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Die SchleifeHommage an einen ziemlich coolen Knoten

Lesezeit 5 Minuten
Eine Schleife mit Grün, Gold und Rot, dahinter ein geschmückter Weihnachtsbaum

Schleifen: Wer dieses Detail als unnötigen Firlefanz ansieht, unterschätzt sowohl den ästhetischen Effekt als auch den Symbolgehalt der Schleife.

Weihnachten ohne Schleifen wäre so arm wie die Mode ohne Bänder. Derzeit sind sie nicht nur ein Lieblingsdetail bei Kleidung, sondern bestimmen auch den Baumschmuck.

Wer kurz vor dem Fest alle Geschenke für Familie und Freunde beisammenhat, sollte sich nicht zu früh freuen – es ist erst Halbzeit. Denn der Akt des Schenkens zieht sich. Erst sucht man nach einer Idee, dann folgt die Umsetzung in Form von Kaufen oder Selbermachen, und vor der Übergabe gibt es noch ein nicht zu unterschätzendes Zwischenstadium: das Einpacken. Dabei geht es nicht um Papierkunstwerke, sondern vor allem darum, dass die Verpackung liebevoll ist. Hat man sich mit der Umhüllung sichtlich Mühe gegeben, zeugt das von besonderer Wertschätzung für den Beschenkten.

Egal, ob man sich beim Verpacken für konventionelles Geschenkpapier oder umweltfreundlichere Alternativen in Form von Stoff, Zeitungen oder recycelbaren Tüten entscheidet: Hauptsache ist, dass das Geschenk nicht nackt unter dem Baum liegt – und in jedem Fall mit einer Schleife versehen ist. Wer dieses Detail als unnötigen Firlefanz ansieht, unterschätzt sowohl den ästhetischen Effekt als auch den Symbolgehalt der Schleife.

Wenn man mal von Schnürsenkeln absieht, verbinden wir Schleifen in der Regel mit romantischem und mädchenhaftem Zierrat. Dabei handelt es sich rein technisch um eine Unterart des in der Seefahrt gängigen Kreuzknotens. Aufgrund ihrer Schlaufentechnik hält die Schleife vieles gut zusammen, lässt sich aber auch jederzeit schnell lösen. Weil sie nicht nur praktisch, sondern auch dekorativ ist, kam sie schon früh in Mode, auch bei Männern: Im 17. Jahrhundert, der Zeit des Barocks, waren adlige Herren von Kopf bis Fuß in bunte Schleifenbänder gewickelt, wie Pakete auf zwei Beinen.

Je zugeschnürter, desto besser, denn komplizierte und aufwendige Kleidung galt als untrügliches Zeichen dafür, dass man reich war und nicht körperlich arbeiten musste. In der darauffolgenden Rokoko-Epoche übertrieben es dann die Damen der Oberschicht mit der Schleifenpracht, die Frisuren, Röcke, Mieder und Hüte überzog. Die nächste große Schleifenwelle löste der sogenannte Cul de Paris Mitte des 19. Jahrhunderts aus – eine Art Riesenpropeller am Kleid, der das weibliche Hinterteil betonte.

Warum erwägen Sie nicht, sich auch mit Bändern zu schmücken?
Diana Vreeland, Moderedakteurin

Dann kam Coco Chanel (1883–1971), die die Frauenmode zwar revolutionierte, indem sie lockere, elegante Kleider ohne Miederzwang schuf, aber auch eine Vorliebe für althergebrachtes schmückendes Beiwerk wie Perlen und eben Schleifen hatte. Sie trug selbst gern schwarze Haarschleifen. Bis heute gibt es keine einzige Kollektion von Chanel, in der Schleifen fehlen. Sei es in Form von Schmuck, Gürteln, Verschlüssen oder Verzierungen – sie gehören zur DNA des Luxuslabels.

Sparsam eingesetzt und je nach Farbe und Größe, wirkt die Schleife alles andere als mädchenhaft-verspielt oder gar kitschig. Sie lockert ein strenges Outfit auf und steht für feminine Eleganz. Eine andere große Frau der Modegeschichte war daher ebenfalls ein Schleifenfan: Diana Vreeland (1903–1989), einst Chefredakteurin der amerikanischen Ausgaben von „Vogue“ und „Harper’s Bazaar“, galt fast ein halbes Jahrhundert lang als „Hohepriesterin der Mode“.

Legendär war ihre Kolumne „Why don’t you?…?“, in der die stets extravagant gekleidete Autorin ihren Leserinnen Tipps gab, wie sie ihr Leben mithilfe der Mode aufregender gestalten können. Zum Beispiel an Weihnachten, wo man den Verpackungsaufwand ihrer Ansicht nach auch spielend auf sich selbst übertragen kann: „Warum erwägen Sie nicht, sich auch mit Bändern zu schmücken?“, schrieb sie. Die höfliche Frage war selbst eine geschickte Verpackung, hinter der sich die Aufforderung verbarg, es einfach zu tun.

Die Damenmode quillt über vor Schleifen

In diesem Jahr ist das nicht schwer, denn festliche Damenmode quillt derzeit über vor Schleifen. Sie zieren Blazer, Kleider, Schuhe, Blusen, Pullover und Cardigans. Designerin Simone Rocha ließ ihre Models bei der Vorstellung der Winterkollektion gar mit angeklebten Schleifchen im Gesicht auftreten. Sie wollte damit eigener Aussage zufolge die individuelle Schönheit jedes Models hervorheben.

Wem das zu viel Zierde ist, beschränkt sich besser auf weihnachtliche Deko mit Schleifen. Die sind in diesem Jahr auch als Kugel- und Lamettaersatz am Tannenbaum angesagt.

Schleifen stehen für Verbundenheit

Zum Fest der Liebe passen Schleifen allemal. Und das nicht nur, weil sie hübsch aussehen, sondern auch, weil sie für Verbundenheit stehen. Daher sind sie auch das Symbol vieler Gruppen, die besonderer gesellschaftlicher Aufmerksamkeit bedürfen. Die „Awareness Ribbons“, wie etwa die rote Aids-Schleife, drücken Solidarität mit von Krankheit oder auch Gewalt betroffenen Menschen aus. Rosa Schleifen werden zum Beispiel beim Engagement gegen Brustkrebs eingesetzt, die schwarze Schleife ist ein Zeichen des Mitgefühls für Opfer von Terroranschlägen, während man mit gelben Schleifen Sympathie für den Auslandseinsatz von Soldaten bekundet.

Wann die Schleife für die Geschenkverpackung aufkam, ist nicht belegt. Möglich, dass man sie schon von Anfang an verwendete, denn das ursprüngliche Verpackungsmaterial bestand aus Stoff oder einfachem Zeitungspapier und musste schließlich irgendwie zusammengehalten werden. Doch nicht zu unterschätzen ist auch die Rolle der Schleife beim Auspacken.

Was die Menschen früher nur geahnt haben dürften, ist heute wissenschaftlich belegt: Auspacken macht glücklich. Während des Prozesses wird in unserem Belohnungszentrum Dopamin ausgeschüttet. Je langsamer man auspackt (eine Schleife, die man erst öffnen muss, trägt entscheidend dazu bei), umso größer ist die Vorfreude – auch beim Schenkenden, der gespannt ist auf die Reaktion des Gegenübers. Es gibt nur einen Nachteil bei einer schönen Verpackung: Sie steigert die Erwartung. Man rechnet automatisch mit einer besonders tollen Überraschung. Der Inhalt sollte also stimmen.


Dieser Text gehört zur Wochenend-Edition auf ksta.de. Entdecken Sie weitere spannende Artikel auf www.ksta.de/wochenende.