Velbert – Sich auf der Suche nach Natur Richtung Ruhrgebiet auf die Autobahn zu begeben, klingt erstmal nach einer widersprüchlichen Mission. Wanderer wollen möglichst durch menschenleere Wälder und Täler streifen, statt im größten Ballungsraum Deutschlands mit über fünf Millionen Einwohnern zu landen. Sie wollen höchstens mal eine Kuh fotografieren, sich mit einem Vogel unterhalten oder eine Wespe vom Schokoriegel schnipsen.
Deshalb führt uns diese Mission zwischen Wuppertal und Velbert von der Autobahn ab: Denn Ruhe und Abgeschiedenheit finden sich tatsächlich im Neandertal, genauer gesagt auf der Entdeckerschleife „Biohöfe im Windrather Tal“ des Neanderlandsteigs. Zwei Wanderer begegnen den Testern in den circa vier Stunden an einem Dienstagmittag Anfang der Sommerferien, die Zahl der Kühe liegt mindestens 20-mal höher.
Höfe verkaufen ihre Erzeugnisse in Cafés und kleinen Läden
Der etwa elfeinhalb Kilometer lange Rundwanderweg streift die dritte Etappe des Neanderlandsteigs, die von Velbert-Neviges nach Velbert-Nordrath führt und geht vorbei an diversen Biohöfen, die in Cafés und Hofläden oder auch in offenen Häuschen frische Eier, Marmeladen, Fleisch, Käse oder Erfrischungen verkaufen. Gestartet wird auf einem Parkplatz mit dem verheißungsvollen Namen Nizzatal, der leider an diesem Tag eher Abstellplatz für Baustellenfahrzeuge ist, deren Fahrer unseren Carsharing-Wagen misstrauisch beäugen.
Nach einer kurzen Etappe entlang der Landstraße – und einer vorher deutlich längeren Suche nach einer Alternative, die weitgereiste Großstädter bitte sofort in die Natur katapultieren soll – geht es den ersten Hügel rauf auf den Dronsberg. Vorbei an ein paar Häuschen mit der kurzen Traumreise, wie es wohl wäre dort zu leben, in Nachbarschaft zum Pferdehof und nicht zum City-Rewe.
Der Forellenhof lädt zum Angeln ein
Anschließend führt ein dicht bewachsener Pfad links durch den Wald und – man weiß es zu diesem Zeitpunkt noch nicht – es folgt der wohl schönste Ausblick des Weges hinunter ins Windrather Tal. Leider ist es zu früh für eine Rast – obwohl die Bank perfekt platziert wäre. Der nächste mögliche erste Stopp könnte der Örkhof sein, der mittwochs, freitags und samstags seine Demeter-zertifizierten Produkte im Hofladen anbietet.
Die Entdeckerschleife führt uns runter ins Tal, genauer gesagt ein (sehr) schmaler Pfad zwischen bewachsener Hecke und Stacheldrahtzaun. Hinter der Hecke liegen die Teiche des Forellenhofs, auf dem Fischliebhaber angeln oder einfach nur essen können. Kurz vor der Bauernschaft Windrath wartet die zweite Steigung – auch Ehrgeizige dürfen danach die erste Pause machen, über weite Felder blicken und nochmal Sonnenmilch nachcremen. Anschließend geht es vorbei an der Windrather Kapelle mit einem imposanten dunkelgrauen Turm aus Bruchstein zwischen Obstbäumen.
Vor Nordrath trennen sich Rund- und Fernwanderweg
Nach einigen Metern auf der befestigten Straße liegt links der Hof Zur Hellen, der beim Testwandern nicht geöffnet hat, von Paula Lange, Tourismusbeauftragte im Kreis Mettmann und Neanderlandsteig-Expertin, aber wärmstens für den Wochenendbesuch empfohlen wird. „Der Hof Zur Hellen ist besonders für Kinder toll, die einmal einen Bauernhof erleben wollen“, sagt sie am Telefon.
Vor Nordrath trennen sich Entdeckerschleife und Etappe, erkennbar an den unterschiedlichen Wegmarkierungen – rotes N auf weißem Grund, weißes N auf rotem Grund – und die Entdecker müssen wieder ein Stück Landstraße ohne Fußgängerweg laufen, bis es rechter Hand zurück in den Wald geht und zum letzten steilen Anstieg durch das naturgeschützte Deilbachtal. Dort sind endgültig weder Mensch noch Fahrzeug zu sehen, nur ein paar Enten sonnen sich auf einem Stock im Tümpel.
Praktische App mit Offline-Karten
„Wir sind die grüne Lunge zwischen den Metropolen an Rhein und Ruhr“, sagt Paula Lange auf die Frage, warum man aus dem Raum Köln ins Niederbergische statt in Richtung Eifel fahren sollte. Die gute ÖPNV-Anbindung sieht Lange als wichtiges Argument pro Neanderlandsteig. Wenn die Deutsche Bahn mitspielt, sind alle 17 Strecken des insgesamt 240 Kilometer langen Wegs theoretisch ohne Auto erreichbar. Wobei dem erfahrenen Bus-und-Bahn-Fahrer beim Blick auf die Karte sofort klar sein sollte: Ein S-Bahnhof bietet deutlich bessere Chancen, von ihm auch wieder zeitnah wegzukommen als eine Bushaltestelle an einer Landstraße. Und selbst Marketing-Fachfrau Lange sagt: „Besucherinnen und Besucher sollten vorher unbedingt die Bahn-App checken.“
Wer weder Vertrauen noch Geduld für den deutschen Nahverkehr hat, bevorzugt mit dem Auto wahrscheinlich eine der 13 Entdeckerschleifen, die alle irgendwo den Fernwanderweg queren, aber eben den gleichen Start- und Endpunkt haben. Apropos App checken: Der Neanderlandsteig hat eine eigene und die ist wirklich gut und kostet nichts. Sämtliche Strecken, Sehenswürdigkeiten und Einkehrmöglichkeiten sind verzeichnet. Die Karten kann man sich noch Zuhause im WLAN downloaden, bevor man sich auf die grüne Wiese begibt und keinen Empfang mehr hat.
Ausflug sollte noch einen Abstecher nach Langenberg machen
Am Bembergs Hof kurz vorm Ende der Strecke wartet die Belohnung in Form einer gut gefüllten Eistruhe, mit Bezahlung auf Vertrauensbasis und Blick auf die Hühner, die im Schatten ihres riesigen, metallisch-glänzenden Zuhauses sitzen.
Wer Platz im Wanderrucksack hat, kann sich hier mit frischen Eiern eindecken, bevor es zickzackförmig zurück zum Parkplatz im Nizzatal geht. Paula Lange empfiehlt zur anschließenden Stärkung das Restaurant „Hirsch“ in Velbert-Langenberg und einen Bummel durch die historische Bücherstadt. „Wer einmal ein schönes bergisches Städtchen erleben möchte, sollte Langenberg unbedingt noch einen Besuch abstatten.“
Informationen zur Tour
Start und Ziel: Parkplatz im Nizzatal, 42555 Velbert-Langenberg
Länge/Dauer: 11,3 Kilometer, 4 Stunden mit kurzen Pausen
Anforderungen/Profil: leichte Wanderung mit drei steilen Anstiegen, über Straße, Waldweg, Wiese und Pfaden, 355 m Anstieg und 357 m Abstieg
Anfahrt: Mit dem Auto von Köln aus: A3 Richtung Oberhausen, A46 Richtung Wuppertal, weiter auf A535 Richtung Essen/Velbert, Ausfahrt 2 Richtung Velbert. Mit der Bahn erreicht man den Bahnhof Velbert-Langenberg mit RB 48 und RE49, Umstieg in Wuppertal-Vohwinkel.
Forellenhof Bieker, Windrather Straße 301, 42553 Velbert-Neviges, 02053/2194, geöffnet Mittwoch bis Sonntag, 7-17 Uhr:www.forellenhof-bieker.de
Bauernhof-Café Hof zur Hellen, Windrather Straße 197, 42553 Velbert-Neviges, 02053/3239, Sa/ So, Feiertage 11- 17 Uhrwww.hofzurhellen.de
Restaurant Hirsch, Hauptstraße 62, 42555 Langenberg, 02052/9262800, Mo bis Mi 17- 22 Uhr, Fr, Sa, So 12 - 22 Uhr: www.hirsch-langenberg.de
Sehenswürdigkeiten
Der historische Stadtkern von Langenberg ist geprägt von alten Fachwerkhäuschen, verwinkelten Gassen mit Kopfsteinpflaster und dem Deilbach und dem Hardenberger Bach, die mitten durch den Ort fließen. Langenberg ist berühmt für seine Antiquariate.
Kletterpark Wald-Abenteuer: Über 100 Kletterelemente mit Seilrutschen und Tarzansprüngen mitten im Wald. Geöffnet: Fr bis So, Feiertage ab 10 Uhr. In den NRW-Ferien täglich außer Mo. Hordtstraße 18, 42555 Velbert.wald-abenteuer.de
Neandertalmuseum: Das interaktive Museum erzählt die Geschichte der Menschheit. Di - So von 10 bis 18 Uklhr geöffnet. Talstraße 300, 40822 Mettmann.
Biohöfe im Windrather Tal: Die Höfe Vorberg, Judt, Örk-Hof, Im Sondern, Schepershof und Hof zur Hellen haben sich zusammengetan.www.biohoefe-windrathertal.de