Sofas werden immer größer – für die, die es mögen und den Platz haben. Denn die aktuellen Modelle sind vielfach modular: Man kann je nach Belieben anbauen, es aber auch bei der kleinen Kuschelecke belassen.
Riesen-Sofas im TrendNur Sitzen wird schwierig
Bevor es gemütlich wird, ein paar nackte Zahlen: Für 97 Prozent der Deutschen ist das Surfen im Internet die beliebteste Freizeitbeschäftigung, gefolgt von Fernsehen (84 Prozent) und Musikhören (83 Prozent). Doch auch Tagträumen hat einen hohen Stellenwert: 72 Prozent gehen in ihrer Freizeit gern eigenen Gedanken nach, 63 Prozent legen Wert auf absolutes Nichtstun. Das ist das Ergebnis des aktuellen „Freizeit-Monitors“ der Stiftung für Zukunftsfragen, die zum Tabakunternehmen British American Tobacco (BAT) gehört. Befragt wurden rund 2000 Bundesbürger.
Aus den Antworten zog Stiftungsleiter Prof. Ulrich Reinhardt die Erkenntnis, dass sich das Leben abseits der Arbeit hierzulande vor allem an einem besonders gemütlichen Plätzchen abspielt: auf dem Sofa. Surfen und chillen in den eigenen vier Wänden lässt sich am besten zwischen Polstern und Kissen. „Die eigene Couch wird so zum Epizentrum der modernen Freizeitgestaltung“, sagte Reinhardt bei der Vorstellung der Studie, in der Sporttreiben übrigens mit 50 Prozent auf dem letzten Platz landete.
Wir sind also alle mehr oder weniger Couch-Potatoes. Wenn man davon ausgehen kann, dass die Nachbarinnen und Nachbarn auch nicht immer mit dem Fläzen warten, bis das allseits empfohlene Tagespensum von 10.000 Schritten erreicht ist, lässt man sich doch glatt noch genüsslicher in die Polster plumpsen. Zumal in der dunklen Jahreszeit, wenn die Tage kurz und die Schlechtwetterphasen lang sind. Auch das von vielen als rau empfundene gesellschaftliche Klima und die unsichere politische Weltlage sorgen dafür, dass das sogenannte Cocooning, also das Einigeln und Abschotten im häuslichen Umfeld, das sich bereits mit Beginn der Corona-Pandemie verstärkte, auch weiterhin die private Inneneinrichtung bestimmt. Ein Rückgang des Trends ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Der Wohlfühlfaktor im Bereich Möbel nimmt immer größere Ausmaße an. Bestes Beispiel: das Sofa.
Trendanalysten sehen eine „große Sehnsucht nach Geborgenheit“, die auch mit entsprechendem Interieur zu stillen versucht werde. Möglichkeiten gibt es zuhauf: Auf der diesjährigen Mailänder Möbelmesse Salone del Mobile etwa dominierten im Bereich Polstermöbel vor allem abgerundete Formen, deren Lehnen regelrecht zu einer Umarmung einladen. Hinzu kommen weiche Stoffe wie Bouclé und Teddyplüsch – bevorzugt in Kuscheltierfarben wie Beige und Braun. Überhaupt ist der Kuschelfaktor bei aktuellen Sofamodellen hoch: Man versinkt oft in einer ausladenden Kissenlandschaft. Oft bodennah. Der Vorteil vieler Modelle ist, dass man selbst entscheiden kann, wie ausufernd die Ruhezone sein darf: Modulare Systeme ermöglichen jederzeit einen An- und Abbau von Elementen. Doch egal wie groß die Ruhezone auch ist: Sitzen ist schwierig, wieder hochkommen auch. Also liegt man wie auf einer Insel der Glückseligkeit, während man den Alltag am Möbel abprallen lässt. Die italienische Designfirma Zanotta hat eins ihrer Modelle mit röhrenförmiger Lehne denn auch konsequenterweise „Bumper“ genannt. Aus dem Englischen übersetzt, bedeutet es Stoßstange.
Liegesofas waren schon in der Antike bekannt
Auch die deutsche Marke „Dante – Goods and Bads“ spielt mit röhrenförmigen Elementen: Die kurvige Couch „Serpentine“ etwa erinnert entfernt an die geschwungenen Sofas früherer Epochen. Während die Neuinterpretation zum Langmachen auf ganzer Linie einlädt, waren Sofas bis in die 1950er-Jahre hinein noch Sitzmöbel, die diese Bezeichnung auch verdienten. Man lungerte nicht drauf herum, sondern saß wohlgesittet und kerzengerade eher auf der Kante als in der Ecke, um Konversation zu betreiben, eine Tasse Kaffee zu trinken oder Zeitung zu lesen.
Früher wegen der aufwendigen Fertigung nur für den Adel erschwinglich und Prunkstück in den Salons der vornehmen Gesellschaft, wurde das Sofa mit Beginn der industriellen Revolution auch zum repräsentativen Möbel des Bürgertums – und zu einem Symbol der Biederkeit, das sich vor allem einer gekonnt zunutze zu machen wusste: Vicco von Bülow alias Loriot (1923–2011). Seine Anmoderationen für Sketche und Cartoons bestritt er zunächst auf einem roten, später auf einem grünen Biedermeiersofa. Es war das perfekte Requisit, um in distinguiertem Plauderton den bis dahin recht drögen deutschen TV-Humor zu revolutionieren.
Heute findet man allenfalls noch im Antiquitätenhandel Sofas, auf denen man aristokratisch-steif auf der Kante sitzen kann und hohe Lehnen vor allem dekorativ vor Zugluft schützen sollen. Dabei ist die aktuelle Ausweitung der Knautschzone gar keine so neue Idee, sondern geht zurück auf den Ursprung der Couch-Kultur: Schon im antiken Rom und Ägypten kannte man das Liegesofa. Die Gestelle aus Holz und Stein wurden mit Fellen, Decken und Kissen gepolstert, waren aber in der Regel den Männern vorbehalten. Frauen mussten auf dem Boden sitzen. Endgültig zum herrschaftlichen Möbelstück wurde die Liege (arabisch: Suffa) bei den Sultanen. Während europäische Fürsten auf harten Stühlen thronten, saßen arabische Herrscher auf einer weichen „Suffa“. Aus dem arabischen Wort für Ruhebank leitete sich später der Begriff Sofa ab. Ende des 16. Jahrhunderts entstanden in Deutschland und England erste Modelle aus Holz mit Polstern aus Pferdehaar. Denn eines sollte das Sofa von Anfang an sein: weich und bequem.
Sofa nähert sich dem Bett an
Seit den 1970er-Jahren hat sich das Sofa immer mehr dem Bett angenähert. Heute dient es daher auch vor allem dem ganz privaten Gebrauch. Gästen bietet man eher einen Platz am Esstisch, allenfalls noch in einem Sessel an, aber nicht unbedingt auf dem Sofa. Es sei denn, man steht sich sehr nah, dann kann man auch halb liegend miteinander plaudern, nebeneinander oder jeder in einer Ecke. (RND)
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