Der Sommer hat noch nicht begonnen, da wird schon auf die nächste Saison geschaut: Die jüngsten Fashion Weeks zeigten Mode für Herbst und Winter. Doch wer Tragbares sucht, schaut am besten darauf, wie sich die Designerinnen und Designer selbst kleiden.
Mode-InspirationEin Blick auf den Stil der Designerinnen und Desiger
Wenn es nach den Trends der diesjährigen Fashion Weeks in den Modemetropolen Paris, Mailand, London und New York geht, wird der nächste Winter hart: Blazer reichen noch nicht mal mehr bis zum Bauchnabel, Röcke sind durchsichtig, Trenchcoats wallen wie Abendkleider, Hosen sind nicht mehr nur weit, sondern ballonartig, und Pullover können gar nicht grässlich genug gemustert sein. Das Farbenmeer schwappt insgesamt zwischen Türkis und Aubergine.
Und Jonathan Anderson, der einst die ikonische Taubentasche von Carrie Bradshaw in der Kultserie „Sex and the City“ entwarf, hat für das Label Loewe nun eines der sonderbarsten Accessoires der Pariser Modewoche auf dem Laufsteg präsentiert: eine Tasche in Form eines Spargelbunds. Wenn das Iris Apfel noch miterlebt hätte! Von jungem Gemüse hat sie nie viel gehalten. Und genau mit dieser Einstellung wurde sie zur Modeikone.
Anfang des Monats starb Apfel mit 102 Jahren. Die einstige New Yorker Innenarchitektin, berühmt für ihre außergewöhnliche Garderobe, war eine Ausnahmeerscheinung im Modezirkus. Kein kreativer Kopf an der Spitze eines namhaften Luxuslabels vermag bis heute, was sie geschafft hat: Spaß und Stilsicherheit dauerhaft und ungeachtet jeglicher Trends miteinander zu vereinen. Als modisches Vorbild wird sie fehlen. Was bleibt, sind ihre klugen Kommentare zum Thema Kleidung. Sie, die selbst in hohem Alter für Modekampagnen vor der Kamera posierte, kritisierte oft den Jugendwahn in der Branche: „Warum diese 15-jährigen Models? Wie soll sich eine ältere Frau damit identifizieren können?“
Beim Anblick der Defilees im Rahmen der Fashion Weeks fehlt aber nicht nur oftmals Identifikationspotenzial. Auch Jüngere dürften sich oft fragen, inwiefern das Gezeigte tragbar ist. Oft lassen es die Entwürfe nicht nur an Diversität bei Größe und Passform vermissen, sondern auch an Funktionalität, Bequemlichkeit und Zeitlosigkeit.
Mode ist eine Kunsform
Modedesign, zumal Haute Couture, ist eine Kunstform. Man kann die Kreationen anschauen und bewundern, ohne sie besitzen zu müssen. Sie können als Inspirationsquelle dienen. Früher oder später werden Schnitte, Farben und Muster für den massentauglichen Modemarkt herausgefiltert und heruntergebrochen. Ein Boucléjäckchen von Zara oder H&M verströmt dann einen Hauch von Chanel. Doch wer auf einen modernen, alltagstauglichen Look aus ist, der noch dazu die nächste Saison übersteht, schaut bei den Fashion Weeks besser nicht auf die Models, sondern auf die Designerinnen und Designer.
Sie sind oftmals in Verhältnissen groß geworden, in denen teure Designerkleidung keine Rolle spielte, und haben sich hochgearbeitet. Überhaupt ist ihr Alltag von Arbeit geprägt. Extravaganzen stören dabei. Sie schätzen bequeme Kleidung und erfinden sich nicht automatisch mit jeder Kollektion neu. Darüber hinaus sind sie oftmals darauf bedacht, weder ihre Gäste noch ihre Models zu überstrahlen, und sie treten nicht wie Paradiesvögel, sondern besonders lässig oder besonders zurückhaltend gekleidet auf.
Schwarz dominiert
Schwarz ist die beherrschende Farbe. Selbst eine Donatella Versace, bekannt für ihre glamourösen Entwürfe, trug dieses Jahr zum Finale auf dem Catwalk nicht eines ihrer metallicfarbenen Kleider, sondern eine dunkle Smokingjacke. Auch Sabato de Sarno, künstlerischer Leiter bei Gucci, bevorzugt gedeckte Farben, trägt aber lieber Sweatshirt statt Anzug. Bei den jüngeren Designerinnen wie etwa bei Susan Fang, die in London arbeitet, ist meist etwas mehr Farbe im Spiel.
Insgesamt werden Understatement und Bodenständigkeit großgeschrieben. So zeigte sich Diors Kreativdirektorin Maria Grazia Chiuri bei der Pariser Fashion Week mit Jeans, dunklem Pulli und schwarz glänzenden Herrenschuhen, während ihre Models betont feminine Mode im Sechzigerjahrestil vorführten. Victoria Beckham stellte hochgeschlitzte Röcke und rückenfreie Oberteile vor, erschien aber selbst hochgeschlossen und mit schwarzer Schlaghose aus fließendem Stoff – elegant und dennoch praktisch, zumal die Designerin wegen eines gebrochenen Fußes an Krücken laufen musste.
Eine, die man fast nie im Kleid sieht und die Jeans über alles liebt, obwohl man in dem Haus, für das sie arbeitet, lange mit diesem Stoff haderte, ist Virginie Viard, Kreativchefin von Chanel. Als Jugendliche verbrachte die Französin ein Jahr in London, es war die Punk-Ära der Achtzigerjahre. Bis heute wirken Viards Eindrücke und die Begeisterung für diese Zeit bei ihr nach. Sie schafft den Spagat, die DNA der Traditionsmarke Chanel zu bewahren und sie trotzdem alltagstauglich erscheinen zu lassen: „Meine Herangehensweise an die Arbeit war schon immer eher einfach und pragmatisch, aber ich habe mehr denn je das Gefühl, dass mich Wahrhaftigkeit und Realismus leiten werden.“
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