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Opernarien und LieblingspopWarum singen wir unter der Dusche?

Lesezeit 2 Minuten
Eine Frau singt und benutzt den Duschkopf als Mikrofon.

Viele Menschen glauben, dass sie nicht musikalisch genug sind, und singen nur für sich selbst.

Die Antwort kommt von Pauline Larrouy-Maestri, leitende Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik.

Ein wichtiger Teil der Antwort ist sicher unser musikalisches Schamgefühl. Wir singen unter der Dusche, weil uns dort niemand hört. Dort können wir Opernarien trällern, vor uns hin rappen oder die aktuellen Popcharts nachsingen, ohne das Urteil unserer Mitmenschen fürchten zu müssen. Wer soll schon zuhören? Der Hund oder die Katze vielleicht, die eigenen Kinder oder der Partner oder die Partnerin. Aber sie alle sind uns (hoffentlich) wohlgesinnt und urteilen nicht allzu streng.

Mit dem Rauschen der Dusche oder dem Brummen des Motors im Hintergrund wagen wir sogar stimmliche Experimente.
Pauline Larrouy-Maestri

Die Scheu, vor Publikum zu singen, kommt nicht von ungefähr. Schließlich ist die eigene Stimme das intimste aller Instrumente. Sängerinnen und Sänger können sich nicht hinter eine Gitarre oder ein Klavier zurückziehen. Im Gegenteil: Mit ihrer Stimme zeigen sie etwas ganz Privates von sich. Beim Singen unter der Dusche oder im Auto kann man sich dagegen gefahrlos der Leidenschaft des Singens hingeben. Mehr noch: Mit dem Rauschen der Dusche oder dem Brummen des Motors im Hintergrund wagen wir sogar stimmliche Experimente.

Glückshormone werden ausgeschüttet

Abgesehen davon ist das Singen ein wichtiger Teil unserer Kultur. Wir singen, wenn wir traurig oder fröhlich sind, wir singen anderen ein Ständchen oder feuern gemeinsam unseren Lieblingsverein an. Glückshormone werden ausgeschüttet und Stresshormone wie Cortisol und Adrenalin abgebaut. Außerdem führt das Singen einer Melodie zu einer intensiveren Atmung. Es gelangt mehr Sauerstoff in unseren Körper.

Nur zwei Argumente sprechen aus meiner Sicht gegen das Singen im Bad. Das Singen mit Hintergrundgeräuschen kann dazu führen, dass man sich mehr anstrengt, um lauter zu sein. Doch es ist wichtig, darauf zu achten, dass die Stimme nicht überlastet wird, denn das kann ungesund sein. Und wenn wir unsere Stimme und unseren Gesang wirklich verbessern wollen, ist das Brausen des Wassers eher hinderlich.

Leider glauben viele Menschen, dass sie nicht musikalisch genug sind, und singen nur für sich selbst. Schuld daran sind oft negative Erfahrungen, zum Beispiel aus dem Musikunterricht. Dabei sind völlig unmusikalische Menschen selten. Das Gefühl, nicht singen zu können, entsteht meist durch fehlende Routine.

Die gute Nachricht: Wir können unsere Stimme trainieren – wie Muskeln beim Sport. Dazu müssen wir vor allem viel singen, vielleicht auch mal ohne Ablenkung. Je wohler wir uns mit unserer Stimme fühlen, desto mutiger können wir werden und sogar das Singen in der Gemeinschaft ausprobieren.

Protokoll: Birk Grüling


Dieser Text gehört zur Wochenend-Edition auf ksta.de. Entdecken Sie weitere spannende Artikel auf www.ksta.de/wochenende.