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Songs für den US-WahlkampfBeyoncés Gospel für Harris lässt Trumps Auswahl alt aussehen

Lesezeit 5 Minuten
Bildkombination aus Beyoncé und Kamala Harris (Archivbilder)

Beyoncés acht Jahre alte Song war 2020 die Hymne der Black-Lives-Matter-Proteste. Jetzt ist „Freedom“ noch politischer geworden. Es ist jetzt der Song für Kamala Harris (rechts). (Archivbild)

Popstars lehnen es in der Regel ab, ihre Lieder politisch instrumentalisieren zu lassen. Aber Weltstar Beyoncé schenkte der Demokratin Kamala Harris jetzt ihren Song „Freedom“ für deren Kampagne in den USA.

Freiheit! Freiheit! Ich kann mich nicht bewegen! Freiheit! Schneide mich los!“ Der Song hat Wucht, ist ein mächtiger Gospel. Beyoncés Stimme ist kraftvoll, ihr Gesichtsausdruck im Video ernst, zornig. Das Stück ist ein feministisches Statement und eines gegen Rassismus und die Benachteiligung Schwarzer in Amerika.

Der acht Jahre alte Song war 2020 die Hymne der Black-Lives-Matter-Proteste. Jetzt ist „Freedom“ noch politischer geworden. Es ist jetzt der Song für Kamala Harris.

Hey! Ich werde weiterlaufen, / denn ein Sieger gibt sich nicht auf
Beyoncé, aus „Freedom“

Beyoncé hat Harris, der Vizepräsidentin und wahrscheinlichen Präsidentschaftskandidatin der Demokratischen Partei, die Erlaubnis gegeben, ihn als „offiziellen Song“ für ihre Kampagne zu verwenden. Der Song passt. Zeilen wie „Ich singe ‚Freiheit‘, / denn auch ich brauche Freiheit, / ich zerbreche die Ketten selbst, / ich werde meine Freiheit nicht in der Hölle verrotten lassen“ lassen sich gegen die rückwärtsgewandten rechten Vorstellungen über Schwangerschaftsabbrüche lesen, gegen die Einschränkungen von Wissenschaft in der Schulbildung, gegen all die Abrissbirnen, die die „Make America great again“-Republikaner, die Maga-Reps, gegen die Demokratie krachen lassen.

Und das folgende „Hey! Ich werde weiterlaufen, / denn ein Sieger gibt sich nicht auf“ verweist auf den harten Gang, der Harris bis zur Wahl im November bevorsteht.

Euphorie bei den Zuschauerinnen und Zuschauern

Zum ersten Mal hat Harris den Song in Wilmington, Delaware, benutzt, sie kam beim ersten Auftritt ihrer Kampagne zu Beyoncés „Freedom“ auf die Bühne. Der Ruf der Freiheit passte zum Lachen der Politikerin, beides versetzte die Zuschauerinnen und Zuschauer in Euphorie. Dagegen wirken die Shows von Donald Trump manchem plötzlich wieder wie Auftritte eines alten Dadaisten, der seltsames böses Zeug von sich gibt und trotzdem gefeiert wird.

„Freedom“, ein Duett mit Rapper Kendrick Lamar, soll in den kommenden Wochen bis zum Wahltag immer das Entreestück für Harris sein. Ein solches Einvernehmen zwischen Politik und Pop wie hier ist nicht die Regel. Zwar war Fleetwood Macs „Don’t Stop (thinking about tomorrow)“ 1992 die Erkennungsmelodie für Bill Clintons Kampagne. Und Frank Sinatra hatte 1960 mit einer Version seines Hits „High Hopes“ für den demokratischen Kandidaten John F. Kennedy getrommelt.

Springsteen verweigerte Reagan „Born in the USA“

Öfter haben Popstars jedoch auch Einwände, wenn Politiker ihre Songs vereinnahmen. Wohl vor allem, weil damit meist verbunden wird, die Bands würden die Einstellung derer teilen, die sie verwenden. Die Band REM drohte mit juristischen Schritten, als Trump ihre Songs „Losing My Religion“ und „Everybody Hurts“ abspielen ließ. Bruce Springsteen verweigerte Ronald Reagans Wiederwahlkampagne von 1984 seinen Song „Born in the USA“ – eine Antihymne über das gesellschaftliche und ökonomische Außenseitertum von Vietnam-Veteranen.

Dieser Protestsong hat vier Jahrzehnte Missbrauch für Veranstaltungen der Konservativen hinter sich – von Reagan bis Trump. Und das, obwohl Springsteen offen gegen Trump steht, ihn unter anderem als „schamlosen, toxischen Narzissten“ bezeichnet hatte.

Woody Guthries Guitarre: „this machine kills fascists“

Politische Populärmusik ist seit den Tagen von Woody Guthrie und seiner Gitarre, auf der „this machine kills fascists“ stand, in der Regel dazu da, Politik zu hinterfragen, statt sich ihr dienstbar zu machen. Auf Alben wie Son Volts „Union“ oder Will Hoges „My American Dreams“ wurde diese Fahne der Kritik und des Protests auch während der Präsidentschaft von Donald Trump gehisst. Viele Musiker sagten Trump den Kampf an.

Kritik an einem Präsidenten kann für Bands oder Musikerinnen allerdings auch unangenehme Folgen haben. In Louisiana wurden 2003 zu Zeiten des Irak-Kriegs große Traktoren angeworfen, die öffentlich Plattenhaufen der George-W.-Bush-kritischen Dixie Chicks zermalmten. Sängerin Natalie Maines hatte zuvor in London gesagt: „Ich schäme mich, dass George W. Bush ein Texaner ist.“ Daraufhin boykottierten Rundfunksender die Band. Trotz einer Entschuldigung der Musikerinnen gaben Rundfunkstationen im „land of the free“ der kurz zuvor Grammy-gekürten Band mit auf den Weg, ihre Platten „doch in Bagdad zu verkaufen“.

Ich schäme mich, dass George W. Bush ein Texaner ist
Natalie Maines

Neil Young waren Boykotte egal: „Let’s impeach the president“ sang er 2006 auf dem Album „Living with War“. Der in den USA lebende Kanadier grummelte, er wolle Bush junior absetzen wegen Machtmissbrauchs, Religionsmissbrauchs, Misswirtschaft, Rassismus, erwiesener Unfähigkeit beim Untergang von New Orleans. Und natürlich wegen der Lügen (beziehungsweise der Anpassung der Wahrheit an die Ziele der Politik), mit denen er die „Boys“ in Afghanistan und im Irak in Krieg und Tod schickte.

Beyoncé hat ihren Schritt, Harris „Freedom“ zu überlassen, bislang nicht kommentiert, ebenso wenig gibt es ein Statement der Harris-Kampagne. Aber die Sängerin, die zu den erfolgreichsten Popstars weltweit zählt, hatte schon lange Einsatz für die Demokratische Partei gezeigt. Drei Tage vor den US-Wahlen 2016 hatte sie bei einer Kundgebung den Song „Formation“ für die damalige Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton gesungen und der Menge erklärt, sie wolle, „dass meine Tochter aufwächst und sieht, wie eine Frau das Land anführt“. 2009 hatte sie Etta James’ „At Last“ beim Inaugurationsball für die Obamas gesungen, 2013 sang sie „The StarSpangled Banner“, die amerikanische Nationalhymne, bei Barack Obamas zweiter Inauguration.

Ich bin stolz darauf, Amerikaner zu sein, / wo ich zumindest weiß, dass ich frei bin, / und ich werde die Menschen nicht vergessen, / die für dieses Recht gestorben sind
Countrysänger Lee Greenwood

Bei Trumps Auftritten wird traditionell „God Bless the USA“ des Countrysängers Lee Greenwood gespielt, eine streicherdurchwirkte Ballade. Auch Greenwood singt von „Freiheit“. „Ich bin stolz darauf, Amerikaner zu sein, / wo ich zumindest weiß, dass ich frei bin, / und ich werde die Menschen nicht vergessen, / die für dieses Recht gestorben sind.“ Ein Text, der die Haltung Trumps ausblendet, der die amerikanischen Weltkriegstoten auf dem US-Friedhof in Aisne-Marne in Frankreich als „loser“ und „sucker“ bezeichnet haben soll.

„God Bless the USA“ war schon das Markenzeichen von Trumps erster Kampagne gewesen. Am Tag nach dem Attentat auf Trump in Butler, Pennsylvania, trat der inzwischen 81-jährige Greenwood auf der Bühne des Republican National Convention in Milwaukee höchstselbst auf – der Ex-Präsident und der Musiker sind Freunde. Verkauft hatte Greenwood den Song allerdings schon 1984 an die Grand Ole Party – für einen Dollar. Er fand damals zunächst Eingang in Werbespots für die Wiederwahlkampagne Ronald Reagans.

Ich singe „Freiheit“, / denn auch ich brauche Freiheit.
Beyoncé, aus „Freedom“

Greenwood sieht sein Lied als eines der Versöhnung und Einigung. Wofür Trump und seine Magas definitiv nicht stehen. Er hoffe auf eine Zeit, in der sein Lied wieder frei sein wird von der Bindung an Trump, sagte der Musiker in der „New York Times“.

Nimm doch einfach zwei Dollar und kauf ihn zurück, Lee Greenwood. Oder wie es Beyoncé sagen würde: „Freiheit! Schneide ihn los!“


Dieser Text gehört zur Wochenend-Edition auf ksta.de. Entdecken Sie weitere spannende Artikel auf www.ksta.de/wochenende.