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„Längst überfällig“Mehrheit der Bewohner befürwortet Umbenennung von Straßen in Ehrenfeld

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Eingang zur Wissmannstraße an der Ecke Stammstraße. Foto: Hermans

Eingang zur Wissmannstraße an der Ecke Stammstraße.

Die jetzigen Namen sind laut einem Urteil des Historischen Beirats der „Kategorie: schwer belastet/nicht haltbar“ zuzurechnen.

Als „längst überfällig“ bezeichnen einige Bewohner und Gewerbetreibende der Wissmannstraße die anstehende Umbenennung ihrer Straße. Insgesamt befürworten fast 59 Prozent der Teilnehmenden an der Befragung des Amts für Liegenschaften, Vermessung und Kataster diesen Schritt. In der Gravenreuthstraße ist die Zustimmung sogar noch etwas höher: Hier möchten knapp 64 Prozent den alten, belasteten Straßennamen loswerden.

Ende März war die Umfrage abgeschlossen, zur jüngsten Sitzung der Ehrenfelder Bezirksvertretung (BV) teilte das Liegenschaftsamt die Ergebnisse mit. Bei geplanten Neu- und Umbenennungen von Straßen und Plätzen muss laut den Richtlinien des Rates der Stadt Köln stets eine solche Umfrage erfolgen.

Wissmann- und Gravenreuthstraße gelten als schwer belastet/ nicht haltbar

Im vergangenen November hatte die BV die Umbenennungsverfahren für Wissmann- und Gravenreuthstraße eingeleitet, weil die jetzigen Namen laut einem Urteil des Historischen Beirats der „Kategorie: schwer belastet/nicht haltbar“ zuzurechnen sind. Im Rahmen der 2021 vom Rat beschlossenen Aufarbeitung des kolonialen Erbes nimmt der Beirat etwa 1200 der rund 6000 Kölner Straßennamen unter die Lupe.

Die Namensgeber Hermann von Wissmann und Karl-Friedrich von Gravenreuth waren Ende des 19. Jahrhunderts unter anderem als Reichskommissar der Kolonie „Deutsch Ostafrika“ – beziehungsweise als dessen Stellvertreter – für Kriegszüge und „Strafexpeditionen“ zur Unterdrückung der einheimischen Bevölkerung berüchtigt. Ihr brutales, menschenverachtendes Vorgehen, das auch Sklavenhaltung einschloss und insgesamt deutliche Zusammenhänge zwischen Kolonialismus und Rassismus erkennen lässt, hatte seinerzeit auch in Deutschland für Abscheu gesorgt.

Die Namen Wissmann und Gravenreuth stünden für „extensive koloniale Gewalt“, fasste Gutachterin Professorin Marianne Bechhaus-Gerst den Befund zusammen. Lediglich „eine kleine Gruppe“ der Befragten, so das Liegenschaftsamt, habe angegeben, dass sie sich für diesen geschichtlichen Hintergrund nicht interessiere.

Umbenennung Straßennamen in Ehrenfeld – viele Anwohnende sehen zu hohe Kosten

Den meisten Gegnern der Umbenennung „erscheinen Kosten und Aufwand zu hoch“. Schon als das Thema vor mehr als zehn Jahren in Ehrenfeld aufkam, hatten Anwohner und Geschäftsleute Probleme bei der Postzustellung befürchtet, Selbstständige den Verlust eingeführter Adressen beklagt. Auch Visitenkarten beispielsweise müssten dann neu gedruckt werden.

Einige ablehnende Teilnehmer, so die Verwaltung, hätten dafür plädiert, die Finanzmittel für andere Zwecke einzusetzen, wieder andere wünschten sich statt der Tilgung des Namens eine Aufarbeitung der Geschichte inklusive Erläuterungstafeln am Straßenschild. Das Gutachten von Bechhaus-Gerst wurde nur einmal kritisiert.

Im Fall der Wissmannstraße hatten sich 51 der 214 erfolgreich angeschrieben Bewohner und Geschäftsleute – also ein knappes Viertel – an der Umfrage beteiligt. Unter den 89 Anwohnern und Gewerbetreibenden, die die Verwaltung in der Gravenreuthstraße erreichen konnte, war die Rücklaufquote mit einem guten Drittel noch höher.

Laut Zuständigkeitsordnung der Stadt Köln sind die Bezirksvertretungen zuständig für die Benennung und Umbenennung von Straßen, Wegen und Plätzen. Sie wägen auch Zustimmung und Bedenken der Betroffenen mit den Ergebnissen etwa der Experten-Gutachten ab und entscheiden dann über das weitere Verfahren. Auf ihrer Sitzung hat die Ehrenfelder BV nun mehrheitlich, gegen eine CDU-Stimme, die Fortsetzung des Prozesses zur Umbenennung von Wissmann- und Gravenreuthstraße beschlossen.

Die BV will die Bürger auch weiter beteiligen: Noch bis Ende August werden Vorschläge zur Neubenennung der beiden Straßen angenommen. Die werden von der Verwaltung in Abstimmung mit dem Historischen Beirat geprüft und anschließend der BV vorgelegt. Die Bezirksvertretung entscheidet abschließend über die neuen Straßennamen.


Auf dem Beteiligungsportal der Stadt Köln (meinungfuer.koeln) wird ein Online-Dialog durchgeführt, dort können Ideen für neue Straßennamen eingereicht werden. Darüber hinaus wird zur Mitteilung von Namensvorschlägen eigens eine Mailadresse (Umbenennung-Ehrenfeld@stadt-koeln.de) eingerichtet, die bis zum 31. August freigeschaltet ist. Vorschläge können auch schriftlich an das Bürgeramt Ehrenfeld, Venloer Straße 419-421, 50825 Köln, geschickt werden. (hwh)