Partner oder diejenige Partnerin, der oder die den größeren Leidensdruck verspüre, sich mit dem Wunsch nach eine Paartherapie zunächst nicht durchsetzen könne, so Hegmann. „Es braucht dann meist einen konkreten Anlass, damit ein Paar sich für eine Therapie entscheidet.“
Auch in der Wissenschaft ist das Problem bekannt. „In der Forschung wird davon ausgegangen, dass Paare oft fünf bis sechs Jahre zu spät in die Therapie kommen“, sagt der psychoanalytische Paartherapeut Peter Rottländer, der in Frankfurt arbeitet. Nach einer so langen Zeit sei oft schon viel Bitterkeit und Frustration entstanden. „Deshalb haben viele zu Beginn der Paartherapie so eine Art Bugwelle an aufgestauten Dingen, die erst mal abgebaut werden müssen“, sagt Rottländer.
Dass viele erst spät kommen, sei nachvollziehbar, findet Rottländer. „In einer Bindungsbeziehung möchte man eigentlich auf keinen Fall eine Krise haben, deshalb ist der Impuls sehr groß zu denken: Das wird schon wieder“, sagt der Paartherapeut. Noch dazu müsse man sich zuerst eingestehen, dass man Probleme habe. „Das kann mit Gefühlen von Scham oder Scheitern verbunden sein“, sagt Rottländer.
Oftmals geht es nur um kleine Stellschrauben
Eine Paartherapie werde zudem von vielen zunächst als Bedrohung wahrgenommen, die vielleicht zur Trennung führen könnte. Diese Angst sei jedoch unbegründet, beruhigt der Experte. „Meistens finden die Partner in der Therapie neue Anknüpfungspunkte.“
Auch gesellschaftliche Vorstellungen sind dafür verantwortlich, dass viele Paare erst spät Hilfe in der Therapie suchen. „Da besteht die romantische Vorstellung von der bedingungslosen Liebe, die ewig hält und von ganz allein funktioniert“, sagt Sandra Jankowski. Für die Expertin ist bereits die Bezeichnung Therapie irreführend. Sie suggeriere, dass man sie nur aufsucht, wenn etwas nicht funktioniert. „Eigentlich sollte man von Beziehungscoaching sprechen, denn oftmals sind es nur kleine Stellschrauben, die justiert werden müssen.“
Wie können Paare also rechtzeitig erkennen, dass der Zeitpunkt für eine Paartherapie gekommen ist? „Den geeigneten Moment erkennt man daran, dass man schon länger als drei Monate täglich genervt von der Partnerin oder dem Partner ist und dass die Streits sich häufen“, sagt Jankowski. Auch wenn sich alles nur noch um Pflichten drehe und wertvolle Gespräche immer rarer werden, sei das ein Signal.
Wenn der Frust anhält, ist Paartherapie eine gute Idee
„Ein gutes Kriterium ist, für sich selbst zu prüfen, ob man noch Lust hat, darüber nachzudenken, wie der andere sich fühlt“, sagt Peter Rottländer. Wenn man über einen längeren Zeitraum hinweg feststelle, dass man sich kaum noch dafür interessiert, wie es dem anderen geht, sei das ein Alarmzeichen. Auch wenn immer wieder dieselben Konflikte auftauchen, die an den Nerven zehren, ohne dass eine Lösung in Sicht ist, sei das ein Anzeichen dafür, dass eine Paartherapie sinnvoll wäre.
Ist der erste Schritt gemacht und die Entscheidung für eine Paartherapie gefallen, kann gemeinsam mit dem Therapeuten oder der Therapeutin damit begonnen werden, die destruktiven Muster und Kommunikationsweisen in der Paarbeziehung zu analysieren. Doch der Ablauf und die Inhalte einer Paartherapie können durchaus anders sein als erwartet. Denn anders, als es in einem aufgeheizten Konflikt vielleicht erscheinen mag, kommt es nicht darauf an festzuhalten, wer recht hat, wessen Verhalten unangebracht ist oder wer sich ändern muss.
Im Gegenteil, für Peter Rottländer geht es in der Paartherapie zunächst darum, den Blick nach innen zu richten: „Wichtig ist zunächst, darauf zu schauen, wie mein eigenes inneres Erleben gegenüber dem Partner ist.“ Dabei gehe es auch darum, zu verstehen, wie man selbst auf das Gegenüber wirke. Hier gilt es, einen häufigen Fehler zu vermeiden: „Oft gibt es diese hohe Erwartung, dass der Partner weiß, wie ich mich fühle“, sagt Rottländer. „Aber in der Regel ist das nicht der Fall.“ Das bedeutet: Wer sich Verständnis wünscht, muss lernen, dem Partner oder der Partnerin zu erklären, wie er oder sie sich fühlt.
Auch glückliche Paare können profitieren
In einem zweiten Schritt gehe es dann darum, die Empathie zu trainieren und ein ernsthaftes Interesse dafür zu entwickeln, wie sich der Partner oder die Partnerin fühlt. „Unsere Sehnsucht in Paarbeziehungen ist ja, dass wir uns gesehen und verstanden fühlen wollen“, sagt Rottländer. „Und gesehen und verstanden fühle ich mich, wenn da jemand ist, den es interessiert, wie es mir geht.“
Wer ganz sicher sein will, nicht den geeigneten Zeitpunkt zu verpassen, kann auch zur Paartherapie gehen, obwohl es keine akuten Probleme gibt. Der Paartherapeut Eric Hegmann empfiehlt solche präventiven Termine ausdrücklich und hat einen Onlinekurs für glückliche Paare entwickelt. „Wenn es super läuft, ist das der geeignete Moment, um sich ein paar Werkzeuge anzueignen, mit denen man auch dann noch gut kommuniziert, wenn es ruckelig wird“, sagt Hegmann. Dann mache die Arbeit an der Beziehung als Paar sogar Spaß. Mitten in einem hitzigen Konflikt falle es den meisten dagegen sehr schwer, neue Techniken zu lernen.
Auch in harmonischen Langzeitbeziehungen kann es immer wieder sinnvoll sein, in einer Paartherapie das Gespräch zu suchen. „Am Anfang einer Partnerschaft schließen Paare unbewusst einen Partnerschaftsvertrag“, betont Sandra Jankowski. Dabei würden die Grundpfeiler der Beziehung verhandelt – etwa, wo man leben will, ob Kinder kommen sollen oder was fremdgehen für beide Seiten bedeutet. Viele Paare glaubten dann, dass diese Verabredungen für immer gelten, so die Paartherapeutin.
Doch das Leben ändert sich, und damit häufig auch die Bedürfnisse. Was hilft, ist reden: „Damit langfristig gesehen keiner von beiden zu kurz kommt und unzufrieden wird, muss immer wieder besprochen werden, welche Beziehungsregeln bestehen und wie keiner von beiden mit seinen Wünschen und Bedürfnissen zu kurz kommt“, sagt Jankowski. Das könne man in einer präventiven Therapie sehr gut lernen. (RND)
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