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Die Farbenlehre des NationalsozialismusWie das Braun Karriere machte

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Braunhemd

Das Braunhemd einer SA-Uniform

Bis Ende 1923 favorisierte die NS-Bewegung die Farbe Rot. Dann setzt sich Braun durch. Das hat auch banale Gründe – etwa weil man günstig einen Posten alter Uniformen erwerben konnte.

Die politische Farbenlehre der Bundesrepublik ist übersichtlich: Sozialdemokraten sind die Roten, die Union die Schwarzen, die Liberalen gelb, dann gibt es noch die Grünen, die Magenta-Linken und neuerdings die Blauen (AfD). Und braun?

Für alle politischen Parteien wie auch für fast alle anderen Körperschaften hat sich Braun als Farbe erübrigt, seit die NS-Bewegung das Braunhemd als Einheitskleidung erfand und damit ihre politische Farbe festlegte. 100 Jahre ist das her.

Die Farbe der NS- Bewegung war in der Anfangsphase eigentlich Rot, weil das als Signalfarbe sehr gut funktionierte.
Daniel Siemens, Historiker von der Universität Newcastle

In den Anfangsjahren der Weimarer Republik bildeten die Nationalsozialisten mit ihrer paramilitärischen Kampforganisation Sturmabteilung (SA) nur eine von zahllosen politischen Formationen, die die junge Demokratie bedrohten. Viele der jungen, oft arbeitslosen Männer trugen in den Anfangsjahren Uniformteile, kombiniert mit Zivilkleidung, dazu oft Windjacken. Das sogenannte Feldgrau, die Farbe der im Ersten Weltkrieg untergegangenen kaiserlichen Armee, war im Alltag verbreitet – nicht nur, weil Millionen ehemaliger Soldaten im Zivilleben ihre neue Rolle suchen mussten, sondern auch, weil zivile Kleidung für viele unbezahlbar war.

„Bis 1923 trugen die SA-Männer, was sie wollten. Einzig die rote Hakenkreuzbinde war das Erkennungsmerkmal“, sagt der Historiker Daniel Siemens von der Universität Newcastle. „Die Farbe der NS-Bewegung war daher in der Anfangsphase eigentlich Rot, weil das als Signalfarbe sehr gut funktionierte“, erläutert der Autor des Buches „Sturmabteilung. Die Geschichte der SA“ (Siedler-Verlag). Doch da kam man mit Sozialdemokraten und Kommunisten in die Quere, die ebenfalls das Rot für sich beanspruchten.

Lange glaubte man, dass die Nazis der ersten Stunde vor allem Heimkehrer aus dem Weltkrieg waren, die im Zivilleben nicht ihren Platz fanden und romantischen Fantastereien wie „Heldenethos“ und „Kameradschaft“ nachhingen. „Der Anteil ehemaliger Weltkriegsteilnehmer war jedoch nicht allzu hoch“, sagt Siemens, denn viele der frühen Nazis „waren für den Krieg noch zu jung gewesen und kamen aus der Schule oder der Lehre zur ‚Bewegung‘“. Dennoch trugen sie gern Uniformen, was laut dem Historiker „den Zusammenhalt in der Gruppe betonte und Respektabilität einforderte. Und außerdem waren Uniformteile weitverbreitet und entsprechend günstig zu haben“.

Einer dieser Getriebenen war der damals 30-jährige Gerhard Roßbach, 1919 Gründer eines etwa 1000 Mann starken Freikorps, der Sturmabteilung Roßbach, die später in der SA aufging. Als Teilnehmer am Putsch Adolf Hitlers gegen die bayerische Staatsregierung am 9. November 1923 floh Roßbach, seine Verhaftung befürchtend, nach Österreich. Er soll für wenig Geld einen größeren Posten brauner Hemden erworben haben, die ursprünglich für die Schutztruppe in der Kolonie Deutsch-Ostafrika bestimmt waren.

Dort – im heutigen Tansania – hatte der Oberbefehlshaber Paul von Lettow-Vorbeck bis Kriegsende einer alliierten Übermacht Paroli geboten. In einer Zeit politischer Niedergeschlagenheit galt Lettow-Vorbeck als „Lichtgestalt“. Seine Rückkehr an die Spitze seiner Truppen am 2. März 1919 durch das Brandenburger Tor feierte eine breite Öffentlichkeit, die sich angesichts von Kriegsniederlage, Versailler Vertrag und Revolution gedemütigt fühlte, als Triumph. Entsprechend populär und zudem mit einem exotischen Touch behaftet waren diese Uniformen: beige-braun, viel heller als die späteren Hitlerhemden und mit weißen Perlmuttknöpfen. Eingetroffen in Deutschland schloss sich Lettow-Vorbeck umgehend antidemokratischen Putschisten an und unterstützte etwa im März 1920 den militärischen Anführer des Kapp-Putsches Walther von Lüttwitz, bevor er als Großhandelskaufmann seine alten Afrika-Kontakte versilberte.

Dem 2008 verstorbenen umstrittenen Historiker Georg Franz-Willing, einem Holocaustleugner und Geschichtsrevisionisten, soll der 1967 in Hamburg verstorbene Roßbach laut seinen Memoiren persönlich gesagt haben, er habe einen bestimmenden Einfluss auf das Aussehen des Braunhemds gehabt. Dieses Braunhemd soll Roßbach bereits ab 1923 der von ihm geleiteten „Schill-Jugend“ verordnet haben.

„Spätestens mit der Neuausrichtung der Partei nach Hitlers Haftentlassung 1924 und der Aufhebung des NSDAP-Verbots Anfang 1925 hatte sich das Braunhemd in der NS-Bewegung etabliert“, sagt Historiker Siemens. „Braun war als Farbe im Parteienspektrum noch nicht vergeben, außerdem konnten sich die Nazis so auch farblich deutlich von den Kommunisten absetzen.“

Er schränkt jedoch ein, „dass die Nazis mit der Wahl dieser Farbe keineswegs immer glücklich waren, weil das Braun stets auch mit Exkrementen assoziiert wurde und allein diese Tatsache den Nazis viel Spott durch die politischen Gegner einbrachte.“ So spielten die Kommunisten später „mit ihren Bemerkungen über die ‚braunen Jungs‘ immer wieder auf die Homosexualität der SA-Führer wie Ernst Röhm oder Edmund Heines an“, sagt der Historiker. Hitlers faschistisches Vorbild Benito Mussolini in Italien hatte es da einfacher: Er hatte auf die Farbe Schwarz (Schwarzhemden) gesetzt.

Nicht zu unterschätzen ist laut Siemens auch die Tatsache, „dass die Uniformen für die Partei ab 1926 zu einer wichtigen Einnahmequelle wurden. Jedes Parteimitglied musste die Uniform selbst bezahlen. Der Versand war in München zentralisiert.“ Spätestens ab dem Jahr 1931 wurden Braunhemden im Textilkonzern Hugo Boss produziert. Der gleichnamige Firmeninhaber aus dem schwäbischen Metzingen musste 1931 Insolvenz anmelden. Im selben Jahr trat er der NSDAP bei, „was ein beachtliches Auftragsvolumen durch die Nazis zur Folge hatte. Die Firma überlebt im Grunde nur Dank des Nazi-Deals“, erklärt Siemens, „nebenbei stellte die SA den Werkschutz, was bei Streiks die Produktion durch Streikbrecher sicherte“.

Nach dem Krieg war Braun als politische Farbe verbrannt

Nach dem Krieg war Braun als politische Farbe verbrannt – sprichwörtlich. Nicht einmal rechtsextreme Parteien wie DVU, NPD und Republikaner konnten dem Braun etwas abgewinnen. Die 2013 gegründete Alternative für Deutschland setzte auf die Farbe Blau. „Es gab keinerlei Diskussion um die Farbe Blau. Sie war der natürliche Kandidat, weil sie das Akronym war für ‚Beste liberale Alternative zur Union‘“, sagt der Parteigründer Bernd Lucke.

Selbst in Wirtschaft, Kultur und Sport ist das Braun heute eher selten – mit einer prominenten Ausnahme: dem 1. FC St. Pauli. „Die Farben Braun und Weiß tragen die Fußballer des FC St. Pauli seit dem 21. Mai 1909, damals noch Teil des ‚Hamburg-St.-Pauli-Turnvereins‘“, sagt Christoph Nagel vom Vorstand des Vereins. Der Verein ist geradezu beispielhaft für seine klare Haltung gegen Rechts.

„Für Versuche, die Vereinsfarben nach dem Krieg zu ändern, sind mir keine historischen Quellen bekannt“, so Nagel weiter. Warum auch – schließlich gibt es zu wenige Farben, um eine einer bestimmten Ideologie zu überlassen.


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