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Grüner fliegenWo das Potenzial für besseren Klimaschutz in der Luft liegt

Lesezeit 5 Minuten
Das Terminal 2 am Köln/Bonner Flughafen. (Symbolbild)

Das Terminal 2 am Köln/Bonner Flughafen. (Symbolbild)

Experten sagen der Luftfahrt ein ungebremstes Wachstum voraus. Wie lässt sich dies mit dem Bemühen um Klimaschutz vereinbaren? Forschende aus Deutschland feilen an Lösungen.

Die Billigairline Ryanair sorgte kürzlich mit einer Kampagne gegen das Fahrradfahren und die irischen Grünen für Aufsehen. Unter dem Motto „flights not bikes“ (Flüge statt Fahrräder) wetterte der Firmenaccount auf der Social-Media-Plattform X gegen die irischen Grünen und ihre Verkehrspolitik.

Die Abneigung beruht auf Gegenseitigkeit: Für Klimaschützer ist Ryanair-Chef Michael O’Leary seit Langem ein erklärter Gegner. Er sorgt aus ihrer Sicht mit Flügen zu Dumpingpreisen dafür, dass manche gar nicht erst über klimafreundliche Alternativen nachdenken. Im vergangenen Jahr bewarf ihn eine Aktivistin in Brüssel vor dem Hauptquartier der EU-Kommission mit einer Torte. Doch können Torten für ein Umdenken sorgen? Der Trend geht in eine andere Richtung.

Das Flugzeug ist als Fortbewegungsmittel in der modernen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken.
Markus Fischer, Bereichsvorstand Luftfahrt beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt

Kürzlich zeigte die Branche auf der internationalen Luftfahrtmesse im englischen Farnborough einmal mehr, wohin die Reise geht: mehr Flüge, mehr Flugzeuge, mehr Passagiere. Der amerikanische Flugzeugbauer Boeing veröffentlichte im Vorfeld der Messe Ergebnisse einer Langzeitprognose. Demnach würden in den nächsten zwei Jahrzehnten branchenweit fast 44.000 Flugzeuge benötigt. Insgesamt werde sich die Zahl der weltweit eingesetzten Passagier- und Frachtmaschinen bis 2043 nahezu verdoppeln, erklärte der US-Konzern.

Flotten älter als vor der Pandemie

Reisen hätten für Menschen einen noch höheren Stellenwert bekommen als vor der Pandemie, erklärte Boeing-Manager Darren Hulst. Zudem staue sich gerade Nachfrage auf, weil Maschinen wegen Lieferengpässen später als üblich ersetzt würden. Die Flotte sei durchschnittlich etwa ein bis eineinhalb Jahre älter als vor der Pandemie.

Auch der weltgrößte Flugzeugbauer Airbus sieht in einer eigenen Prognose einen Bedarf für mehr als 42.000 neue Maschinen bis 2043. Der Konzern hält aber entgegen: Die neuen Flugzeuge würden zugleich ältere Modelle mit höherem Treibstoffverbrauch ersetzen. Neue Technik soll der Klimabelastung zumindest etwas entgegentreten.

„Rund alle 15 Jahre verdoppelt sich der weltweite Luftverkehr“, verdeutlicht Markus Fischer, Bereichsvorstand Luftfahrt beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). „Das Flugzeug ist als Fortbewegungsmittel in der modernen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken“, sagt Fischer. Wenn dies jemand bezweifeln wolle, müsse er die gesamte gesellschaftliche Entwicklung hinterfragen. „Dann müssten wir auf vieles verzichten.“

Klimawirkung; Nicht mehr zu fliegen, könnte viel bewirken

Doch wie lässt sich das Wachstum in der Luftfahrtbranche mit der Notwendigkeit von mehr Klimaschutz in Einklang bringen? Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) prognostiziert eine Verdreifachung des weltweiten Flugverkehrs bis zum Jahr 2050. Ohne technologische Verbesserungen würde dies auch eine Verdreifachung der Emissionen bedeuten.

Fliegen ist schon jetzt etwa aus Sicht des Umweltbundesamts die klimaschädlichste Art, sich fortzubewegen. „Ein Flug von Deutschland auf die Malediven und zurück verursacht pro Person eine Klimawirkung von rund drei Tonnen CO2-Äquivalenten“, rechnet die Behörde auf ihrer Website vor. Zum Vergleich: Mit einem Mittelklassewagen müsse man mehr als 15.000 Kilometer fahren, bis die Treibhausgaswirkung einer solchen Flugreise erreicht würde.

Je nach Studie trägt die Luftfahrt zwischen 3,5 und 5 Prozent zur menschengemachten Klimaerwärmung bei. Nicht mehr zu fliegen, könnte im Umkehrschluss eine Menge dazu beitragen, den Klimawandel aufzuhalten. Doch dies scheint etwa angesichts der globalen Vernetzung der Menschheit und der Transportwege illusorisch. Deswegen setzen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen weltweit auf eine andere Lösung: das Fliegen deutlich weniger klimaschädlich zu machen.

Auch bei Streckenplanung Potenzial fürs Klima

Das DLR arbeitet seit Langem daran, die Auswirkungen des Fliegens zu minimieren. „Wir wollen die Fliegerei bis Mitte des Jahrhunderts so klimaverträglich gestalten, dass wir die Ziele aus dem Pariser Klimaabkommen der UN rein von der Fliegerei erfüllen können“, sagt Luftfahrtexperte Fischer. In einem ersten Schritt solle der Eigenverbrauch des Flugzeugs an Energie um 50 Prozent gesenkt werden. „Wenn man weniger eigene Energie verbraucht, braucht man auch weniger Kraftstoff“, erläutert Fischer. „Das ist schon mal der wichtigste Schritt.“

Ansätze gibt es viele: Die Strömung des Flugzeugs könne optimiert werden, man könne es noch leichter machen und auch weniger Energie an Bord verbrauchen. „Der Übergang von Glühlampen über Halogen zu LED war schon ein Riesensprung in dieser Hinsicht“, so Fischer.

Der Antrieb ist ein weiterer Baustein in den Bemühungen um weniger Emissionen. Neben einer Optimierung der Triebwerke gibt es auch ganz neue Varianten – etwa einen Elektroantrieb. Der sei aus Sicht des DLR sinnvoll für Kleinflugzeuge, wo er bereits bei einigen Exemplaren zugelassen sei. Bei größeren Maschinen setzen die Forscher auf Hybridtechnik – ähnlich wie beim Auto. „Diese Kombination birgt ein sehr, sehr hohes Potenzial für Flugzeuggrößen im Regionalflugzeugbereich, also mit bis zu 90 Passagieren“, betont Fischer. „Das wird relativ schnell kommen.“ Diese Kombination werde in vielen Varianten erforscht, auch in Verbindung mit Wasserstoffantrieben. Auf der Mittel- bis Langstrecke bieten zudem nachhaltige Flugkraftstoffe (Sustainable Aviation Fuel, SAF) eine vielversprechende Perspektive.

Doch nicht nur mit Technik kann ein Flugzeug Emissionen reduzieren. Auch bei der Streckenplanung sieht Fischer ein „Riesenpotenzial“: „Es gibt Möglichkeiten, etwas niedriger zu fliegen, etwas langsamer, jenen Gebieten auszuweichen, bei denen bekannt ist, dass die Emission der Luftfahrt einen großen Einfluss auf die Atmosphäre hat.“ Die Zeit, die eine Maschine dann möglicherweise länger in der Luft ist, könne womöglich bei der Abfertigung am Boden eingespart werden. „Das sind Größenordnungen von fünf, zehn oder 20 Minuten auf Langstreckenflügen.“

Am DLR sieht man gute Chancen, die Auswirkungen des Fliegens auf das Klima weiter reduzieren zu können: „Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten den Kraftstoffverbrauch je Sitz pro 100 Kilometer ungefähr auf ein Drittel des Wertes reduziert, den man noch in den Siebzigerjahren hatte“, erklärt DLR-Experte Fischer. „Und es wird noch weiter runter gehen.“


Dieser Text gehört zur Wochenend-Edition auf ksta.de. Entdecken Sie weitere spannende Artikel auf www.ksta.de/wochenende.