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Auf Pilz-SucheUnterwegs mit dem Experten: „Pilze kosten nichts – außer das Leben“

Lesezeit 8 Minuten
Der Pilzexperte schaut sich Pilze im Wald an.

Ralf Dahlheuser aus Kürten sammelt seit seiner Kindheit Pilze.

Ein Pilz-Experte teilt seine Tipps und Tricks rund ums Thema Pilze sammeln: Wie und wo darf man sammeln? Was tun bei einer Pilzvergiftung?

Kürten – Die verrückteste Pilzgeschichte erzählt Ralf Dahlheuser direkt am Anfang. Einige Pilze, zurecht Parasiten genannt, befallen das Gehirn mancher Insekten und steuern sie so, dass sie hoch auf einen Baum oder Grashalm klettern, sich dort festhaken und dann sterben. Anschließend wächst der Pilz aus dem Insekt heraus und breitet seine Sporen von dort aus. Was klingt wie eine Szene aus dem Horrorfilm, ist nur eine von vielen Geschichten, die Dahlheuser über Pilze weiß.

Seit seiner Kindheit beschäftigt sich der Kürtener mit Pilzen. Bereits als Kind ging der 63-Jährige mit Bruder und Eltern zum Sammeln in den Wald, mittlerweile hat er mehr als 1200 Pilzarten gesucht, gesammelt und bei der Deutschen Gesellschaft für Mykologie e.V. kartografiert, darunter auch zwei, die vorher noch nie beschrieben wurden.

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So gut wie jeden Tag ist Ralf Dahlheuser im Wald unterwegs. 

Im Wald mit dem Pilz-Experten: „Pilze muss man sich erlaufen“

Dahlheuser ist viel in den Wäldern im Bergischen Land unterwegs, hat aber schon die ganze Welt bereist und immer nach Pilzen gesucht. „Pilze halten sich nicht an Ländergrenzen und sind in allen Ländern der Welt zu finden, außer vielleicht in der Antarktis“, weiß der Experte. Bei gemeinsamen Reisen mit seiner Frau ist klar, dass er immer im Wald unterwegs ist, während sie gerne auch mal nur entspannt. Trotzdem ist es nicht selten seine Frau, die bei Wanderungen einen besonderen Pilz entdeckt. Dafür reicht es oft schon, in Kürten in den Wald zu gehen. Am Wegesrand findet sich zum Beispiel ein Pilz mit dem schönen Namen „Büscheliger Mürbling“.

Der Büschleige Mürbling Pilz

Der Büschelige Mürbling hat seinen Namen, weil er im Verbund wächst. 

Er wächst im Verbund, so erklärt sich der Name, essen kann man ihn jedoch nicht. Ihren wissenschaftlichen Namen erhalten die Pilze von der Person, die sie erstmals beschreibt, deutsche Namen gibt es oft mehrere, darunter so kreative wie Stummelfüßchen, Fransiger Wulstling, Flockenstieliger Hexenröhrling und Stinkschirmling. Pilze können zwar theoretisch überall wachsen, um sie zu finden, braucht es aber einen geschulten Blick und Erfahrung. Ein eher offener Boden ist tendenziell besser als ein dicht bewachsener, Speisepilze findet man oft am Wegesrand. „Wenn man da etwas findet, kann man vom Weg abweichen und im Gebüsch nach mehr schauen“, empfiehlt Dahlheuser. Er selbst hat bei seinen Wanderungen immer einen langen Stock dabei, mit dem er Äste und Blätter zur Seite schiebt, um nach Pilzen zu schauen. Oft stützt er sich auch auf dem Stock ab, um einfacher Böschungen hoch oder runter klettern zu können, denn die Pilze wachsen natürlich nicht immer bequem zu erreichen auf flachem Boden. „Pilze muss man sich erlaufen“, sagt Dahlheuser, und verschwindet im Gebüsch.

Ralf Dahlheuser mit seinem Stock im Wald.

Um Pilze zu finden, muss man genau hinschauen und auch mal klettern. Ralf Dahlheuser nutzt dazu einen Stock. 

Der Herbst ist die Hauptsaison für Pilze: Wie darf man sammeln?

Jetzt im Herbst ist Hauptsaison für Pilze, wachsen tun sie aber das ganze Jahr über, besonders dann, wenn es geregnet hat. Suchen kann man in allen Wäldern und vielen Wiesen, sie können überall auftreten. Je nach Jahreszeit findet man in Deutschland zum Beispiel Pfifferlinge, Semmel-Stoppelpilze oder den Gemeinen Riesenschirmling, auch Parasol genannt. Alle drei sind essbar.

Der gelbliche Pfifferlings-Pilz.

Der echte Pfifferling. 

Ein Sammelverbot besteht in öffentlichen Parks, Naturschutzgebieten und Nationalparks und auch bei Waldflächen, auf denen Holz geschlagen wird. Im Kölner Königsforst ist das Sammeln ebenfalls verboten. Als Faustregel für Pilzpflücker gilt: Den Wald darf man grundsätzlich immer frei betreten – sofern er nicht eingezäunt oder frisch gepflanzt ist. Bestimmte Arten sind gesetzlich geschützt und müssen stehen bleiben, darunter Trüffel, Grünlinge und einige Röhrlinge. Pfifferlinge und Steinpilze darf man nur in geringen Mengen (etwa ein bis zwei Kilogramm pro Person und Tag) für den Eigengebrauch mitnehmen, nicht jedoch für Verkauf oder Gastronomie. Grundsätzlich sollten Pilzsucher sich vorher bei den zuständigen Kommunen über die erlaubten Sammelmengen informieren.

Pilze bestimmen: Viele Arten sehen sich zum Verwechseln ähnlich

Einige Sammler nehmen einfach mit, was sie finden, andere nutzen Bücher oder Apps zur Bestimmung der Pilze. Dahlheuser hält davon nicht viel, da viele Arten sich sehr ähnlich sehen und essbare und giftige Pilze leicht verwechselt werden können. Ein gutes Beispiel sind der Pfifferling und der falsche Pfifferling.

Ralf Dalheuser hält den falschen Pfifferling in seiner Hand.

Der falsche Pfifferling sieht dem echten sehr ähnlich, ist aber nicht bekömmlich. 

Der falsche Pfifferling sieht dem echten sehr ähnlich, ist zwar nicht wirklich giftig, aber sehr schwer verdaulich und kann für eine üble Magenverstimmung sorgen. Im Gegensatz zum echten Pfifferling, der Leisten und Adern hat, hat der falsche Pfifferling Lamellen. Anders als der echte Pfifferling ist der falsche auch im Fleisch orange und zerbricht nicht sofort bei Druck. Wirklich gefährlich wird es, wenn man einen giftigen Doppelgänger eines bekannten Speisepilzes erwischt, zum Beispiel den Gifthäubling anstelle des Stockschwämmchens oder den Satansröhrling anstelle des Flockenstieligen Hexenröhrlings. Auch ältere Bücher sind zum Teil überholt. Einige Arten wie der Kahle Krempling oder die Nebelkappe galten früher als geschätzte Speisepilze. Heute weiß man, dass sie bei häufigerem Verzehr schwere gesundheitliche Schäden verursachen können. Dahlheusers Tipp deshalb: „Die höchsten Überlebensraten haben die, die mit Leuten mitgehen, die sich auskennen.“

Das ist allerdings momentan kaum möglich: Wie beliebt das Thema Pilze sammeln ist, zeigt sich deutlich in den vielen ausgebuchten Pilzseminaren, -wanderungen und -exkursionen von der Eifel über Bonn und Köln bis ins Bergische Land. Beliebt seien die schon immer gewesen, erinnert sich Dahlheuser, seit etwa zehn Jahren sei die Nachfrage jedoch noch größer geworden. Er glaubt, dass das mit der Landlust-Bewegung und dem Trend zum Selbermachen und Kochen zu tun hat. Und: „Pilze kosten nichts – außer das Leben.“

Damit es nicht so weit kommt, sollten Sammler ihren Fund unbedingt vor Verzehr von einem Pilzsachverständigen prüfen und freigeben lassen. Das muss allerdings in echt geschehen und wird nicht per Foto gemacht. Über die Deutsche Gesellschaft für Mykologie kann man dazu einen Pilzsachverständigen in seiner Region finden. Wirklich giftig sind von den rund fünftausend Großpilzarten in Deutschland etwa 200. Dazu zählt zum Beispiel der Knollenblätterpilz, der Pantherpilz, der Kahle Krempling und natürlich der Fliegenpilz. Eine Grundregel von Dahlheuser lautet: „Alles mit Lamellen ist für den Laien gefährlich.“ (Eine Übersicht über die giftigsten Pilze und worauf Sie noch achten müssen, finden Sie hier.)

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Achtung Pilzvergiftung: Das Erbrochene mit ins Krankenhaus nehmen

Liegt eine Pilzvergiftung vor, wird einem sehr schlecht. Man sollte dann auf jeden Fall nicht zögern, ins Krankenhaus zu fahren. So ekelig das klingt: Wenn man sich übergeben muss, sollte man das wenn möglich in eine Tüte oder Schale tun, damit man das Erbrochene mitnehmen kann. Nur so kann die Art der Vergiftung eindeutig festgestellt und das passende Medikament dafür gefunden werden. Auch die Pilzreste sollte man für den Fall der Fälle aufbewahren. Bei einer Pilzvergiftung wird meist der Magen ausgepumpt, manchmal müssen die Betroffenen auch eine Dialyse über sich ergehen lassen. Besonders gefährlich laut Dahlheuser: „Manche giftigen Pilze schmecken sogar gut, es wird einem nach dem Verzehr aber sehr schlecht. Nach dem Erbrechen geht es einem erstmal gut, aber nach zwei Tagen kann immer noch die Leber versagen.“ Für einen unbeschwerten Genuss sollte man sich auf jeden Fall auch über die richtige Zubereitung informieren, da einige Pilze wie zum Beispiel der Hallimasch im rohen Zustand giftig sind. Für Hunde oder Schweine kann das sogar tödlich enden. Außer den giftigen Pilzen gibt es noch die mit Psilocybin, sie erweitern das Bewusstsein, werden Magic Mushrooms genannt und wirken als Droge ähnlich wie LSD. „In der Natur ist die Wirkung immer unterschiedlich und man kann nicht wissen, was wirklich passiert“, warnt Dahlheuser.

Der Experte bückt sich nach Pilzen.

Um Pilze zu finden, muss man genau hinschauen. 

Weder Pflanzen noch Tiere: Was sind Pilze eigentlich?

Pilze können aber noch viel mehr. Sie zählen weder zu den Pflanzen noch zu den Tieren, sondern sind eigenständige Organismen. Was wir unter Pilzen verstehen, sind in Wahrheit nur die Früchte des eigentlichen Lebewesens, so wie die Äpfel am Apfelbaum. Das Entscheidende passiert beim Pilz unter der Erde in einem Fadengeflecht, das Myzel genannt wird und sich teilweise über riesige Flächen ausdehnt. Der größte weltbekannte Pilz ist ein Hallimasch aus Oregon. Sein Myzel erstreckt sich über 880 Hektar und wiegt geschätzte 600 Tonnen. Zumeist an seinen Rändern bildet das Myzel dann bei entsprechender Witterung – hierzulande feucht und nicht zu kühl – seine Fruchtkörper aus, die dann als Pilze aus dem Boden schießen. Neue Pilze entstehen, wenn sich das unterirdische Geflecht, das entweder männlich oder weiblich ist, miteinander verbindet.

Mehr über Pilze

Deutsche Gesellschaft für Mykologie e.V.: www.dgfm-ev.dePilze und Natur im Bergischen Land: www.pilze-und-natur-im-bergischen-land.de

Pilze werden in verschiedene Gruppen eingeteilt. Es gibt die Saprobionten, die in sich zersetzender organischer Substanz leben und Abfälle wie Holz, Laub oder Dung abbauen. Die Symbionten dagegen bilden eine Symbiose mit Bäumen, ihr Geflecht verbindet sich mit deren Wurzeln. Weil die Pilze selbst keine Photosynthese betreiben können, holen sie sich die nötigen Nährstoffe über die Wurzeln des Baumes und liefern ihm im Gegenzug Wasser. Ihr Geflecht ist so fein, dass sie auch noch da Wasser finden, wo die Baumwurzeln nicht mehr hinkommen. „Auf diese Weise vernetzen manche Pilze gleich mehrere Bäume, so dass diese ihre Botenstoffe austauschen können. Das wird auch Wood Wide Web genannt“, erklärt Dahlheuser. Auch die Pilze kommunizieren untereinander, können sich gegenseitig bekämpfen oder finden in Versuchen den schnellsten Weg zu einer Nährlösung. Wegen dieser Fähigkeiten werden sie zum Beispiel auch für die Verkehrsplanung eingesetzt.

Heiße Sommer: Wie der Klimawandel Pilzen zusetzt

Ralf Dalheuser zeigt den Lärchenröhrling in seiner Hand.

Der Lärchenröhrling wächst in der Nähe von Lärchen. Er ist mit den Bäumen verbunden. 

Die heißen Sommer der vergangenen Jahre haben den Pilzen in den heimischen Wäldern allerdings ziemlich zugesetzt. Am deutlichsten sieht man das an den Fichten, die wegen der anhaltenden Dürre abgestorben sind. Mit ihnen sind auch die Symbionten verschwunden, die an ihren Wurzeln hängen, zum Beispiel der Maronen-Röhrling oder der Fichtensteinpilz. Besser dran ist – noch – der essbare Gold- oder Lärchenröhrling, der wie der Name es sagt mit der Lärche verbunden ist und so gut wie immer unter diesen Bäumen zu finden ist. „Wenn es noch heißer wird, werden die Pilze sich verändern“, prophezeit Dahlheuser.

Ach ja, zu guter Letzt sind Pilze natürlich vor allem zum Essen da, vorausgesetzt, man hat nicht die falschen im Korb. Dahlheuser mag sie am liebsten gebraten, mit Salz und Pfeffer, zu Nudeln, Steak oder Schnitzel. Nur das Putzen findet er lästig. Hier lesen Sie 6 Tipps zum Pilzesammeln mit einer Pilz-Expertin