GartenWie hilfreich sind Pflanztipps von der KI wirklich?

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ARCHIV - 04.03.2022, Sachsen-Anhalt, Ballenstedt: Wanderer fotografieren Märzenbecher im Naturschutzgebiet ·Gegensteine-Schierberge· bei Ballenstedt im Harz. 



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Viele Apps ermöglichen die Identifizierung von Pflanzen, auch mithilfe von Künstlicher Intelligenz. Doch einige Anwendungen gehen darüber hinaus.

Künstliche Intelligenz könnte beim Gärtnern künftig weiterhelfen – und es damit einfacher und effizienter machen. Allerdings gibt es dabei durchaus Grenzen.

Die passende Pflanze für einen freien Platz im Garten finden oder einen Schädling identifizieren: Wo normalerweise der gärtnerische Erfahrungsschatz gefragt wäre, können Gartenbesitzer und Gartenbesitzerinnen mittlerweile auch auf technische Unterstützung zählen – nämlich auf die einer Künstlichen Intelligenz.

Vorbild dafür sind Anwendungen aus der Landwirtschaft, die Berufsanfängern den Einstieg erleichtern. „Durch die KI haben wir die Möglichkeit, die Erfahrungen, die ältere Gärtner oder Landwirte haben, sozusagen zu konservieren“, sagt Patrick Noack, Agrarwissenschaftler und Leiter des Kompetenzzentrums für Digitale Agrarwirtschaft der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. „Die KI kann sich das Wissen merken und reproduzieren.“

Wetterdaten nutzen

Darüber hinaus dienen intelligente Systeme in der Landwirtschaft oft der Überwachung. „Dort werden etwa Inhaltsstoffe von Pflanzen, Pflanzenteilen, Rohstoffen, Lebens- und Futtermitteln sowie von Gülle und Böden ermittelt, wobei überwiegend eine KI zum Einsatz kommt“, erklärt Noack. „Hilfreich ist eine KI auch, um Insekten zu identifizieren.“

Durch die KI haben wir die Möglichkeit, die Erfahrungen, die ältere Gärtner oder Landwirte haben, sozusagen zu konservieren
Patrick Noack, Agrarwissenschaftler und Leiter des Kompetenzzentrums für Digitale Agrarwirtschaft der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf

Ein aktuelles Projekt sei ein Biodiversitätsmonitoring. Bisher ließen sich hier allenfalls Momentaufnahmen von vorhandenen Insekten und Pflanzen machen, die auf Stichproben basieren. „Eine KI könnte das im Tagesverlauf, für komplette Vegetationsperioden und verschiedene Gebiete machen“, sagt der Agrarwissenschaftler. „Und nicht zuletzt werden in der Landwirtschaft Wetterdaten zusammen mit einer KI genutzt, um die Bewässerung zu optimieren oder Pflanzenkrankheiten zu prognostizieren.“ All diese Anwendungen lassen sich Noack zufolge auf den Gartenbau übertragen, manche zudem auf den privaten Bereich.

Insektenfreundliches Projekt

Bisher gibt es für den Garten allerdings nur eine Handvoll KI-basierte Anwendungen. Etwa PictureThis oder Plantix erkennen Insekten oder Pflanzenkrankheiten: Dabei analysiert eine KI ein vom Nutzer aufgenommenes Bild, stellt eine Diagnose und gibt entsprechende Tipps, wie sich die Pflanze behandeln lässt.

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Wer seinen Garten neu und besonders insektenfreundlich anlegen will, kann den Pollinator Pathmaker nutzen. Initiatorin des Projekts ist die britische Künstlerin Alexandra Daisy Ginsberg. Dabei geben Nutzer oder Nutzerinnen Daten zu ihrem Garten ein wie Größe, Bodenbeschaffenheit und Lichtverhältnisse. Auch persönliche Vorlieben, etwa die Menge der Pflanzen, können berücksichtigt werden. Anschließend entwirft die KI einen individuellen Pflanzplan, der so viele Bestäuberinsekten wie möglich anlockt, und auf Wunsch eine passende Anleitung.

Auch der AI Garden Planner entwirft personalisierte Pflanzpläne, berät zu optimalen Pflanzzeiten oder gibt Tipps für die Schädlingsbekämpfung.

Faktisch nicht immer korrekt

Bei Fragen können sich Gärtner und Gärtnerinnen zudem an den Chatbot ChatGPT wenden. Wie hilfreich und zuverlässig dieser agiert, erforscht Thomas Lohrer vom Institut für Gartenbau an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. „Der Chatbot hilft bei der Pflanzenauswahl, gibt Tipps zum richtigen Schnitt von Rosen oder Obstgehölzen, liefert kreative Texte für die Einladung zur nächsten Gartenparty oder kann mit einem Pro-und-Kontra-Gespräch zu ungeklärten Gartenfragen beraten“, sagt Lohrer – zum Beispiel, ob im Vorgarten eher ein Staudenbeet oder ein Rosenbeet angelegt werden soll.

„Keinen oder nur einen sehr eingeschränkten Einfluss hat man als Anwender aber auf Voreingenommenheit und sogenannte Halluzinationen – glaubwürdige, gut formulierte Antworten, die aber faktisch nicht stimmen“, erklärt Lohrer. Um solche Falschinformationen zu erkennen, brauche es fachlichen Sachverstand. „Zum Beispiel ist es keine gute Idee, eine von ChatGPT erstellte Pflanzliste blind zu kaufen. Hier sollte auf jeden Fall eine Fachkraft in der Staudengärtnerei oder im Gartencenter einen kritischen Kontrollblick darauf werfen.“

Auch Schädlinge und Krankheiten bestimmt der Chatbot nicht unbedingt korrekt: „Unsere Tests haben teils widersprüchliche Antworten geliefert“, sagt der Experte. Ein Beispiel: In einem Test identifizierte die KI drei unterschiedliche rot-schwarze Insekten alle als Feuerwanzen. Jemand Gartenkundiges hätte anhand der Umgebung erkennen können, dass es sich nur bei einem Bild wirklich um Feuerwanzen handelte, die sich gern auf Linden, Malven und Hibiskus aufhalten. Damit hätten zwei von drei Nutzern eine falsche Antwort erhalten. Der Wissenschaftler erachtet es daher als sinnvoll, nicht nur die KI zu nutzen, sondern in einem zweiten Schritt eine persönliche Beratung oder ein etabliertes Diagnoseportal wie Arbofux hinzuzuziehen.

Letztlich müsse Gartenfans klar sein: „ChatGPT ist keine Suchmaschine, sondern ein mehrdimensionales Sprachmodell – wenn auch ein sehr gutes. Wer sich der Grenzen des Systems bewusst ist und sich mit dem Prompten angefreundet hat, wird ChatGPT sicherlich häufiger nutzen, um sein Wissen rund ums Gärtnern zu erweitern oder sich Anregungen zu holen.“

Der Garten als Rückzugsort

„KI-Modelle können (noch) nicht den kompletten Erfahrungsbereich des Menschen abdecken und so falsche Informationen ausgeben oder Entscheidungen herbeiführen“, sagt auch Noack. Doch überwiegt in der Landwirtschaft und im Gartenbau der Nutzen, vor allem in Hinblick auf den Fachkräftemangel: „Wenn große Areale bewirtschaftet werden, ist es oft gar nicht möglich, dass sich der Gartenbauer oder Landwirt alle Pflanzen selbst anschaut“, sagt er.

Wenn große Areale bewirtschaftet werden, ist es oft gar nicht möglich, dass sich der Gartenbauer oder Landwirt alle Pflanzen selbst anschaut
Patrick Noack, Agrarwissenschaftler und Leiter des Kompetenzzentrums für Digitale Agrarwirtschaft der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf

Im Privatgarten mit meist überschaubarer Fläche sieht das anders aus. Zudem gibt Noack zu bedenken: „Die Frage ist, ob der eigene Garten unbedingt mithilfe technischer Unterstützung optimiert werden muss. Eigentlich reicht es ja völlig, wenn der Garten ein Rückzugsort ist, in dem Gärtner und Gärtnerinnen experimentieren, Dinge ausprobieren und erleben können“ – und so auf lange Sicht auch ohne KI ihr Gartenwissen erweitern.


Dieser Text gehört zur Wochenend-Edition auf ksta.de. Entdecken Sie weitere spannende Artikel auf www.ksta.de/wochenende.

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