Rechtsextreme Chatgruppe in NRWPolizisten verhöhnten Mord an Juden und schickten sich Hakenkreuze

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Ein Blick auf das Polizeipräsidium Recklinghausen. Die Durchsuchungen bei nordrhein-westfälischen Polizisten wegen illegaler Inhalte in Chats richten sich der Staatsanwaltschaft Essen zufolge gegen fünf Beamte von insgesamt drei Behörden. Drei der Beschuldigten gehören dem Polizeipräsidium Recklinghausen, jeweils einer den Polizeibehörden in Kleve und Borken an.

Die Beschuldigten gehören dem Polizeipräsidium Recklinghausen (im Bild) und den Polizeibehörden in Kleve und Borken an.

Ermittlungsunterlagen zeugen von menschenverachtenden Chatnachrichten in drei Polizeibehörden.

Die rechtsextremen Chatgruppen nannten sich „Vorzeigepolizisten“, „React Clan“ oder „Secret Hitler Crew“. Beamte aus den Polizeibehörden Recklinghausen, Kleve und Borken im Alter zwischen 22 und 25 Jahren sollen perfide Dateien in diesen WhatsApp-Zirkeln gepostet haben. Bisher wurde bekannt, dass es sich um Nazi-Symbole und mutmaßlich kinderpornografisches Material handelte. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte Anfang August nach Durchsuchungen bei den Tatverdächtigen den Fall publik gemacht. Laut der zuständigen Staatsanwaltschaft Essen wird gegen acht Polizisten ermittelt. Sieben Beamte sind noch im Dienst, einer ist ausgeschieden.

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ konnte nun Ermittlungsunterlagen einsehen, die ein menschenverachtendes Weltbild nahelegen. So sendete einer der Beschuldigten im Mai 2022 ein Selfie in Uniform, in dem er lässig an einem Streifenwagen lehnte. Untermalt wurde die Aufnahme durch die Frage „Was ich beruflich mache?“. Antwort: „Kanacken klatschen.“

Beamter schickte Hitler-Bild und machte sich über Mord an Juden lustig

Anderthalb Jahre zuvor versandte der angehende Polizeikommissar ein Bild mit einem Portemonnaie, einem Schlüsselbund nebst Handy und dem Konterfei von Adolf Hitler. Überschrift: „Vier Dinge, die immer weg sind, wenn man sie braucht.“ Noch schlimmer fiel die Nachricht tags zuvor aus. Am 5. November 2020 stellte der Beamte ein Foto mit den Aggregatzuständen fest und flüssig ein. Auch war ein Judenstern abgebildet, unterlegt mit dem Wort „Gas“. Ein abscheulicher Post, der den Mord an Millionen Juden während des Dritten Reiches in den Gaskammern der Konzentrationslager der Deutschen verhöhnt.

Alles zum Thema Herbert Reul

Der Gründer der Chatgruppe „Vorzeigepolizisten“ übermittelte laut der ermittelnden Staatsanwaltschaft Essen ein Foto, in der ein Mann in einer Menschenmenge steht und den Hitlergruß zeigt. Eine weitere Datei zeigt eine schwarze Person. Dieses Foto steht den Staatsschützern zufolge mit einer ebenfalls eingestellten Zeichnung im Zusammenhang. Darin drückt eine Mutter ihr Kind in der Badewanne unter Wasser. Begleittext: „Es ist nie zu spät für eine Abtreibung.“

Fremdenfeindliche Reime und Hakenkreuze

Weitere Beschuldigte ergingen sich in fremdenfeindlichen Reimen: „Nächste Runde auf den Kanacken seinen Nacken“, heißt es da. Oder: „Ich fühle mich wie Sophie Scholl, weil ich bin halt auch 22 Jahre alt.“ Sophie Scholl starb mit 22 als führendes Mitglied der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ mit ihrem Bruder Hans und dem Studienfreund Christoph Probst am 22. Februar 1943 unter der Guillotine der Nazis in der JVA München-Stadelheim.

Ein Blick auf das Schild vom Polizeipräsidium Recklinghausen. Die Durchsuchungen bei nordrhein-westfälischen Polizisten wegen illegaler Inhalte in Chats richten sich der Staatsanwaltschaft Essen zufolge gegen fünf Beamte von insgesamt drei Behörden. Drei der Beschuldigten gehören dem Polizeipräsidium Recklinghausen, jeweils einer den Polizeibehörden in Kleve und Borken an. +++ dpa-Bildfunk +++

Schild am Polizeipräsidium Recklinghausen

Doch es ging noch weiter: Hakenkreuz-Abbildungen wechselten sich mit Hitler-Bildern ab. Darunter stand „Grundrechte genommen“. Daneben wurde ein Video mit einem zweijährigen Mädchen geteilt, das den Sex seiner Eltern beobachtet. Ferner versandte einer der Chatteilnehmer einen Sticker mit dem Wort Sex, gefolgt von einem weiteren Sticker: „MIT Kindern“.

In Mülheim flogen 30 Polizisten auf

Es ist der neueste Fall einer rechtsextremen Chatgruppe bei der NRW-Polizei. Vor gut drei Jahren flogen 30 Polizisten in Mülheim an der Ruhr auf, die in mehreren Zirkeln radikale Posts kursieren ließen. Etliche von ihnen agierten passiv und versandten kein anstößiges Material. Dennoch versäumten sie es, die Haupttäter anzuzeigen. Am Ende wurde gegen keinen der 26 Beschuldigten Anklage erhoben. Einzig vier Beamte erhielten Strafbefehle zwischen 3000 und 4000 Euro.

Einer der Hauptakteure wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil er bei einem Einsatz wegen häuslicher Gewalt einen Mann mit Migrationshintergrund nach der Festnahme geschlagen hatte. Der Beamte hat den Dienst quittiert.

Da die rechtsextremistischen Posts in geschlossenen Chat-Gruppen kursierten, kam ein Prozess wegen etwa wegen Volksverhetzung nicht in Betracht. Denn dieser Straftatbestand setzt das Merkmal der Öffentlichkeit voraus. Deshalb durften die Tatverdächtigen auch wieder in den Dienst zurückkehren.

Vor dem Hintergrund wollen Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) und sein Innenressort-Kollege Reul per Bundesratsinitiative das Strafgesetzbuch dahingehend verändern, dass künftig auch rechtsextremistische Beiträge in geschlossenen Chats strafbar sind.

Für einen Teil der acht tatverdächtigen Beamten in dem neuen Fall sieht es indes recht düster aus. Da es sich um Beamte auf Probe handelt, kann der Dienstherr sie ohne größere Probleme herauswerfen.

Anmerkung: In einer ersten Version des Textes hieß es, die Zahl der beschuldigten Polizisten habe sich auf acht erhöht. Die Staatsanwaltschaft Essen hat inzwischen konkretisiert, dass sich die Ermittlungen bereits seit Anfang August gegen acht Personen gerichtet hätten. Die Angaben wurden korrigiert.

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