Eine Studie zeigt: Selbst simple Tiere ohne Gehirn eignen sich so Verhaltensweisen an – Das dürfte früh in der Evolution entstanden sein
StudieAuch Quallen lernen aus Erfahrungen – ohne zentrales Nervensystem
Auch ohne zentrales Nervensystem können Organismen lernen – und das sogar recht schnell. Das folgert ein Forschungsteam aus Kiel und Kopenhagen aus Versuchen an Quallen. Darin brachten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Würfelquallen bei, Hindernissen auszuweichen. „Wenn man komplexe Strukturen wie das Nervensystem verstehen will, hilft es, zunächst möglichst einfache Strukturen zu untersuchen“, wird Erstautor Jan Bielecki von der Universität Kiel in einer Mitteilung der Hochschule zitiert.
Zu solchen Organismen zählen frei schwimmende Quallen: Solche Tiere gibt es schon seit mindestens 500 Millionen Jahren, sie haben kein zentrales Nervensystem und verfügen nur über einige Tausend Neuronen.
Beeindruckendes räumliches Sehvermögen
In den Experimenten untersuchte das Team die fingernagelgroße Würfelqualle Tripedalia cystophora, die in Mangrovensümpfen der Karibik lebt. Dort suchen die Tiere nahe der Wurzeln nach Beute wie Wasserflöhen. Dabei müssen sie aufpassen, ihre empfindlichen Schirme nicht zu verletzen. Dazu nutzen sie ihre vier Sehzentren, die Rhopalia, die am Rand des Schirms liegen. „Obwohl es so einfache Tiere sind, haben sie ein beeindruckendes räumliches Sehvermögen“, erläutert Bielecki.
In Wasserbecken simulierte das Team den Lebensraum durch graue und weiße Streifen an der Wand. Die weißen Streifen stellten die Wasserumgebung, die grauen die Mangrovenwurzeln dar. Zunächst stießen die Tiere oft gegen die Umrandung, doch binnen Minuten vergrößerten sie den Abstand zu den Wänden um 50 Prozent, machten viermal häufiger Ausweichmanöver und kollidierten nur halb so oft. „Wie schnell diese Quallen gelernt haben, hat uns überrascht“, sagt Bielecki.
In Wasserbecken simulierte das Team den Lebensraum durch Streifen an der Wand. Weiße Streifen stellten die Umgebung, graue die Mangrovenwurzeln dar. Zunächst stießen die Tiere oft gegen die Umrandung, doch binnen Minuten vergrößerten sie den Abstand zu den Wänden um 50 Prozent, machten viermal häufiger Ausweichmanöver und kollidierten nur halb so oft. „Wie schnell diese Quallen gelernt haben, hat uns überrascht“, sagt Bielecki.
Im nächsten Schritt isolierte das Team die Rhopalia. Konfrontierte es ein solches Sinneszentrum mit sich bewegenden grauen Balken, so erzeugte dieses Signale zum Ausweichen – allerdings nur, wenn zuvor mit schwachen elektrischen Reizen eine Kollision vorgetäuscht wurde. Damit lokalisierte das Team den Ort der Lernprozesse in den Rhopalia, die jeweils etwa 1000 Nervenzellen enthalten.
„Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Quallen durch die Kombination von visuellen und mechanischen Reizen lernen“, sagt Co-Autor Anders Garm von der Universität Kopenhagen. Selbst einfache Nervensysteme seien zu einer Form des Lernens fähig, folgert das Team. Möglicherweise seien die evolutionären Wurzeln des Lernens schon in frühesten Nervensystemen angelegt gewesen. (RND)
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