Trainingserfolg, VerletzungenWarum Frauen beim Sport auf ihren Zyklus achten sollten
An manchen Tagen fällt es nicht schwer, die persönliche Bestzeit auf der Joggingroute noch zu überbieten oder nach Feierabend im Schwimmbad noch Bahnen zu ziehen. Doch manchmal ist es genau andersherum: Dann fühlen sich die Beine an wie Blei und jeder Meter ist für Muskeln und Körper Schwerstarbeit.
Schwankungen bei Leistungsfähigkeit und Motivation im Sport: Das kann bei Frauen auch mit dem Zyklus zusammenhängen. Über den weiblichen Zyklus weiß man im Zusammenhang mit Leistungsfähigkeit, Trainingseffekten und Verletzungsgefahr zwar noch wenig. Aber immer mehr Studien zeigen Zusammenhänge auf und liefern Beweise. Diese kommen auch aus der Praxis.
Die Profi-Fußballerinnen des englischen Meisters FC Chelsea etwa tragen den Zeitraum ihrer Periode in eine App ein. Die soll ihnen dabei helfen, ihren Zyklus besser zu verstehen – und diesen an ihr Training anzupassen. Das können auch Hobbysportlerinnen mit diversen Apps tun.
Grundlage für die Trainings-Empfehlungen aus der App sind die verschiedenen Zyklusphasen. Besonders relevant ist dabei der Unterschied zwischen Follikel- und Lutealphase. Erstere beginnt mit der Menstruation und endet mit dem Eisprung. Der Östrogenspiegel ist höher. Östrogen ist ein anaboles Hormon – also eines, das für den Muskelaufbau von Bedeutung ist.
„Es können also in der Regel größere Effekte im Krafttraining erzielt werden“, sagt Prof. Petra Platen. Sie leitet den Lehrstuhl für Sportmedizin und Sporternährung an der Ruhr-Universität Bochum, hat zum zyklusbasierten Training geforscht. Auch der Spiegel an männlichen Geschlechtshormonen ist um den Eisprung herum etwas höher als in den anderen Phasen.
Petra Platen berichtet von einer Studie mit Breitensportlerinnen, an der sie beteiligt war. Demnach gibt es Hinweise, dass ein Krafttraining in der ersten Zyklushälfte, also der Follikelphase, und um den Eisprung herum bessere Effekte zeigt als in der zweiten Zyklushälfte.
Geringerer Trainingsreiz in der Lutealphase
Denn dann dreht sich das Bild. In der sogenannten Lutealphase steigt der Anteil von Progesteron im Körper – dem katabolen Gegenspieler von Östrogen. Substanz wird abgebaut, Wasser eingelagert, das Gewebe weicher. Und Krafttraining damit schwieriger.
„Der Trainingsreiz schlägt in der zweiten Hälfte des Zyklus also nicht so gut an“, sagt Platen. Zudem zeigen Studien der Sportmedizinerin zufolge, dass die Leistungsfähigkeit mit Beginn der Blutung für ein bis drei Tage tatsächlich etwas schlechter ist als in anderen Zyklusphasen. Dieser kleine Knick betrifft sowohl Kraft als auch Ausdauer und Schnelligkeit.
„Außerdem kann das eigene Körpergefühl im Zyklusverlauf schwanken“, sagt Platen. Es kann in der Brust ziehen, die Beine fühlen sich schwer an, der Unterleib schmerzt. Diese „Störfaktoren“ können sich auf die Lust, Sport zu machen, auswirken.
„In den ersten Tagen des Zyklus, also mit dem Einsetzen der Blutung, haben die meisten Frauen typischerweise weniger Lust auf Sport“, sagt Petra Platen. Den meisten fällt es schwerer, sich aufzuraffen. Trotz dieser subjektiven Missempfindungen kann es aber sein, dass die objektive Leistungsfähigkeit unbeeinflusst bleibt.
Pille kann Anpassungen des Trainings überflüssig machen
Platen ist schon vor ihrer wissenschaftlichen Karriere auf das Thema aufmerksam geworden. In ihrer aktiven Zeit als Handballnationalspielerin empfahl ihr ein Sportmediziner, ihre Menstruation im Hinblick auf die Wettkämpfe zu verschieben. „Also habe ich angefangen, die Pille zu futtern“, sagt Platen. „Obwohl ich nie jemand war, der sich durch die Periode beim Sport eingeschränkt gefühlt hat.“
Grundsätzlich hält Platen das Verschieben der Periode für Profisportlerinnen nicht für verwerflich: „Wenn sich bei Schwimmerinnen vor dem Wettkampf durch den Zyklus etwa Wasser anlagert, kann das einen erheblichen Nachteil darstellen.“ Und steigt in der zweiten Zyklusphase kurzzeitig die Temperatur um etwa 0,5 Grad an, verändere sich für die Sportlerinnen zudem die gesamte Thermoregulation.
Die Physiologie liefert also genügend Argumente, das Training nicht nur auf den Zyklus auszurichten – sondern ihn mithilfe der Pille sogar zu verändern oder gar zu manipulieren. Kritisch sieht Platen hingegen, diese Argumentation auf jede Sportlerin zu übertragen: Jeder Körper sei unterschiedlich. Und deshalb garantiere die Pille auch nicht für jede Frau direkt volle Leistungsfähigkeit. Nehmen Frauen als Nebenwirkung der Pille etwa an Gewicht zu, könnte das die Leistung im Sport ähnlich negativ beeinflussen, wie auch die Einflüsse des Zyklus.
Situation von Frau zu Frau unterschiedlich
Allgemeine Empfehlungen in Hinblick auf den Zyklus und die Leistungsfähigkeit sind also schwierig. „Alles, was den weiblichen Zyklus betrifft, ist sehr individuell“, sagt Prof. Patrick Diel, Biochemiker und Endokrinologe an der Deutschen Sporthochschule Köln. „Außerdem ist die Datenbasis noch zu dünn, um evidenzbasierte Aussagen zum Thema Menstruationszyklus und Training zu erlauben.“
Denn auf den Zyklus wirken sich viele verschiedene Faktoren aus, die von Frau zu Frau variieren können. Petra Platen nennt Beispiele: „Manche Frauen haben zwar eine Blutung, aber keinen Eisprung. Andere nehmen die Pille oder benutzen andere Verhütungsmittel. Auch die Hormonschwankungen innerhalb des Zyklus sind sehr unterschiedlich ausgeprägt“, sagt die Sportmedizinerin. Dazu kommt, dass Sportarten und Trainingsintensitäten ganz unterschiedlich sind.
Deshalb fallen die Tipps zum zyklusbasierten Training etwas weicher aus. „Was das Thema Leistungsfähigkeit angeht, würde ich Frauen empfehlen, in jeder Zyklusphase Sport zu treiben, wenn sie Lust darauf haben und sich fit fühlen“, sagt Patrick Diel. Wer Krafttraining macht, legt es am besten in die Zeit des Eisprungs, um möglicherweise stärkere Effekte zu erreichen.
In Phasen, in denen sich Sportlerinnen nicht so fit fühlen, sollten sie auf das eigene Körpergefühl achten. Heißt: das Training etwas weniger intensiv zu gestalten oder ganz ausfallen zu lassen.
„Wenn man sich dieser Motivationsschwankungen bewusst ist, kann man sie zur Kenntnis nehmen, ohne darüber zu verzweifeln“, sagt Sportmedizinerin Platen. „Genauso weiß man dann nämlich auch, dass man in ein paar Tagen wieder viel Energie und Lust auf Sport haben wird.“ Am Ende geht es also darum, den eigenen Körper besser zu verstehen – und das Training dementsprechend auszurichten.
Auch Verletzungen werden wahrscheinlicher
Ein Blick auf zyklusbasiertes Training lohnt sich für Sportlerinnen aber nicht nur, um die eigene Leistung zu steigern. „Es kann sein, dass auch die Verletzungsanfälligkeit beim Sport in der späten, zweiten Zyklushälfte für Frauen größer ist“, sagt Petra Platen. Zumindest deuten bisherige Untersuchungen darauf hin. In einer Studie wurden Frauen mit einer Kreuzbandverletzung befragt, wann sie sich ihre Verletzung zugezogen hatten. Das Ergebnis: bei den meisten Frauen kurz vor oder um den Eisprung herum.
Ein weiterer Grund, hohe körperliche Belastungen vor allem in die erste, anabole Phase des Zyklus zu legen. „Frauen, die wissen, dass sie eventuell anfälliger für Bänder- oder Sehnenverletzungen sind oder eine Vorbelastung haben, sollten das Lauftraining nicht unbedingt in die Zeit kurz vor der Periode legen“, sagt Diel.
Für Hobbysportlerinnen gibt Platen diesbezüglich aber eine kleine Entwarnung: „Das spielt vor allem für den Hochleistungssport eine Rolle. Wer normal Sport treibt, sollte sich über Verletzungen keine großen Gedanken machen. Es sei denn, man ist auch im Breitensport sehr ehrgeizig dabei.“
Verschoben wurden Wettkämpfe bislang nicht, weil Sportlerin X oder Sportlerin Y sich an einem ungünstigen Zeitpunkt ihres Zyklus befand und dadurch einem höheren Verletzungsrisiko ausgesetzt wäre. Weil die Hälfte aller deutschen Athleten Frauen seien und auch im Sinne der Verletzungsprävention plädiert Platen jedoch dafür: Profivereine sollten den weiblichen Zyklus stärker in den Blick nehmen. Und individuelles Training anbieten. Wie etwa der FC Chelsea.
Hormone beeinflussen auch das Training von Männern
Und apropos männliche Kollegen: Können auch diese durch Hormonveränderungen beeinträchtigt sein? Platen sagt: Ja. Hier habe die Leistungsfähigkeit aber mehr mit Ernährung zu tun. Trainieren Männer, insbesondere Profisportler, viel und essen gleichzeitig wenig, wird die Energiebilanz beeinträchtigt.
Auch andere Stressfaktoren können Hormone wie Androgen und Testosteron beeinflussen oder ihre Ausschüttung sogar unterdrücken. Weil Testosteron zu einer Zunahme der Knochendichte führt, kann eine geringere Ausschüttung dessen auch bei Männern das Verletzungsrisiko steigern und etwa Knochenbrüche wahrscheinlicher machen.
Mehr Studien erforderlich
Letztendlich bleibt die Datenlage zum zyklusbasierten Training allerdings dünn. Das Thema sei in den vergangenen Jahrzehnten wellenartig mal mehr, mal weniger relevant gewesen, sagt Petra Platen – auch in Hinsicht auf den Profisport. „Es ist sehr aufwendig, geeignete Frauen zu finden, die bei den Studien und den Biopsien mitmachen wollen. Die nicht die Pille nehmen und dafür ihr Training durcheinander werfen. Das können sich viele aus dem beruflichen Sportkontext heraus nicht leisten.“
Mehr Untersuchungen, mehr Studien könnten genauere Aufschlüsse darüber liefern, wie sich der Zyklus auf Training und Wettkampf auswirkt. Damit bald vielleicht belegt werden kann: Heute ist ein guter Tag, um die persönliche Bestzeit auf der Joggingroute zu überbieten. Und Bahnen im Schwimmbad zu ziehen. Oder eben auch nicht. (mit dpa)