Im weiblichen Profisport ist es seit langem Thema: Zyklusbasiertes Training. Rena Föhr erläutert, wie Freizeitsportlerinnen die Erkenntnisse nutzen können.
Training am Zyklus ausrichten„Nach dem Eisprung etwas ruhiger angehen“
Rena Föhr ist Autorin und Sexualberaterin. Seit Jahren gibt sie Ratschläge zum besten Umgang mit dem Monatszyklus.
Frau Föhr, wie können Hobbysportlerinnen mit einfachen Mitteln ihr Training nach dem Zyklus ausrichten?
Um das Training nach dem eigenen Zyklus auszurichten, ist es erst mal wichtig, ihn richtig zu verstehen.
Wie gelingt das?
Wichtig zu wissen ist, welche Hormone in welcher Phase ausgeschüttet werden. Östrogen steigt nach der Periode bis zum Eisprung hin stark an und fällt danach wieder ab. Auch Testosteron ist nahe dem Eisprung auf dem Höhepunkt. Das Hormon Progesteron dominiert dann in der Phase nach dem Eisprung. Um sie zu bestimmen, lohnt es sich sehr, den Zervixschleim zu beobachten.
Was verrät der Zervixschleim über den Zyklus?
Der Ausfluss ist nach der Periode meist eher fest und weiß oder noch gar nicht zu sehen. Je näher der Eisprung rückt, desto flüssiger, klarer und dehnbarer wird er, weil mehr Östrogen ausgeschüttet wird. Danach wird er wieder fester, zäher oder ist nicht mehr sichtbar. Aber: Der Zervixschleim ist kein Garant, dass ein Eisprung stattgefunden hat. Wer sich sicher sein möchte, sollte auch die Temperatur beobachten. Diese verläuft in zwei Phasen: In der ersten Zyklusphase, der Follikelphase, ist sie niedrig. Rund um den Eisprung steigt sie an und bleibt bis zum Ende vom Zyklus erhöht. Diesen Verlauf kann man mit einem Thermometer und nach wissenschaftlich erforschten Regeln beobachten. Eine App, die keine Körperzeichen anfordert, weiß nicht, was im aktuellen Zyklus geschieht. Sie prognostiziert Eisprung oder Periode auf Basis von Durchschnittswerten und kann auch danebenliegen.
Wie können Frauen dieses Echtzeitwissen über ihren Zyklus im Sport nutzen?
Östrogen, das vor dem Eisprung ansteigt, regt die Durchblutung an. In dieser Zeit bietet sich Krafttraining an, wie Studien nahelegen. Oft ist die Stimmung auch etwas aufgehellt und viele Frauen fühlen sich sehr aktiv und energetisch. Testosteron, das ganz nahe am Eisprung ausgeschüttet wird, wirkt sich positiv auf Muskel- und Knochenmasse aus. Außerdem erhöht es ein bisschen die Sauerstoffzufuhr und kann sich auf die Laune und das Selbstbild gut auswirken. Hier bieten sich schweißtreibende Einheiten an, zum Beispiel Zirkeltraining. Wenn der Eisprung vorbei ist und vermehrt Progesteron ausgeschüttet wird, haben viele Frauen etwas weniger Energie. Das Hormon macht das Bindegewebe und die Bänder ein bisschen weicher, weshalb die Verletzungsgefahr etwas steigt. Wer beim Sport zum Beispiel viel springt oder Ähnliches, kann in dieser Zeit etwas vorsichtiger sein. Wenn es zur eigenen Stimmung passt, kann man es nach dem Eisprung gut etwas ruhiger angehen lassen. Am allerwichtigsten finde ich es aber, auf das eigene Körpergefühl zu hören.
Wieso?
Das Körpergefühl kann uns viel darüber sagen, was wir gerade brauchen. Die Zyklusphasen können jeden Monat ein bisschen anders sein. Nicht immer fühle ich mich vielleicht während des Eisprungs fit und nicht immer braucht der Körper Ruhe, weil gerade die Periode ansteht. Außerdem kann eine App, wie gesagt, mit ihrer Prognose falschliegen. Wir dürfen und sollten unserem Körpergefühl vertrauen.
Wie gut erforscht ist zyklusbasiertes Training?
Nicht gut. Der weibliche Zyklus an sich ist aber sehr gut untersucht. Wir wissen, wie Östrogen, Progesteron und Testosteron generell auf den Körper wirken. Daraus lässt sich viel ableiten. Nur wie stark die Wirkung dieser Hormone genau beim Training ins Gewicht fällt, ist noch nicht ganz klar. Die Studienlage ist etwas widersprüchlich, und viele Untersuchungen wurden nur an wenigen Probandinnen durchgeführt. Besonders interessant finde ich eine Studie von der Uni Bochum, in der Sportlerinnen ihre linken und rechten Beine unterschiedlich trainiert haben. Danach macht es Sinn, Krafttraining zyklusphasenbasiert aufzubauen. Bei Ausdauertraining scheint der Zyklus sich – soweit man bislang weiß – weniger stark auszuwirken. Abschließend geklärt ist das aber nicht.
Wieso ist das Thema so schlecht erforscht?
Früher wurden Sportstudien vor allem mit männlichen Sportlern durchgeführt – die Ergebnisse wurden dann auf Frauen übertragen. Das ist natürlich nicht sinnvoll. In manchen Studien wurden zwar Frauen untersucht, aber eher zu Beginn des Zyklus, wenn der Hormonspiegel niedrig und – verallgemeinert – den Männern am ähnlichsten ist. Die Auswirkungen der verschiedenen Zyklusphasen wurden völlig außen vor gelassen. Den Zyklus zu erforschen, ist nicht ganz einfach – aber wichtig und sinnvoll. Dass es bislang wenig priorisiert wurde, liegt auch daran, dass Frauengesundheit wenig Beachtung fand – ebenso wenig wie Frauensport.
Wie wirken sich die Pille oder andere hormonelle Verhütungsmittel auf das Training aus?
Die Pille schaltet ja den Eisprung aus, weswegen gar kein Zyklus mehr stattfindet, sondern nur eine Abbruchblutung. Es gibt die Hypothese, dass die Pille das Verletzungsrisiko ein bisschen erhöhen könnte. Außerdem wurde diskutiert, ob sie den Muskelaufbau hemmt, weil es ja nicht mehr die Phase um den Eisprung gibt, in der Frauen anscheinend besser Muskeln aufbauen können. Das ist aber noch sehr schlecht erforscht.
Was können Frauen beim Sport beachten, wenn sich der Zyklus durch Schwangerschaft und Wechseljahre verändert?
Generell ist Sport in der Schwangerschaft gut. Man sollte nur nicht unbedingt Extremsportarten betreiben, bei denen das Verletzungsrisiko sehr hoch ist. In der Menopause unterstützt Sport den Körper dabei, mit der hormonellen Umstellung zurechtzukommen. In dieser Zeit haben viele Frauen Stimmungsschwankungen, bei denen Sport ausgleichend wirken kann.
Viele Frauen haben ja auch ganz allgemein zyklusbedingte Stimmungsschwankungen. Wie können sie Sport nutzen, um dem entgegenzuwirken?
Beim Sport können wir Stress abbauen. Das kann sich positiv auf unsere Stimmung und unseren Hormonhaushalt auswirken. Außerdem kann Ausdauertraining helfen, Östrogen abzubauen und die Progesteronproduktion zu stärken.
Manche Frauen verschieben mit der Pille absichtlich ihren Zyklus, um bei einem Wettkampf fitter zu sein. Würden Sie das empfehlen?
Das muss jede Frau für sich selbst entscheiden. Ich persönlich bin kein Fan der Pille und finde, dass man so eine Entscheidung gut abwägen sollte. Hormonelle Verhütungsmittel sind Medikamente, die auch Nebenwirkungen haben. Die Pille imitiert den Hormonzustand der zweiten Zyklusphase, die ganz anders ist als die leistungsstarke Eisprungphase. Es gibt eben auch Hinweise darauf, dass hormonelle Verhütungsmittel dazu führen, dass Frauen sportlich weniger leisten können.
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