Autos, Unterkünfte, Akkubohrer: Auf Sharing-Plattformen können Menschen Geld sparen, indem sie Dinge mieten, statt zu kaufen. Klingt unkompliziert, hat aber rechtliche Fallstricke. Und wie sinnvoll ist das Prinzip für die Umwelt?
Nur das halbe Vergnügen?Über Vorteile und Nachteile von Sharing-Plattformen
Zwei Kinder im Sandkasten, eine Schaufel und beide rufen: „Das ist meine!“ Das bekannte trotzige Verhalten von Kindern ließ Forschende lange Zeit glauben, dass der Mensch egoistisch auf die Welt kommt. Teilen sei eine soziale Fähigkeit, die er erst erlernen muss, hieß es. Inzwischen haben Studien bewiesen, dass schon Kleinkinder freiwillig selbstlos handeln, wenn sie merken, dass ein anderer Mensch Hilfe benötigt. Dennoch tun sich viele Menschen schwer mit Uneigennützigkeit. Und doch liegt Teilen im Trend.
Ökonomen haben festgestellt, dass es Menschen unter gewissen Bedingungen leichter fällt zu teilen. Zum Beispiel in Zeiten von Kriegen und Krisen: Die weltweite Wirtschaftskrise 2008 und die Staatsschuldenkrise in Griechenland 2010 haben zeitweise den Trend zum Tauschen und Teilen befördert. Wenig überraschend teilen Menschen auch dann eher, wenn sie davon profitieren. Darauf basiert das Konzept Sharing Economy, der Wirtschaft des Teilens.
„Das durchschnittliche Auto bleibt bis zu 95 Prozent des Tages ungenutzt, der Akkubohrer wird über seine gesamte Lebensspanne im Schnitt nur zwölf Minuten eingesetzt“, sagt Jonas Pentzien vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung. „Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, selten genutzte Ressourcen zu teilen.“ Pentzien forscht aus sozial-ökonomischer Sicht zur Sharing Economy. Das positive gesamtgesellschaftliche Versprechen dahinter sei, dass dadurch der Gesamtkonsum verringert werde. Gleichzeitig verfolgen Anbieter und Mieter wirtschaftliche Interessen: Wer Autos, Wohnungen und Alltagsgegenstände vermietet, bekommt dafür Geld. Und wer etwas mietet, was nur selten genutzt wird, kann sich die hohen Kosten für die Anschaffung sparen. Das Prinzip des Teilens ist nicht neu, ein klassisches Beispiel sind Bibliotheken. Aber erst durch das Internet konnte die Sharing Economy zu einem Konzept werden, das derart viele Möglichkeiten des Teilens umfasst.
Manche Ökonomen sind gar der Meinung, dass die Sharing Economy das bisherige Wirtschaftssystem von Grund auf umkrempeln kann. Eine steile These, aber tatsächlich steigt das Interesse an Sharing-Angeboten in vielen Bereichen. Airbnb, eine der bekanntesten Plattformen zur Vermietung von privaten Unterkünften, erwirtschaftete im Jahr 2022 weltweit einen neuen Umsatzrekord von 8,4 Milliarden US-Dollar.
Und die Zahl registrierter Carsharing-Nutzer in Deutschland stieg einer Statista-Erhebung zufolge allein von 2022 bis 2023 enorm: von 3,39 Millionen Nutzenden auf 4,47 Millionen. Carsharing-Anbieter wie Stadtmobil und Share Now parken dementsprechend inzwischen zahlreiche Autos in Großstädten. Über Portale wie Airbnb und WG gesucht können Reisende oder Studierende für kurze Zeit eine Wohnung buchen – das ist meist günstiger als ein Hotel. Und auf Plattformen wie „Depot“ und „Leihothek“ kann man Gegenstände mieten, die man nur sporadisch braucht: Reisebetten für Kinder oder Popcornmaschinen.
Wer ein Objekt mietet, muss es zur vereinbarten Zeit wieder zurückgeben – und zwar in dem Zustand, in dem es abgeholt wurde. Doch was ist, wenn man mit dem Wagen einen Unfall baut oder den Akkubohrer kaputt macht? „Wenn man etwas Fremdes beschädigt, muss man auch für den Schaden aufkommen“, sagt Julia Zeller, Juristin bei der Verbraucherzentrale Bayern. Sie rät daher dazu, vor der Nutzung von Sharing-Angeboten zu prüfen, für welche Schäden die eigene Haftpflichtversicherung aufkommt. Außerdem lohne sich ein Blick in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Sharing-Anbieters, um zu prüfen, für welche Schäden in welchem Umfang Kunden haften.
Wer zum Beispiel ein Mietauto beschädigt, muss den Carsharing-Anbieter sofort darüber informieren. „Außerdem sollten Nutzer bei der Abholung eines Autos prüfen und dokumentieren, welche Schäden das Fahrzeug bereits hat – am besten mit einem Foto“, sagt sie. „Denn ansonsten könnten ihnen Schäden angelastet werden, die andere verursacht haben.“ Auch bei der Abgabe sollte der Zustand des Wagens per Foto festgehalten werden. Das Prinzip gelte auch für Wohnungen und andere Mietobjekte.
Während viele Menschen Sharing-Angebote nutzen, um Geld zu sparen, versprechen sich andere davon Vorteile für die Umwelt. Das Grundprinzip des Teilens sei aus ökologischer Sicht zwar sinnvoll, sagt Pentzien. „Aber es wäre naiv zu denken, dass Sharing all unsere Nachhaltigkeitsprobleme behebt.“ Das Problem sei, dass kommerzielle Sharing-Plattformen immer mehr Geld verdienen wollten – und dafür müssten sie immer mehr Autos, Wohnungen und Co. bereitstellen. „Sie wollen ein Mehr, aber Nachhaltigkeit verlangt ein Weniger. Das ist ein Grundkonflikt, den man nicht auflösen kann“, sagt Pentzien.
Wer mehr teilt, kann trotzdem den eigenen ökologischen Fußabdruck verringern. Aber nur dann, wenn man das eingesparte Geld nicht für klimaschädliche Zwecke verwendet. „Wenn ich Airbnb nutze und mit dem dadurch gesparten Geld häufiger in den Urlaub fahre, kann der CO2-Verbrauch insgesamt steigen“, betont Pentzien. Auch Carsharing kann sich schlecht auf die eigene Umweltbilanz auswirken: „Wenn man dadurch häufiger Auto fährt und weniger die klimafreundlichere Bahn nutzt, ist das aus Umweltperspektive sehr schlecht“, betont der Forscher.
Pentzien ist davon überzeugt, dass die Sharing-Economy nachhaltiger werden kann. „Wir brauchen zum Beispiel mehr Plattformen, die eine Nachhaltigkeits- und Gemeinwohlorientierung haben und wirtschaftlich tragfähig sind“, sagt er. Es gebe bereits Beispiele: „Mit alternativen genossenschaftlichen Plattformen können die Menschen selbst die Regeln aufstellen – das ist auch aus ökologischer Perspektive vielversprechend.“ (RND)