Wer nie bei „Hochst“ Lichter gestanden oder bei Günther Jauch gesessen hat, kann kein echter Deutscher sein. Einige Gedanken zu „Bares für Rares“.
„Ich bin der Hochst!“Warum ich mich regelmäßig der Trödelshow hingebe
Ich weiß nicht, ob man sich mehr für alte Sachen zu interessieren beginnt, sobald man selbst langsam zur alten Sache wird. Jedenfalls gucke ich mittlerweile ab und zu „Bares für Rares“. Es ist pures Ritual. Denn es passiert: nichts. Die Show besteht im Kern darin, dass sich medienunerfahrene Deutsche in Anglerwesten mit einem patinösen Leuchter oder einer Jugendstilbrosche aus Tante Hedwigs Kruschkiste vorsichtig Horst Lichter nähern.
Lichter – gelernter Koch, Motorradfan und Kumpeltyp – unterzieht dann sämtliche Bronzestatuetten, Blechspielautos oder Butterstampfer unter rheinisch-jovialem Gemurmel gemeinsam mit wechselnden Experten einer Expertise. Sodann erhalten die Verkäufer ein „Händlerkärrrttschen“, mit dem sie sich ihre Ware nebenan von einer Handvoll ausgebuffter Antiquare abluchsen lassen dürfen.
Das Imposanteste an Horst Lichter ist nicht etwa sein spektakulär gezwirbelter Schnauzbart oder sein traditionelles Verhältnis zu Steaks („Unter 400 Gramm ist Carpaccio“). Es ist seine Fähigkeit, sein Gegenüber durch die zersetzende Kraft der Höflichkeit auf Distanz zu halten. Der Horst sagt in immergleicher Laune seinen Gästen stets sofort „Meine Lieben, ich bin der Hochst!“. Aber du weißt sofort: Wehe, es läuft nicht so, wie „der Hochst“ das möchte, dann bist du nicht mehr „mein Lieber“, dann bist du am Arsch.
Die äußerst populäre Trödelshow entführt uns in eine Zeit anno dunnemals, als natürlich, wie wir schließlich alle wissen, die Dinge noch gut, wahr und schön waren und nicht aus Plastik. Was mich dabei regelmäßig in Staunen versetzt, ist die Tatsache, dass es offenbar selbst für nikotingelbe Zigarettenetuis aus dem Kaiserreich oder todesechte Horrorpuppen mit der drahtigen Strohfrisur einer modrigen Moorleiche noch einen Sammlermarkt zu geben scheint.
Kröten für Antiquitöten fanden keine Gnade
Der Sendungsname „Bares für Rares“ blieb übrig, nachdem das ZDF folgende Varianten als zu konkret, zu englisch oder auch zu missverständlich verworfen hatte: Cash für Trash, Flocken für Brocken, Kies für Genies, Forinten für Flinten, Heu für Spreu, Mäuse für Gehäuse, Peseten für Macheten, Asche für Rasche, Penunzen für Punzen und Zunder für Plunder. Auch die Varianten Scheine für Schreine, Scheinchen für Steinchen und Kröten für Antiquitöten fanden keine Gnade.
Nach zehn Jahren dürfte „der Hochst“ inzwischen wohl jede in Deutschland existierende Antiquität zwischen Lübeck und Garmisch-Partenkirchen in den Händen gehalten haben. Das Land ist komplett durchexpertist. Und natürlich passt es optisch famos zum Plunderfernsehen, dass Lichter selbst aussieht wie ein Bahnhofsvorsteher aus einem Heinz-Rühmann-Film. Sein Wohlfühlparlando entwickelt dabei eine fast Bob-Ross-hafte Sogwirkung. „Bares für Rares“ ist Manufactum-Fernsehen für Nichtwegschmeißenkönner, ein mediales Narkotikum für die Stagnationsphase des Tages.
Wer nie bei „Hochst“ Lichter gestanden oder bei Günther Jauch gesessen hat, kann kein echter Deutscher sein. Und jetzt muss ich schnell los. Ich habe da noch eine afrikanische Maske vom Basar in Tunesien. Die ist bestimmt echt. Mehr dazu demnächst im ZDF.
Schönes Wochenende!
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