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Kommentar

Kolumne
„Ich glaube, dass Bofrost-Männer keine Warmblüter sind“

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
Tiefkühl-Beerenmix

Heutzutage ist es nicht schwer, im Supermarkt an Tiefkühlkost zu kommen. Dennoch ist Verlass auf den Bofrost-Wagen.

Der Frostbote klingelt: Wer braucht heute noch gefrorene Schlemmerfilets oder Himbeertorte an der Haustür? Über ein Geschäftsmodell mit absurdem Erfolg.

Dem menschlichen Erfindergeist sind keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, mit bizarren Geschäftsideen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Firma Potato Parcel zum Beispiel verschickt als postalischen Gruß beschriftete Kartoffeln. Der Versand einer Expressknolle mit der Aufschrift „Hallo Opa! Hier kommt dein Abendbrot“ kostet 12 Dollar.

Zu Ruhm gekommen ist auch die Idee, Kieselsteine als „Haustiere“ zu verkaufen. Ein „Pet Rock“ kostet rund 40 Dollar. Daher auch der Ausdruck „steinreich“. Das Geschäft brummt (beziehungsweise: brummt natürlich nicht, denn Steine brummen nicht).

Die verrückteste Geschäftsidee freilich führt tief zurück in die Pubertätsjahre der Bundesrepublik, als ein Issumer Kaffeeröster namens Josef Boquoi eine seltsame Idee hatte: Komm, lass uns gefrorenes Zeug durch die Gegend kajolen. Wenn das Prinzip Postbote funktioniert, warum nicht auch das Prinzip Frostbote? Seither fährt ein Heer von gut 10.000 Apfeltaschen- und Schlemmerfilet-Dealern massenhaft geeiste Ware in weißen Kastenautos durch die Vorstädte. Und Väterchen Bofrost wurde sehr, sehr reich.

„Ich komme wieder“

Nun ist es im Jahr 2024 nicht mehr sehr kompliziert, TK-Lebensmittel zu erwerben. Dennoch bezahlen viele Menschen bis heute bereitwillig 6 Euro mehr für gefrorene Kartoffelecken, die sie auch 200 Meter weiter im Supermarkt erwerben könnten, wenn sie dafür im Gegenzug regelmäßig an der Haustür belästigt werden. Und wenn der Bofrost-Mann niemanden antrifft, hinterlässt er einen drohenden Warnzettel, auf dem steht: „Ich komme wieder.“ Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mir macht das Angst. Ist das noch Marketing oder schon Mobbing? Das klingt schwer nach Vlad, dem Pfähler.

Ich glaube, dass Bofrost-Männer keine Warmblüter sind. Schließlich sitzen sie jahrelang in tiefgekühlten Autos. Sie gucken dich an mit diesen eisblauen Augen und sagen: „Ich habe heute Himbeertorte und Hähnchenschnitzel in Rosmarin-Dinkel-Panade dabei.“ Und du weißt nicht, zu was sie in der Lage wären, wenn du keine Himbeertorte oder Hähnchenschnitzel kaufst. In Tiefkühltruhen werden auch sehr unschöne Dinge aufbewahrt.

Andererseits: Sie sind für dich da

Wenn der Bofrost-Mann klingelt, halte ich mich deshalb an drei Regeln: Ich vermeide direkten Blickkontakt. Ich spreche nur, wenn ich gefragt werde. Und ich erwähne keine Reizthemen wie zum Beispiel das Internet oder die Insolvenz von Tupperware. Ich möchte nicht zwischen die Fronten geraten in der großen Clanfehde, die seit Jahrzehnten zwischen den Bofrost-Männern und den Eismann-Männern tobt.

Andererseits: Sie sind für dich da. Wenn in den letzten Tagen der Menschheit die Sonne zum Roten Riesen aufgebläht sein wird, wenn du glaubst, als einzig verbliebener Mensch auf Erden zwischen zerfallenden Häusern und Gerippen verendeter Tiere allein über den verödeten Planeten zu streifen – dann wird immer noch alle paar Tage ein Bofrost-Mann klingeln und fragen, ob du Rösti mit Bergkäse brauchst. Oder Benzin. Oder Schusswaffen.

Schönes Wochenende!


Dieser Text gehört zur Wochenend-Edition auf ksta.de. Entdecken Sie weitere spannende Artikel auf www.ksta.de/wochenende.