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DörrenTrockenobst: lecker und lange haltbar – und sehr viel Zucker

Lesezeit 5 Minuten
Illustration: Tisch mit Leinentischdecke und Schalen mit Trockenobst.

Ob als Frühstück im Müsli, Snack oder Nachtisch: Trockenobst ist beliebt.

Trockenobst macht Früchte weit über die Saison hinaus haltbar. Doch beim Dörrprozess gehen Nährstoffe verloren – und es entsteht viel Zucker.

Ob im Müsli, als Beilage zu Fleischgerichten oder als Snack vor dem Fernseher – Trockenfrüchte finden auf dem Speiseplan an ganz unterschiedlichen Stellen Platz. Ebenso vielfältig ist auch ihr Erscheinungsbild: von der klassischen Dörrpflaume über Apfelringe bis hin zu Mangoscheiben und Bananenchips.

Erfunden wurde die Methode, Früchte zu trocknen, vor mehr als 5000 Jahren im früheren Mesopotamien, dem heutigen Gebiet zwischen dem Irak, dem Iran, Teilen Syriens und der Türkei. Dort kam man eher zufällig zu der Erkenntnis, dass sich Obst auf diese Weise haltbar machen lässt: Reife Datteln und Feigen fielen von Bäumen herunter und wurden im heißen, trockenen Klima quasi von selbst zu Dörrobst. Die Entdeckung lieferte den Menschen die erste Technik zur Haltbarmachung von Lebensmitteln und machte die Dattelpalme dank ihres reichen Ertrags zu einer der ersten Pflanzen, die gezielt angebaut wurde.

Ihr hoher Energiegehalt und die praktische lange Haltbarkeit ließen Trockenfrüchte zum Grundnahrungsmittel werden, das weite Verbreitung fand: In vielen ägyptischen Gräbern entdeckten Archäologen getrocknete Feigen als Grabbeigaben für die Verstorbenen. Über Griechenland und Italien fand das Dörrobst den Weg nach Europa. Und auch in anderen Teilen der Welt werden Früchte getrocknet: Die Armenier kultivierten erstmals Trauben und vergruben sie in der Erde, um Rosinen herzustellen. Trockenpflaumen und -aprikosen stammen ursprünglich aus China.

In der Antike noch an der Sonne getrocknet, findet der Trocknungsprozess heutzutage mithilfe professioneller Dörrgeräte statt. Das Prinzip ist jedoch dasselbe: Unter Zuführen von Wärme wird den Früchten Feuchtigkeit entzogen. Auch im heimischen Backofen mit geringer Hitze und offener Tür lässt sich Dörrobst selbst herstellen.

Eine Handvoll getrockneter Aprikosen liefert dreimal so viel Zucker wie eine Handvoll frischer
Katharina Holthausen,Lebensmittelexpertin

Damit Aprikosen, Mangos oder Apfelringe ihre helle Farbe behalten, werden einige Trockenfrüchte mit Schwefel behandelt, der auf der Verpackung als E220, Schwefeldioxid oder Sulfit gekennzeichnet ist. „Der Zusatzstoff wirkt gegen Hefen, Pilze und Bakterien, zählt aber zu den Allergenen und kann Unverträglichkeitsreaktionen hervorrufen“, sagt Katharina Holthausen, Lebensmittelexpertin bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Wer empfindlich auf den Stoff reagiert, sollte deshalb lieber ungeschwefelte Produkte wählen.

Eine besondere Form stellen die gefriergetrockneten Früchte dar. Meist handelt es sich dabei um Beeren, die viel Wasser, aber weniger Zucker enthalten als Stein- oder Kernobst und deshalb schwieriger zu trocknen sind. Bei diesem Verfahren werden die Früchte direkt nach der Ernte schockgefroren. Anschließend wird in einer Vakuumkammer über mehrere Stunden hinweg die Feuchtigkeit entzogen. Dieser Vorgang gilt als schonender für die Inhaltsstoffe.

Siegeszug der Goji-Beere

Getrocknete Erdbeeren, Blaubeeren oder Himbeeren gehören zu den neueren Kreationen im Trockenfrüchtesortiment, das noch längst nicht ausgeschöpft ist: Immer wieder kommen neue, teils exotische Produkte auf den Markt. Einen wahren Siegeszug durch die Küchen gesundheitsbewusster Obstfans hat seit einiger Zeit die als „Superfood“ deklarierte Goji-Beere angetreten, der eine Vielzahl gesundheitsfördernder Wirkungen nachgesagt wird.

Haltbarmachung ist die Ursprungsidee hinter den Trockenfrüchten, doch wie lange kann man sie aufbewahren? „Bei kühler Lagerung zwischen acht und zehn Grad etwa ein Jahr lang“, sagt Holthausen. Das gelte aber nur für Trockenobst in luftdicht verschlossenen Tüten. Offen gelagerte Früchte sollten innerhalb weniger Wochen aufgebraucht werden. „Da Trockenobst sehr wenig Wasser enthält, wird sich zwar kein Schimmel bilden“, erklärt Holthausen. Bei zu langer Lagerung könnten aber beispielsweise Fermentierungsprozesse in Gang kommen.

Wenn Trockenobst also schon etwas länger im Schrank liegt und das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist, rät die Expertin, einen Geruchstest zu machen und gegebenenfalls nur ein kleines Stück zu probieren. „Macht sich ein alkoholischer oder essigsaurer Geschmack bemerkbar, sollte man das Dörrobst besser entsorgen“, sagt sie.

Verwandlung in Kalorienbomben

Die Trocknung macht Früchte einerseits lange haltbar, verwandelt sie aber auch in Kalorienbomben. Denn wenn Wasser entzogen wird, bleiben vor allem Zucker und einige Ballaststoffe zurück. „Eine Handvoll getrockneter Aprikosen liefert dreimal so viel Zucker wie eine Handvoll frischer Aprikosen“, sagt Holthausen. Einigen Produkten wie beispielsweise Cranberries wird sogar noch zusätzlicher Zucker beigefügt.

Und noch ein anderer Effekt kann Trockenobst zur Zuckerfalle machen: „20 frische Aprikosen würde niemand essen, 20 getrocknete Aprikosen schafft man problemlos“, sagt der Ernährungsforscher Stefan Kabisch von der Berliner Charité. Gleichzeitig gehe beim Trocknungsprozess ein Teil der im Obst enthaltenen Vitamine verloren. Immerhin: „In gefriergetrockneten Früchten sind noch etwas mehr Vitamine enthalten als im klassischen Dörrobst“, sagt Kabisch.

Wer es auf die gesunden Inhaltsstoffe abgesehen hat, sollte dennoch lieber zu frischem Obst greifen, rät der Mediziner. Auch die verdauungsfördernden Eigenschaften, die etwa Dörrpflaumen nachgesagt werden, könne man damit genauso gut erzielen. „Denn die Wirkung geht auf die enthaltenen Ballaststoffe zurück, und die stecken auch in frischen Früchten“, sagt Kabisch.

Trockenobst: Nicht völlig frei von Schadstoffen

Auch von Schadstoffen ist Dörrobst nicht völlig frei. Ähnlich wie bei frischem Obst können auch Trockenfrüchte mit Rückständen von Pflanzenschutzmitteln belastet sein. Aufgrund der Extraktion von Wasser liegt laut Katharina Holthausen die Vermutung nahe, dass Pestizidrückstände in Dörrobst mitunter sogar in höherer Konzentration zu finden sind als bei frischen Früchten. „Deshalb ist es empfehlenswert, nach Möglichkeit Bioprodukte zu wählen, die generell deutlich weniger Pestizide enthalten“, sagt die Verbraucherschützerin.

Einige Studien wiesen außerdem auf erhöhte Acrylamid-Werte in Trockenobst hin, beispielsweise in getrockneten Birnen und Pflaumen. Die chemische Verbindung bildet sich in kohlenhydratreichen Lebensmitteln bei hohen Temperaturen und hat laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ein „Krebs erzeugendes Potenzial“. Die Europäische Kommission empfehle Herstellern und Behörden deshalb, Acrylamid-Werte in Trockenfrüchten stärker zu überwachen, so Holthausen.

Unterm Strich sind Trockenfrüchte also ein Lebensmittel, das man – vor allem wegen des hohen Zuckergehalts – eher selten genießen sollte. Wenn verfügbar, ist frisches Obst die bessere Wahl. „Aber getrocknete Früchte sind sicherlich gesünder als andere Süßigkeiten wie Gummibärchen oder Kekse“, sagt Holthausen. (RND)


Dieser Text gehört zur Wochenend-Edition auf ksta.de. Entdecken Sie weitere spannende Artikel auf www.ksta.de/wochenende.